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Bolivien |

Mit Bibel und Rosenkranz auf die politische Bühne Boliviens

Luis Fernando Camacho ist Morales' härtester Gegner und neuer Hoffnungsträger der Rechten in Bolivien - ein Unternehmersohn mit anti-demokratischen Tendenzen.

Der Präsident des Comité Cívico (Bürger-Komitee) von Stanta Cruz Luis Fernando Camacho. Foto: Agencia Boliviana de Información

Es war ein Auftritt wie im Film. Luis Fernando Camacho, bis vor drei Wochen der Mehrheit der Bolivianer noch unbekannt, flog aus dem fernen Santa Cruz nach La Paz. Im Gepäck wie immer die Bibel, den Rosenkranz, ordentlich Chuzpe und einen Brief an Evo Morales. Camacho, 40 Jahre, hemdsärmelig, kräftig und meist mit Baseballmütze unterwegs, wollte dem da noch amtierenden Staatschef das Schreiben im Präsidentenpalast übergeben. Der Brief war seine Rücktrittserklärung. „Ich wollte, dass Morales den Brief unterschreibt und geht“. 

Der Anti-Morales: Wer ist Luis Fernando Camacho?

Morales hat den Brief zwar nie erhalten, aber Camacho hat sein Ziel erreicht. Der Sozialist und Aymara-Indigene, der Bolivien fast 14 Jahre regierte, hat das Land verlassen und in Mexiko Asyl bekommen. Und in Teilen liegt das an dem Druck, den Camacho und andere bis dahin unbekannte Chefs der sogenannten Bürger-Komitees in den vergangenen Tagen machten. Erstmals aufmerksam wurden die Bolivianer auf den Unternehmersohn, als er dem Präsidenten inmitten der Nachwahl-Krise ein Ultimatum von 48 Stunden stellte, innerhalb derer er zurücktreten sollte. 

Plötzlich ist der Vorsitzende des „Bürger-Komitees Pro Santa Cruz“ in aller Munde und wird schon als künftiger Präsidentschaftskandidat gehandelt. Dabei ist Camacho so etwas wie die Antithese zu Morales - laut, sehr rechts und sehr katholisch. Sein Diskurs ist nicht einschließend, sondern ausgrenzend. Er stammt aus dem Departement Santa Cruz im bolivianischen Tiefland, wo sich in den vergangenen Jahren traditionell die Opposition gegen Morales konzentrierte und wo man despektierlich auf das Hochland und seine indigene Mehrheit blickt.

Morales' lautester Kritiker

Es braucht meist ein Machtvakuum wie das in Bolivien, um Menschen wie Camacho nach ganz oben zu spülen. Ihm ist es in den vergangenen drei aufwühlenden Wochen seit der Präsidentenwahl vom 20. Oktober gelungen, die Gegner der Regierung hinter sich zu scharen. Dabei ist er gar kein Politiker und will es nach eigenen Worten auch gar nicht sein. Aber er war es, der nach dem offensichtlichen Wahlbetrug die lauteste Kritik und die weitgehendsten Forderungen äußerte. Während der in der Wahl zweitplatzierte Kandidat Carlos Mesa noch eine Neuwahl forderte, verlangte Camacho, Spitzname „Macho“, schon längst den Rücktritt von Morales. Auch jetzt gehen seine Forderungen weiter: Er will, dass die Abgeordneten der Morales-Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) ihr Mandat im Parlament niederlegen, er will die Spuren der vergangenen 14 Jahre tilgen. 

Überhaupt hat es Camacho nicht so mit der parlamentarischen Demokratie. Ihm wäre es am liebsten, sein Land werde zumindest vorübergehend von einer Art „Regierungsjunta“ geführt, gebildet aus Militärs und Vertretern der Bürger-Komitees. Diese sind in den bolivianischen Departements eigentlich Interessenvertretungen der Zivilgesellschaft und kümmern sich in der Regel um regionale oder lokale Themen. Meist sind darin Unternehmen, Gremien und Nachbarschaftsorganisationen zusammengeschlossen. Erst jetzt in der aktuellen Krise kümmern sich die Komitees erstmals um Themen der nationalen Politik. 

Die Bibel und das Kruzifix im Präsidentenpalast

Camacho selbst stellt sich als einen Vertreter der neuen anti-systemischen Politikergarde da, die nicht aus den traditionellen Strukturen erwachsen ist. Besonders hebt er seine Gottgläubigkeit hervor und hat geschworen, dass er die „Bibel wieder in den Präsidentenpalast“ bringen werde. Wegen seiner starken religiösen Prägung wird er gelegentlich als der „Bolsonaro Boliviens“ bezeichnet – unter Anspielung auf den rechtsradikalen und ebenfalls sehr religiösen brasilianischen Staatschef. 

Camacho verstecke seine autoritäre Haltung hinter einem religiösen Diskurs, der dem von Bolsonaro ähnlich sei, sagt der bolivianische Soziologe Julio Cordova. Beobachter werfen ihm zudem vor, er lasse unterschwellig Rassismus und Klassenhass aufscheinen.

Als Morales am Sonntag von seinem Amt zurückgetreten war, im Moment seines größten Triumphs, hielt Camacho für alle sichtbar nur Minuten später ein Kruzifix hoch. So als sei es eine Fügung Gottes, dass der erste indigene Präsident nun die Präsidentschaft Boliviens aufgeben muss. 

Autor:  Klaus Ehringfeld

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