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Kolumbien: Die Rolle der Kirche im brüchigen Friedensprozess

Per Friedensabkommen war 2016 der rund 50 Jahre dauernde Bürgerkrieg in Kolumbien beendet worden. Jetzt trafen sich der Chef der rechtsgerichteten Paramilitärs und der Anführer der ehemaligen FARC-Guerilla vor einer Wahrheitskommission. Sie soll zeigen, welch immense Schuld alle am Konflikt beteiligten Akteure gegenüber den Opfern auf sich geladen haben. Geleitet wurd das Treffen von einem Vertreter der katholischen Kirche.

Kathedrale in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Foto: Adveniat/Escher

Kathedrale in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Foto: Adveniat/Escher

Es war ein historisches Treffen, das vor ein paar Jahren in dieser Form noch undenkbar gewesen wäre. Zwei ehemalige Todfeinde treffen sich - wenn auch pandemie- und haftbedingt nur digital - vor der Wahrheitskommission. Bei den beiden ehemaligen Kontrahenten, die viel Gewalt und Leid über Kolumbien gebracht haben, handelt es sich um Salvatore Mancuso, Chef der rechtsgerichteten Paramilitärs, und Rodrigo "Timochenko" Londono, Anführer der ehemaligen FARC-Guerilla. Beide wurden per Videoschaltung der kolumbianischen Wahrheitskommission zugeschaltet. Während Timochenko aus Kolumbien sprach, meldete sich der an die USA ausgelieferte Mancuso aus dem Gefängnis von dort zu Wort.

Kirche als ideologisch neutrale Instanz

Interessant ist nicht nur die Tatsache, dass ein solches Treffen vier Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages überhaupt möglich ist, sondern auch, wer es leitet: Francisco de Roux, katholischer Geistlicher und Vorsitzender der Kommission. Denn der Vorsitz dieser Wahrheitskommission ist emotional und politisch so aufgeladen, dass eine Persönlichkeit aus der politischen Klasse des Landes für diese Aufgabe nicht in Frage kommt. Jedwede Person mit politischem Hintergrund wird kritisch hinterfragt, ob sie vielleicht doch nicht zu sehr links oder rechts steht oder mit einer Ideologie eher sympathisiert.

Die Schaffung der Wahrheitskommission ist Ergebnis des Friedensvertrages: Im November 2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos nach vierjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen mit der größten Rebellenorganisation des Landes unterzeichnet. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Für seinen Einsatz erhielt Santos Ende 2016 den Friedensnobelpreis. Die entwaffnete FARC sitzt inzwischen umbenannt in "Comunes" als politische Partei im Parlament, Timochenko ist ihr Parteivorsitzender. Ein Teil ihrer Kämpfer verweigert sich allerdings dem Friedensprozess und setzt den bewaffneten Kampf fort.

Bürgerkriegsverbrechen ans Licht bringen

Das Treffen, das erst einmal der technischen Vorbereitung weiterer für den 21. April geplanter Gesprächsrunden diente, lieferte schon einen Vorgeschmack auf das, was kommen wird. Das Treffen solle nicht dazu dienen, die Teilnehmer als Akteure des Krieges zu glorifizieren, sondern zu zeigen, welche immense Schuld alle am Konflikt beteiligten Akteure, der Staat und die Kolumbianer gegenüber den Opfern auf sich geladen hätten, machte Francisco de Roux klar. Nichts darf den Eindruck erwecken, dass hier etwas verharmlost oder minimalisiert wird. Eine denkbar schwere Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl und Neutralität verlangt.

Es ist überhaupt die Kirche, die in diesen einmal mehr schweren Wochen für Kolumbien die Stimme erhebt - und zwar in alle Richtungen. Die jüngste Gewaltwelle an der Pazifikküste, ausgelöst durch linke Guerillagruppen wie die ELN oder rechte Paramilitärs rief die Bischöfe erneut auf den Plan. Wohl kaum eine andere Institution in Kolumbien hat die moralische Anerkennung, beide ideologische Lager in die Pflicht zu nehmen - und dann auch noch die Regierung zu ermahnen.

Kirche ruft zu Dialog auf

Die Kolumbianische Bischofskonferenz rief die Regierung von Präsident Ivan Duque dazu auf, einen Raum für einen Dialog zu schaffen, da der Krieg in der Provinz Antioquia, der Pazifikküste und anderen Regionen des Landes die indigene und afrokolumbianische Bevölkerung sowie Kleinbauern besonders hart treffe und viele Menschenleben zerstöre. Quibdos Bischof Juan Carlos Barreto appellierte an die marxistische Guerilla-Organisation ELN, verminte Schulen und Wohngebiete sowie die Verkehrswege innerhalb von indigenen Territorien von den Sprengsätzen zu befreien, damit die Menschen sich dort wieder uneingeschränkt bewegen können. Und das Leid der Menschen, die unter anderem vor rechtsextremen paramilitärischen Gruppen fliehen müssen, dürfe nicht vergessen werden.

Die Region ist von struktureller Bedeutung für die Drogenproduktion und den Vertrieb. Das alles erfolgt in einer zunehmend explosiven gesellschaftlichen Lage: Das Land muss 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Venezuela integrieren, einen Zusammenbruch der Wirtschaft durch die Corona-Pandemie auffangen, den finanziell übermächtigen Drogenhandel bekämpfen und ganz nebenbei auch noch einen jahrzehntelangen Konflikt aufarbeiten. Das alles könnte ein bisschen zuviel werden.

Quelle: kna, Autor: Tobias Käufer

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