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Lateinamerika: Katholische Kirche verliert an Einfluss

Seit Jahren zählt die katholische Kirche zwischen Mexiko und Chile immer weniger Mitglieder. Nun könnte sie sogar in Brasilien zur Minderheit werden.

An der Prozession des Tinkunaco-Festes in La Rioja, Argentinien, nimmt auch der Bischof teil. Foto (2016): Adveniat/Tina Umlauf

An der Prozession des Tinkunaco-Festes in La Rioja, Argentinien, nimmt auch der Bischof teil. Foto (2016): Adveniat/Tina Umlauf

Seine erste internationale Dienstreise führte Papst Franziskus 2013 nach Rio de Janeiro, der Gastgeberstadt des damaligen Weltjugendtages. Das erste Kirchenoberhaupt aus Lateinamerika sollte für eine neue Begeisterung auf dem Kontinent sorgen, der besonders wichtig für die katholische Kirche ist. Tatsächlich war die Reise ein Erfolg, Hunderttausende jubelten dem Papst an der Copacabana zu.

Doch mehr als acht Jahre und einige Papstreisen nach Lateinamerika später sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Die katholische Kirche verliert in Lateinamerika immer mehr an Boden. Laut einer Umfrage des Brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE) betrug der Anteil der Katholiken in Brasilien im Januar 2020 etwa 51 Prozent, während der Anteil der Evangelikalen auf 31 Prozent stieg. Die Menschen wenden sich also nicht vom christlichen Glauben ab, sondern wechseln die Kirche.

Menschen wechseln das Bekenntnis

In Rio de Janeiro, der Stadt des Weltjugendtages 2013, sind die Katholiken bereits in der Minderheit. "Der Vatikan verliert das größte katholische Land der Welt - es ist ein riesiger, irreversibler Verlust", sagte Jose Eustaquio Diniz Alves, ein führender brasilianischer Demograf und leitender Forscher am IBGE jüngst dem "Wall Street Journal".

Brasilien ist bei weitem kein Einzelfall. "Latinobarometro", ein in Chile ansässiges Meinungsforschungsinstitut, kommt zu dem Ergebnis, dass in sieben weiteren Ländern Katholiken bereits zur Minderheit gehören. Dazu zählen Uruguay, die Dominikanische Republik und fünf mittelamerikanische Länder. Dabei stellen Lateinamerika und die Karibik eine der Kernregionen des katholischen Glaubens. Laut Vatikanangaben sind hier rund 40 Prozent der Gläubigen weltweit zu Hause.

Pfingstkirchen gewinnen Mitglieder

Doch der Verlust ist dramatisch: Von 1995 bis 2018 ging die Zahl der Katholiken in dieser Weltregion kontinuierlich von 80 Prozent auf 58 Prozent zurück. Rund 20 Prozent bezeichnen sich als Protestanten, davon zwei Drittel als Angehörige der Pfingstkirchen. Diese Kirchen vertreten vor allem in der Wirtschaftspolitik in der Regel konservativere Positionen als die katholische Kirche.

Die Gründe für das Abwandern sind vielfältig. Auch in Lateinamerika gab es gravierende Missbrauchsskandale wie jener in Chile, der zu einem kollektiven Rücktritt der Bischofskonferenz führte. Hinzu kommt eine immer mächtigere Konkurrenz durch evangelikale Kirchen, die eine flexiblere Präsenz in den Armenvierteln zeigen und Menschen aus den einkommensschwachen Regionen neben spiritueller auch materielle Hilfe anbieten. Mehr und mehr Indigene stellen mehr als 500 Jahre nach der Kolonialisierung zudem die Legitimität der christlichen Evangelisierung in Lateinamerika in Frage.

Liberale wie Konservative sind enttäuscht

Dazu kommt, dass der Reformprozess von Papst Franziskus für Unsicherheit sorgt. "Unter einem liberalen Papst haben die Liberalen die Kirche verlassen", schrieb der Theologe Alexander Görlach bereits im vergangenen Jahr in einem Beitrag für die Deutsche Welle. Der Papst habe seine Reformvorhaben nicht durchbringen können. In der Kirche selbst gibt es Machtkämpfe zwischen den konservativen und den progressiven Flügeln. Mit der Sympathie des Papstes für linke Wirtschaftsmodelle können die konservativen Katholiken nichts anfangen, von seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sind progressive Kräfte enttäuscht.

Auch politisch hat diese Entwicklung Konsequenzen. Die Wahl des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien hängt mit dem Erstarken der evangelikalen Kirchen zusammen, die als seine Basis gelten. Beobachter in Kolumbien gehen davon aus, dass die Ablehnung des Friedensvertrages beim Referendum 2016 auch zu Teilen auf die Kritik aus evangelikalen Kirchen zurückzuführen war. In Costa Rica scheiterte 2018 der rechts-evangelikale Kandidat Fabricio Alvarado bei den Präsidentschaftswahlen, nun liegt Alvarado laut Umfragen für den Wahlgang im Februar 2022 leicht vorne. Und so verliert die katholische Kirche nicht nur Gläubige, sondern auch Einfluss auf Politik und Gesellschaft.

Autor: Tobias Käufer, Kolumbien; Quelle: kna

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