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Mexiko: Referendum soll AMLO im Amt bestätigen

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) lässt das Volk über seine Zukunft entscheiden. Das Abberufungsreferendum zur Halbzeit seiner sechsjährigen Amtszeit hat sich zum Zankapfel entwickelt.

"AMLO ist nicht allein. Wählen wir, damit der Präsident bleibt!" steht auf dem Wahlplakat. Foto: Klaus Ehringfeld

„AMLO ist nicht allein, am 10. April gehen wir wählen“, Hashtag: „Damit der Präsident bleibt“, 
steht auf dem Wahlplakat für das Referendum zur Halbzeitbilanz des mexikanischen Präsidenten. Foto: Klaus Ehringfeld

Seit Ende März ist Mexikos Präsident im Leben der Bevölkerung noch präsenter als ohnehin schon. Von überlebensgroßen Plakatwänden lacht Andrés Manuel López Obrador herunter, und neben seinem Konterfei steht: „AMLO ist nicht allein, am 10. April gehen wir wählen“, Hashtag: „Damit der Präsident bleibt“. 

Zwischenzeugnis für den Präsidenten

Dabei müsste der Präsident gar nicht gehen. Seine Amtszeit dauert sechs Jahre. Gut drei hat er jetzt rum und er will, dass die Bevölkerung ihm am Sonntag sagt, ob er auch die andere Hälfte seines Mandats noch ableisten soll. Das Abberufungsreferendum hat er 2019 extra in die Verfassung schreiben lassen und es gleicht demjenigen, das Venezuelas damaliger Staatschef Hugo Chávez im Jahre 2004 veranstaltete und damals klar gewann. 
 
„Seit López Obrador vor mehr als 30 Jahren seinen sozialen Kampf begann, war er immer der Meinung, dass die Bürger die Regierenden absetzen können sollen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten", erklärt Gabriela Jiménez Godoy, Vorsitzende der Bürgerbewegung „Que Siga la Democracia“ („Dass die Demokratie weitergeht“) und so etwas wie der in die Zivilgesellschaft verlängerte Arm des Präsidenten. Dessen Motto laute: „Das Volk gibt und das Volk nimmt".

Populismus oder direkte Demokratie?

Seit Ende 2018 regiert der als linke Hoffnung für Mexiko gestartete López Obrador jetzt. Und seine Zustimmungsraten sind trotz zahlreicher Krisen, gespenstisch vieler Morde und Verschwundenen, des Erstarkens der Organisierten Kriminalität und eines rachitischen Wirtschaftswachstums überraschend hoch und halten sich konstant um die 60 Prozent. Dem kann auch seine Wendung zum Autoritarismus nichts anhaben. Und nun löst der 68-Jährige mit der Volksbefragung ein Versprechen aus dem Wahlkampf ein, das die einen als Populismus kritisieren und andere als direkte Demokratie loben.
 
Seit Monaten ist die Volksbefragung ein großer Zankapfel. Die Opposition ruft zum Boykott auf und kritisiert die Kosten von umgerechnet rund 175 Millionen Euro. Das Vorhaben sei nicht mehr als „sehr teures Theater“, ätzte die rechte Partei PAN. Auch die Wahlkommission INE machte Front und weigerte sich, Geld für das Referendum zur Verfügung zu stellen. Erst der Oberste Gerichtshof entschied für den Präsidenten. 

Viele Worte, wenig Taten

Das Referendum und der Streit darüber sind jedenfalls eine gute Gelegenheit für eine Halbzeitbilanz der Präsidentschaft López Obradors. Und auch da müsste man sagen: viel Worte, wenig Taten, viele Versprechen, wenig Ergebnisse. Dafür aber baut er das Land gar nicht mal heimlich und leise, sondern offen und laut zu einem autokratischen Staat um. López Obrador regiert nach dem Prinzip des alten französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV.: „L’état c’est moi“. Der Staat bin ich. Minister sind Staffage, austauschbar und dienen gegebenenfalls als Sündenbock. 
 
Unterdessen scheint die Bevölkerung selbst das Referendum kaum zu interessieren. Umfragen zufolge wird die notwendige Beteiligung von 40 Prozent nicht erreicht, die diese Volksbefragung bindend machen würde. Die Prognosen gehen von einer Wahlbeteiligung von zehn bis 25 Prozent aus. Also außer Spesen nichts gewesen? 

Ein Akt der Selbstbestätigung

Es sei aus demokratischer Sicht bedenklich, wenn ein solches Referendum vom Präsidenten selbst initiiert werde, kritisiert der Analyst Carlos Bravo Regidor: „Es sollte aus der Gesellschaft oder der Opposition herauskommen", sagt der Professor an der Hochschule CIDE. Aber es machten die Anhänger des Präsidenten auf sein Geheiß selbst. „Dabei wird die Demokratie auf den Kopf gestellt“. Das Ganze sei offensichtlich nur ein Akt zur Selbstbestätigung AMLOs. 
 
Edgardo Buscaglia von der New Yorker Columbia-Universität hält die Volksbefragung für einen weiteren Schritt hin zur Autokratie in Mexiko. „Am Sonntag geht es nur um den Präsidenten und seine Person.“ Aber es werde nicht die erste Hälfte seiner linken Regierung umfassend evaluiert, sagt der Experte für Organisierte Kriminalität und intime Kenner Mexikos im Gespräch. Dieses Referendum bestätige noch einmal, dass López Obrador ein „autoritärer Demagoge“ sei, der in vielem dem argentinischen Caudillo Juan Domingo Perón gleiche. Der mexikanische Präsident vereine in seiner Ideologie Elemente von „extrem rechten Positionen“, etwa bei Genderfragen und religiösen Themen. Aber er sei auch ein dezidierter Linker bei den Themen Armutsbekämpfung und Sozialprogrammen, unterstreicht Buscaglia. 

Entwicklung zur Autokratie

Auch die Politologin Viri Rios findet die Befragung eine gute Idee. Endlich sei das zweitgrößte Land Lateinamerikas mal „nicht nur polarisiert, sondern auch politisiert“. „Wir hatten immer eine völlig unterkühlte Demokratie. Jetzt kommt sie mal in Wallung.“ 
 
Aber außer dem Referendum kommen die sonstigen Wahlkampfversprechen allerdings kaum in Wallung. Weder startet die Ökonomie durch, noch ist die Korruption bekämpft oder die Organisierte Kriminalität annähernd eingehegt. Ganz im Gegenteil. Zudem werden die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen drangsaliert, und in den ersten drei Monaten des Jahres sind so viele Journalisten wie nie sind ermordet worden. Immerhin - und das erklärt im Wesentlichen AMLOs noch immer hohe Popularität - hat er die Armen im Blick, legt Sozialprogramme auf, gibt Stipendien für Jugendliche aus armen Verhältnissen aus. Allein schon die Tatsache, dass sein Diskurs plötzlich an die 50 Millionen Mexikaner gerichtet ist, die immer im Dunkeln blieben, weil sie arm oder mittellos sind, sichert dem Präsidenten enormen Zuspruch. 

Durchwachsene Regierungsbilanz

Aber ansonsten falle seine Bilanz miserabel aus, stimmen die Analysten überein. Neben der schleichend abgeschafften Demokratie ist das Wirtschaftswachstum mit die größte Leerstelle. Vergangenes Jahr wuchs das mexikanische Bruttoinlandsprodukt zwar um fünf Prozent, aber das ist viel zu wenig, um den Absturz während der Pandemie aufzufangen. Für 2022 reduzierte die Zentralbank jüngst die Wachstumsprognose auf rund 2,4 Prozent. 
 
López Obrador berücksichtige die Interessen der Wirtschaft nicht oder stehe ihnen gleichgültig gegenüber, sagt Johannes Hauser, Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (AHK Mexiko). Das habe nach drei Jahren zu einer „Vertrauenskrise zwischen dem Präsidenten und der Privatwirtschaft geführt, die sich in einer Zurückhaltung bei den Investitionen niederschlägt und das Wachstum tangiert,“ hebt Hauser im Gespräch hervor. Immerhin habe AMLO die Freihandelsorientierung beibehalten, was einiges kompensiere, unterstreicht AHK-Chef Hauser. „Aber Mexikos Wirtschaft bleibt deutlich unter ihren Möglichkeiten, und der Präsident tut nichts, um dies zu ändern.“

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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