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Argentinien bittet Reiche zur Kasse

In dem von Wirtschaftskrisen geplagten Argentinien müssen Millionäre künftig stärker zur Finanzierung staatlicher Aufgaben beitragen. Auch in der Corona-Krise. Ist das Reichenschröpfung oder ein Akt der Solidarität?

 Argentinien will Coron-bedingt Reiche stärker zur Kasse bitten. Foto: Alex ProimosCien PesosCC BY-NC 4.0

In Argentinien soll eine einmalige Abgabe für Millionäre den Kampf gegen Corona mitfinanzieren. Nachdem die Abgeordnetenkammer des südamerikanischen Landes das Gesetz bereits am 18. November verabschiedet hatte, stimmte vor wenigen Tagen auch der Senat der Sondersteuer zu.

Die beschlossene Maßnahme betrifft rund 12.000 Einwohner mit einem Vermögen von mehr als 200 Millionen Pesos (rund zwei Millionen Euro). Sie müssen eine Steuer von bis zu 3,5 Prozent auf ihr Vermögen im Inland und bis zu 5,3 Prozent auf ihr Vermögen im Ausland entrichten.

Die Mitte-Links-Regierung von Präsident Alberto Fernández hofft, mit dem "Aporte Solidario y Extraordinario" (solidarischer und außerordentlicher Beitrag) umgerechnet rund drei Milliarden Euro einzunehmen. Das Geld soll im wirtschaftlich stark angeschlagene Argentinien vor allem kleinen Unternehmen, sozial schwachen Bevölkerungsschichten und der medizinischen Versorgung zugute kommen.

"Nur 0,02 Prozent der Argentinier werden diesen Beitrag zahlen", verteidigte Carlos Caserio, Senator und Präsident der Haushaltskommission, die einmalige Abgabe in den argentinischen Medien. "Lassen Sie sich nicht täuschen, wir verfolgen niemanden." Man verlange lediglich Solidarität von denjenigen, die am meisten hätten, damit sich das Land von der Pandemie erholen könne.

"Steuerzahler sind es leid"

Kritik kam dagegen von der Opposition. Senator Martín Lousteau von der Partei "Unión Cívica Radical" (UCR) erklärte: "Wir leben in einem Land mit Rekordsteuersätzen und trotzdem haben wirRekordarmut". Lousteau forderte, besser mit vorhandenen Mitteln umzugehen und Staatsausgaben zu senken, statt "immer neue Steuern" zu schaffen.

Ähnlich sieht es der argentinische Steuerexperte César Litvin: "Argentinien benötigt ohne Zweifel mehr Mittel, um den enormen, durch die Corona-Krise entstandenen Schaden zu begrenzen. Aber die Steuerlast ist sowieso schon sehr hoch, und die Steuerzahler sind es leid, alleine die Lasten eines aufgeblähten Staatsapparats zu schultern."

Wirtschaftlich am Abgrund

Damit spricht Litvin weniger die Einkommensteuer an, die in Argentinien maximal 35 Prozent beträgt, während sie etwa in Deutschland bei maximal 45 Prozent liegt. Aber in der Summe stellten die "insgesamt circa 170 einzelnen nationalen, Provinz- und Ortssteuern" sowie eine Steuer auf private Besitztümer eine "untragbare Belastung" dar - und vom Staat komme wenig zurück.

Der Hinweis, dass statt einer neuen Abgabe der öffentliche Sektor eine Entschlackungskur vertragen könnte, helfe aber in der in der akuten Notlage nicht weiter, entgegnet der Lateinamerika-Experte Christian Ambrosius, denn die Mittel würden eben jetzt gebraucht.

Argentinien steckte schon vor Corona in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Land ist hoch verschuldet und wendete im August nur mit Mühe den dritten Staatsbankrott in 20 Jahren ab.

"Die Corona-Pandemie ist auf ein Land getroffenen, das einen sehr schwierigen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt hat und sich kaum neuverschulden darf", erklärt Ambrosius. In Anbetracht begrenzter Möglichkeiten, auf den extremen Wirtschaftseinbruch zu reagieren, könne die Abgabe für Millionäre durchaus sinnvoll sein, so der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, der derzeit an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) doziert.

Eine Frage der Solidarität

Ambrosius macht zudem noch eine andere Rechnung auf: "Ich denke, man muss man die Steuer auch unter dem Gesichtspunkt gesellschaftlicher Fairness betrachten. Die Corona-Krise hat gerade in den lateinamerikanischen Ländern viel stärker die ärmere Bevölkerung getroffen, weil sie sich sowohl gesundheitlich als auch ökonomisch weniger schützen kann." In dieser Situation die 12.000 Reichsten einmalig zur Kasse zu bitten, sei vermittelbar.

Ähnlich sehen es wohl die 20 Millionen Argentinier, die laut "Clarin", der größten Tageszeitung des Landes, mittlerweile unter der Armutsgrenze leben. Das entspricht einem Anteil von 44,2 Prozent der argentinischen Bevölkerung - "Clarin" zufolge der höchste Stand seit zehn Jahren.

Weniger Investitionen und Arbeitsplätze?

Laut Anwalt César Litvin, der an der Universität von Buenos Aires den Lehrstuhl für Steuertheorie innehat, scheiden sich an der außerordentlichen Millionärsabgabe die Geister: "Die anderen gut 50 Prozent der Menschen, die die Steuerlast in diesem Land tragen, und insbesondere die von der Steuer Betroffenen sind total dagegen."

Litvin sagt, er selbst halte die Maßnahme für verfassungswidrig, nicht wenige könnten versuchen, sie vor Gericht anzufechten. Er glaubt zudem, dass die Reichensteuer zu weniger Investitionen, der Streichung von Arbeitsplätzen und somit auch zu einer Reduktion der ansonsten eingenommenen Steuern führen wird - eine Prognose, die Ambrosius allerdings für wenig stichhaltig hält.

"Das ist fast schon ein reflexartiges Standardargument, das eigentlich immer auftaucht, wenn über eine progressive Steuer geredet wird. Aber wir reden ja hier von einer Abgabe auf Privatvermögen, nicht auf unternehmerische Aktivitäten." Dass dadurch Investitionen in größerem Maße verhindert würden, findet er weit hergeholt.

Linke fordert Abgabe für Deutschlands reichste 0,7 Prozent

Während Frankreich, Luxemburg, Spanien, die Schweiz und Norwegen laut der Aufstellung des Bundesfinanzministeriums bereits eine allgemeine, also wiederkehrende Vermögenssteuer erheben, ist Argentinien, soweit recherchierbar, das einzige Land, das sich innerhalb der letzten Jahre der Maßnahme einer einmaligen Vermögensabgabe bedient hat. Mit dem Gedanken spielen aber auch andere, unter anderem Chile, Spanien - und Deutschland.

In Deutschland fordern die Parteien Die Linke und auch Teile der SPD, dass Deutschlands Superreiche mit einer einmaligen Abgabe für die zusätzlichen Kosten in der Corona-Pandemie aufkommen. Die Fraktion der Linken im Bundestag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung gaben diesbezüglich auch eine Studie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag.

Stefan Bach, der Autor der Studie, verwies in der ARD darauf, dass auch nach dem zweiten Weltkrieg eine Vermögenssteuer maßgeblich dazu beigetragen habe, Entschädigungen und Hilfen zu zahlen. "Wir erleben einen starken Anstieg der Staatsverschuldung, und für solche Sondersituationen ist die Vermögensabgabe als außerordentliches Finanzierungsinstrument des Staates gedacht."

Ines Eisele, Deutsch Welle 

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