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Kolumbien |

Betancourts Appell an die kolumbianische Sonderjustiz

Als Geisel der damaligen Farc-Guerilla in Kolumbien gelangte Ingrid Betancourt zu trauriger Berühmtheit. Nun sollen ihre Entführer zur Rechenschaft gezogen werden. Doch diese versuchen, ihre Gewalt zu rechtfertigen.

Foto: Ingrid Betancourt, Christian Roar Pedersen, 23203099, Aalborg StiftCC BY-ND 4.0

Als Ingrid Betancourt am 2. Juli 2008 in einer spektakulären und unblutigen Aktion der kolumbianischen Armee nach mehr als sechs Jahren als Geisel in der Gewalt der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc befreit wurde, gingen die Bilder ihrer Ankunft in Bogotá um die Welt. Das Drama füllte die Titelseiten, zumindest für ein paar Tage war die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Grünen vielleicht sogar die berühmteste Frau der Welt.

Mehr als zwölf Jahre liegen hinter der historischen Aktion, die vom damaligen Verteidigungsminister und späteren Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos geleitet wurde. Doch juristisch aufgearbeitet ist ihr Schicksal immer noch nicht. In dieser Woche wandte sich die inzwischen in ihrer Wahlheimat Frankreich lebende Betancourt, die stets als glühende Verfechterin des von Santos als Präsident 2016 ausgehandelten Friedensvertrags mit der Farc galt, mit einem Appell an die sogenannte "Sondergerichtsbarkeit für den Frieden" (JEP). Das Spezialgericht ist für die Aufarbeitung der während des bewaffneten Konflikts begangenen Verbrechen zuständig. Betancourt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Farc, die ganz offenbar versuche, die "JEP" als Instrument zu missbrauchen, um die eigenen Taten zu rechtfertigen und zu verharmlosen.

Betancourt: Verbrechen sollen beim Namen genannt werden

Vergeben heiße nicht vergessen und bedeute auch keine Straflosigkeit so Betancourt, die augenscheinlich befürchtet, die "JEP" fasse die Verbrechen der Farc mit Samthandschuhen an. In einem mehrere Punkte umfassenden Schreiben listet Betancourt ihre Bedenken auf. Unter anderem wirft sie der "JEP" vor, zu akzeptieren, dass die Farc das Wort Entführung für ihre Zeit in Geiselhaft zu vermeiden versucht. Ihre Gefangennahme begründete die Farc damit, ihr Leben hätte in der Wildnis geschützt werden müssen; dabei sei es die Guerilla gewesen, die ihr Leben in Gefahr gebracht habe. Es sei inakzeptabel, dass sie als Geisel ihre Notdurft vor den Augen eines Guerilleros hätte verrichten müssen, um eine Flucht zu vermeiden. Dies entspreche dem Geist eines frauenfeindlichen Machismo, von Dominanz und Sadismus. Die Farc versuche, Folter zu verharmlosen und als gewöhnliche Maßnahme zu beschreiben.

Betancourt kommt in ihrem Brief, aus dem das Nachrichtenmagazin Semana zitiert, zu der Erkenntnis, dass die Guerilla sich nicht nur ihr Leben, ihre Zeit mit der Familie und der Arbeit, ihre politische Laufbahn und Stimme angeeignet habe, um sie als militärisches Schutzschild, ökonomisches Faustpfand und mediale Plattform zu benutzen. Die Farc tue das auch weiterhin: "Sie benutzen mich, um ihr kriminelles Verhalten gegenüber der JEP zu rechtfertigen." Die auch aus Deutschland finanziell unterstützte Sondergerichtsbarkeit gerät in Kolumbien zunehmend in die Kritik. Vor allem aus dem Lager der Kritiker des Friedensvertrages werden Stimmen laut, die JEP sei Farc-Verbrechen gegenüber zu wohlwollend und rücksichtsvoll.

Farc-Kommandant Santrich erneut im Untergrund

Einen Schwarzen Tag erlebte die Institution, als sie die Auslieferung des ehemaligen Farc-Kommandanten Jesus Santrich im vergangenen Jahr wegen Drogenhandels in die USA als nicht vereinbar mit dem Friedensvertrag ablehnte und dieser seine angeordnete Freilassung anschließend zur Flucht nutzte. Inzwischen hat er mit Gleichgesinnten den bewaffneten Kampf wiederaufgenommen. Der Staat habe den Friedensprozess verraten, lautet ihre Begründung. Der überwiegende Teil der Farc distanzierte sich davon.

Im September 2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Santos nach vierjährigen Verhandlungen in der kubanischen Hauptstadt Havanna ein Friedensabkommen mit der Farc geschlossen. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Für seinen Einsatz im Friedensprozess erhielt Santos Ende 2016 den Friedensnobelpreis. Die entwaffnete Farc sitzt inzwischen als politische Partei im Parlament, obwohl sie bei den Wahlen kaum Stimmen gewann. Auch das sicherte ihr der Friedensvertrag zu.

Quelle: KNA, Autor: Tobias Käufer

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