Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko, USA |

Bidens Versprechen

In El Paso an der Grenze zu Mexiko wurde diese Woche der Ausnahmezustand verhängt. US-Präsident Joe Biden will Asyl in den USA wieder möglich machen. Zehntausende warten darauf, die Grenze zu überqueren.

Zehntausende Menschen warten in Mexiko darauf, dass sie die Grenze zu den USA überqueren können. Foto: Carolina Rosas Heimpel

Unterhalb des Highways stehen die gigantischen Streben der Mauer. Während der Pandemie wurden sie mit Natodraht versehen. Seit letztem Winter ist auch der Zugang zum Río Bravo mit Maschendrahtzäunen verstellt und martialische Militärfahrzeuge der US-Nationalgarde stehen dort, wo der Betonkanal endet und der Grenzfluss zwischen Schilf und Büschen fließt. Auf mexikanischer Seite beginnen hier jenseits der Straße die Häuserblocks des Zentrums. In vielen von der Gewalt des Drogenkriegs verlassenenen Gebäuden haben sich in den letzten Wochen Geflüchtete eingerichtet; jederzeit bereit, ihre Sachen zu packen und zum Fluss zu rennen. Immer dann, wenn wieder das Gerücht kursiert, dass die Grenze geöffnet wird.

"Genug ist genug"

„Für alle, die hier warten, ist es eine große Anspannung und Unsicherheit“, bekundet Rubén García. Seit über vierzig Jahren leitet er die Migrantenherberge Annuntiation House in El Paso. Schon vor einem Monat warnte er vor einer humanitären Krise an der Grenze. Denn für den 11. Mai kündigte US-Präsident Biden die lang ausstehende Wideraufnahme der Asylpolitik in den USA an. Ex-Präsident Donald Trump hatte am 20. März 2020, zu Beginn der Pandemie, den gesundheitspolitischen „Title 42“ über das internationale Grundrecht auf Asyl gestellt.

Der Titel 42 macht möglich, Menschen die von der US-Border Patrol aufgegriffen wurden, ohne Anhörung von Asylgründen abzuschieben – oder aber im Fall der meisten lateinamerikanischen Geflüchteten – sie einfach ins Nachbarland Mexiko zurückzuschieben. Eine kaum zu meisternde Herausforderung für die mexikanischen Grenzstädte, so Ruben García. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Mexiko sagen muss, genug ist genug. Und die USA müssen einen Plan entwickeln, wie sie die Situation bewältigen wollen.“ Doch Biden hat seine im Wahlkampf versprochene Reform des Migrationsrechts angesichts der aktuellen Handlungsnotwendigkeit an der Grenze erneut zurückgestellt.

Tatsächlich hat auch wer nach dem 11. Mai klandestin die Grenze überquert keine Chance auf Asyl. Ein Asylantrag soll in den mexikanischen Grenzstädten digital über die App „CBP One“ gestellt werden. „Der reine Hohn für uns Geflüchtete“, erklärt Juan Ángel Pavón aus Venezuela. „Dort kann ich keinen Termin für meine Familie beantragen, sondern nur für mich alleine. Und die Vorladung ist dann vielleicht in Matamoros, Hunderte Kilometer entfernt.“ Dennoch stellt die App, die seit Januar begrenzt im Einsatz ist, die einzige Hoffnung für die schätzungsweise 35 000 Menschen dar, die in den letzten Wochen und Monaten in Ciudad Juárez angekommen sind. Überall in der Stadt sieht man Geflüchtete, die entweder um Geld und Essen betteln – oder mit ihrem Smart-Phone an Internet-Hotspots sitzen. Denn die App ist meist gar nicht zugänglich, sondern total überlastet. 

Spielbälle der Polizisten, Schleustern und Kartelle

Pavon sitzt vor dem Zelt, das er mit seiner Frau und zwei Töchtern bewohnt. Mit Hunderten anderen Geflüchteten aus verschiedenen Ländern lebt er auf einem Straßenzug zwischen dem Gebäude der Migrationspolizei und dem Rathaus. Sie kampieren auf Matten und in Zelten. Einige Freiwillige malen mit Kindern an einem Klapptisch. An Eisenstreben haben sie Plakate aufgehangen, um Gerechtigkeit zu fordern. Denn am 27. März war die Stimmung in der Industriestadt, deren Bevölkerung größtenteils aus Zugezogenen besteht, gegen die neueste Community aus Venezuela umgekippt. Nach Razzien auf der Straße wurden Festgenommene bei einem Brand im Abschiebegefängnis nicht aus einer überfüllten Sammelzelle befreit. 40 Männer erstickten, einige Überlebende sind noch immer im Krankenhaus. 

„Es war ein Staatsverbrechen“, sagt Juan Ángel Pavón. „Mexiko braucht ein Migrationsgesetz, das unsere Sicherheit garantiert.“ Der Kaufmann aus Venezuela hat vor zwei Jahren sein Land verlassen. Sie könnten weder vor noch zurück. Wären hier an der Grenze ein Spielball zwischen korrupten Polizeibeamten, Schleusern, die den Kartellen angehören, und der ausstehenden US-amerikanischen Asylpolitik. Doch in Ciudad Juárez hätten die Geflüchteten nach dem Massaker im Abschiebegefängnis nun wenigstens eine Verschnaufpause vor der Migrationspolizei. Der mexikanische Präsident Andrés López Obrador ließ Ermittlungen wegen Mord einleiten. „Seitdem gibt es keine Razzien mehr in der Stadt. Man hat uns schlichtweg unserem Schicksal überlassen.“

Im Zentrum der Ermittlungen stehen leitende und untere Beamtinnen und Beamte der mexikanischen Migrationspolizei. Aber auch der Chef der Grupo Beta von Ciudad Juárez sitzt in Untersuchungshaft. „Es ist ein Unding, dass gegen Juan Carlos Meza ermittelt wird“, so Blanca Navarrete, Leiterin der NGO Derechos Humanos in Acción (DHIA). Meza scheine in dem Verfahren als Sündenbock zu fungieren. „Während der Pandemie war Juan Carlos für sämtliche Migrantenherbergen und Organisationen, die eine solidarische Arbeit für Geflüchtete leisten, ein Licht in der Dunkelheit.“ Er stünde nicht nur der mit rein humanitären Aufgaben betrauten Untereinheit der Migrationspolizei vor, er zeichne sich auch als Mensch durch humanitäre Vision aus. Die Ermittlungen gegen seine Person seien „absurd, da er das Abschiebegefängnis nie betreten hat.“ Seine Aufgabe sei vor allem die Bergung von in Gefahr geratenen Personen im bergigen Grenzgelände gewesen. Auch der Venezoelaner Jeison Catari Rivas, der angeblich das Feuer gelegt haben soll, sitzt im Gefängnis, seit er aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

In der einsetzenden Dunkelheit werden unterdessen unzählige Lagerfeuer in den Ruinen im Zentrum der Stadt entzündet, um die sich Männer, Frauen und Kinder versammeln. Wo vor Monaten noch Schutt und Müll lag, haben Geflüchtete die Gebäude besenrein gemacht und fehlenden Türen und Fenster mit Decken und Laken ersetzt. Alle warteten sie auf den 11. Mai. Diese Woche wurde in El Paso deswegen der Ausnahmezustand ausgerufen. Noch einmal 1500 Anghörige der Nationalgarde soll die Border Patrol entlang der militarisierten Grenze unterstützten; 2500 Beamtinnen und Beamte sind schon mit ihr im Einsatz. „Asyl ist ein Menschenrecht, das niemandem verwehrt werden sollte“, errinnert Navarrete. 

Autorin: Kathrin Zeiske

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