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Mexiko militarisiert seine Häfen

Mexikos Präsident López Obrador hat sich vorgenommen, das Land umzukrempeln. Dabei setzt er zunehmend auf die Armee. Nun sollen Häfen und Zoll in die Hände der Militärs gelegt werden. Daran gibt es viel Kritik.

Hafen, Mexiko, Manzanillo, Pazifik

Der Hafen von Manzanillo im Bundesstaat Colima an der Pazifikküste von Mexiko. Foto: SCT México, CCO1.0

Seit Jahren versuchen die mexikanischen Behörden, den Schmuggel von Waffen, Drogen, aber auch illegal abgebauter Erze oder Hölzer über die Häfen des Landes zu stoppen – ohne durchschlagenden Erfolg. Oft kontrollieren kriminelle Netzwerke den Umschlag der Güter, die versteckt in Containern von bestochenen oder bedrohten Hafen- und Zollbeamten abgefertigt werden.

"Die organisierte Kriminalität in Mexiko hat in den letzten 15, 20 Jahren eine Mutation durchlaufen, es geht nicht mehr nur um Drogen, sondern immer stärker um territoriale Kontrolle", sagt Falko Ernst, in Mexiko ansässiger Senior Analyst der International Crisis Group (ICG) im Gespräch mit DW. Mexikos Kartelle haben ihr Geschäftsmodell diversifiziert. Neben dem Kerngeschäft aus Mord, Entführung und Drogenhandel mischen sie im Bergbau, Holzhandel oder der Immobilienbranche mit.

"Die Korruption in den Häfen und beim Zoll ist seit Jahren bekannt", sagt Raúl Benítez Manaut, Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte am Nordamerika-Forschungstzentrum (CISAN) der UNAM in Mexiko-Stadt, gegenüber DW. "Präsident López Obrador nimmt an, dass die Streitkräfte weniger korrupt sind und der organisierten Kriminalität besser entgegentreten können."

Nicht der erste Versuch

Die Regierung plant, Häfen und Zoll von ziviler Verwaltung durch das Verkehrsministerium in die Hände der Armee zu legen, um so Korruption und Schmuggel zu bekämpfen. Entsprechende Gesetzesänderungen nahmen in der vergangenen Woche die erste Hürde im mexikanischen Parlament. Eine Verabschiedung der Reform gilt als sicher.

Solche Bemühungen sind nicht neu. Unter den Vorgängerregierungen gab es immer mal wieder Anläufe, den Zoll zu modernisieren. Im November 2013 besetzte das mexikanische Militär Lázaro Cárdenas, einen der wichtigsten Häfen des Landes, da die örtliche Polizei der Zusammenarbeit mit den Drogenkartellen verdächtigt wurde.

Auch Ernst verweist darauf, dass Häfen wie der in Lázaro Cárdenas oder Veracruz schon länger unter Kontrolle der Militärs stünden. "Die Häfen, durch die Drogen und andere Güter laufen, werfen große Profite ab. Die Kontrolle darüber würde die Regierung einen Schritt näher an die Kontrolle des gesamten Problems bringen." Er hält es jedoch für eine Illusion, diese Flüsse effektiv kontrollieren zu können. Das gelinge selbst in Ländern mit stärkeren Institutionen nicht. Dafür sorge allein das schiere Volumen an Containern.

Protest in der Regierung

López Obrador verspricht dennoch, das Problem zu lösen. "Wir werden aufräumen, indem wir das gesamte Zoll- und Hafensystem des Landes erneuern", kündigte er Mitte Juli an. Damit stieß er auf Ablehnung sogar innerhalb der Regierung. Der damalige Verkehrminister, Javier Jiménez Espriú, nahm aus Protest seinen Hut.

Die Opposition und andere Kritiker befürchten eine "Militarisierung der Häfen" und negative wirtschaftliche Auswirkungen. "Das Problem ist, dass es den Außenhandel Mexikos abwürgt, denn sie [die Militärs, Anm.] verfügen nicht über die Kapazität, die Erfahrung oder das Wissen, um die Häfen, den Zoll und die Handelsmarine zu verwalten", so Marcelino Tuero, Präsident des Beratungsgremiums der Handelsmarine, gegenüber der Zeitung El Sol de México. Er beanstandete zudem, dass die Initiative der Marine "ein Monopol für die Errichtung maritimer Bauten" zugestehe. Damit werde die Armee zu einem eigenen Wirtschaftsakteur.

Bauaufträge für Infrastrukturprojekte sollten nicht Aufgabe der Armee sein, findet auch Benítez, räumt aber ein, dass viele Unternehmer "die Militärs gegenüber Zivilen bevorzugen, weil sie sagen: Da gibt es wenigstens klare Regeln und sie überwachen die Häfen mit mehr Effizienz."

Während seines Wahlkampfes hatte López Obrador noch versprochen, die fortschreitende Militarisierung der letzten 15 Jahre in Mexiko zurückzuschrauben und die Armee innerhalb kurzer Zeit von der Straße zu holen. "Bisher hat er genau das Gegenteil getan", sagt Ernst. "Der Militäretat steigt, und der Armee werden immer mehr Funktionen zugeschoben." Im Mai erließ der Präsident ein Dekret, das es erlaubt, die Armee für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit einzusetzen. Auch legte er Infrastrukturprojekte, wie den Bau des internationalen Flughafens Santa Lucía, eines der Vorzeigeprojekte der Regierung, in die Hände des Verteidigungsministeriums.

Wirtschaftsmacht für die Streitkräfte

"Es ist ein schlechtes Zeichen, dass die Armee viele Verantwortlichkeiten übernimmt, die in einer normalen demokratischen Regierung zivile Kräfte übernehmen würden", sagt Benítez. Das schwäche andere Institutionen. "Da wird viel Macht, nicht nur politische, sondern auch Wirtschaftsmacht in den Händen der Streitkräfte konzentriert", sagt Ernst. "Mittlerweile ist das mexikanische Verteidigungsministerium, abgesehen von den Häfen und den Grenzen, de facto schon das größte Bauunternehmen in Mexiko und der Trend wird weiter fortgeführt." Je mehr Aktivitäten die Armee mit übernehme, desto größer die Gefahr für Korruption. Die Begründung von López Obrador, die Streitkräfte seien weniger korrupt, bezeichnet Ernst als Märchen. "Auch in den Streitkräften gab es immer Korruption, illegale Tötungen, man ließ Leute verschwinden." Es fehlten Kontroll- und Transparenzmechanismen. Benítez hofft, dass die Militärs selbst sich der Situation bewusst sind und den Präsidenten bitten, die Aufgaben nur temporär zu übernehmen. Auch müsse die mexikanische Zivilgesellschaft Druck ausüben und Rechenschaft über das Agieren der Militärs verlangen.

Dass López Obrador so stark auf die Streitkräfte setze, hänge mit dessen ambitioniertem Projekt zusammen, glaubt Ernst. "Sein eigener Anspruch ist kein geringerer, als in die Geschichte einzugehen als großer Reformer, der Mexiko verändert. Damit steht er vor der Frage: Mit welchen Institutionen kann ich das bewerkstelligen?" López Obradors Erfahrung sei, auch gespeist aus seiner umstrittenen Wahlniederlage 2006, dass die Korruption tief und breit in den Institutionen verwurzelt ist. "Dann geht die Lesart eben in Richtung Streitkräfte als stringenter und hierarchisch organisierter Institution, mit der die Chancen, diesen Wandel in kürzerer Zeit herbeizuführen, am größten sind – wenn man mit ihr genügend Macht und Ressourcen teilt, um einen Schlag gegen sich persönlich zu vermeiden."

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Andreas Knobloch

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