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Meinung: Sonderjustiz in Kolumbien beweist Unabhängigkeit

Erstmals seit dem Friedensschluss von 2016 hat die kolumbianische Sonderjustiz Anklage gegen ehemalige führende Kommandeure der Farc-Rebellen erhoben. Von einer Sonderbehandlung der Farc kann also keine Rede sein - das ist eine Chance für die vollständige Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, meint Tobias Käufer.

No matarás! Töten verboten! - Wandgemälde in der kolumbianischen Stadt Medellín gegen Gewalt. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

No matarás! Töten verboten! - Wandgemälde in der kolumbianischen Stadt Medellín gegen Gewalt. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Die Sonderjustiz in Kolumbien hat sich die Kommandeure der einst mächtigsten Guerilla-Bewegung Lateinamerikas vorgenommen. Und ihre Einschätzung ist gnadenlos: Von Kriegsverbrechen ist die Rede und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die BBC nannte die Einschätzung der Richter historisch.

Dabei haben die Juristen, deren Aufgabe es ist, all die Ungerechtigkeiten und Gräueltaten des bewaffneten Konfliktes von mehreren Jahren Bürger- und Drogenkrieg aufzuarbeiten, gerade erst angefangen, sich um die rund 20.000 direkten oder indirekten Opfer der Farc-Entführungen zu kümmern. Die bekannteste Geisel war Ingrid Betancourt. Ihre Befreiung im Jahr 2008 nach mehr als sechs Jahren Geiselhaft unter menschenunwürdigen Bedingungen im kolumbianischen Dschungel ging um die Welt. Für einen Tag war sie die berühmteste Frau der Welt. Vor ein paar Wochen noch bat Betancourt, die jetzt in Frankreich lebt, die Sonderjustiz, sie solle sich nicht von den Guerilleros einwickeln lassen. Einige von den Ex-Kämpferinnen und Kämpfern hatten Betancourt sogar noch verspottet.

Nun aber müssen sich die prominenten Kommandeure um ihren Chef Rodrigo Londoño für ihre Taten juristisch verantworten. Und es folgen noch weitere Untersuchungen wegen Mord, Folter, Vergewaltigungen, Zwangsabtreibungen und Vertreibung. Es ist der Beginn einer gründlichen Aufarbeitung und zugleich die Beerdigung eines Mythos. Mit Guerillaromantik hatte der Kampf der Farc in den letzten Jahren ohnehin nichts zu tun, es war ein brutales, mörderisches Geschäft zur Durchsetzung ökonomischer (Drogenhandel) und ideologischer (sozialistische Revolution) Interessen.

Farc haben Opfer um Entschuldigung gebeten

Entscheidend ist aber etwas ganz anderes: Die Farc hat sich selbst zu dieser Aufarbeitung bereit erklärt. Die Installierung einer Sonderjustiz war ein zentraler Bestandteil des Friedensvertrages von 2016. Die Guerilleros wussten, was auf sie zukommt. Sie haben sich längst öffentlich bei den Opfern entschuldigt und um Vergebung gebeten. "Wir können uns den tiefen Schmerz und die Qualen der Söhne und Töchter derer vorstellen, die von der Farc entführt wurden“, schrieb die Farc-Spitze vor ein paar Monaten.

Die eigentlich politische Botschaft dieses historischen Tages in Kolumbien ist allerdings eine ganz andere, eine die gar nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Die rechten Gegner des Friedensprozesses um den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe hatten der Sonderjustiz stets unterstellt, sie würde bei der Farc mit anderen Maßstäben messen und die Guerilla mit Samthandschuhen anpacken. Sei sei politisch also einseitig parteiisch.

Sonderjustiz handelt nicht parteiisch

Diese Lesart ist nun Geschichte. Die Sondergerichtsbarkeit bringt sich damit in eine kluge Position. Sie kann nun mit gleicher Härte auch gegen die Verbrechen vorgehen, die von anderen Akteuren im bewaffneten Konflikt begangen wurden. Ihre Version von der Sonderbehandlung der Farc lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Der Weg zu einer vollständigen Aufarbeitung der Gewalt, für deren Großteil rechtsextreme Paramilitärs verantwortlich waren und immer noch sind, ist damit frei. Das werden vor allem Verbrecher aus dem rechten Lager mit Sorge beobachten. Das ist die eigentlich gute Nachricht dieses Tages, der in die kolumbianische Rechtsgeschichte eingehen wird.

Autor: Tobias Käufer

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