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Guatemala: Ohne Rechtsstaat keine Gerechtigkeit

Die Hälfte der Kleinkinder in Guatemala gilt als chronisch unterernährt - laut Welternährungsorganisation die höchste Rate in Lateinamerika. Die Corona-Pandemie hat zu noch mehr Hunger und Armut geführt. Hinzu kommt die weit verbreitete Korruption. Die Organisation Transparency International zählt Guatemala zu den drei korruptesten Ländern des Subkontinents. Im Land regt sich Widerstand. Ein Zusammenschluss verschiedener Religionsgemeinschaften organisiert den Protest.

Mayra Rodríguez Castro, Guatemala

Mayra Rodríguez Castro setzt sich mit einer interreligiösen Vereinigung für Rechtsstaatlichkeit in Guatemala ein. Foto: privat

Vor dem Nationalpalast im Zentrum von Guatemala-Stadt skandieren Demonstranten: „Zur Hölle mit der Korruption! Die Straflosigkeit muss aufhören!“ Aus zwei großen Lautsprechern schallt die Stimme von Mayra Rodriguez: „So geht es nicht weiter. Wenn die Regierung von Präsident Giammattei unfähig ist, das Land ordentlich zu verwalten, dann muss sie abtreten. Die Korruption muss aufhören.“

Eine interreligiöse Vereinigung

Die Wortführerin Mayra Rodriguez ist Gründungsmitglied der interreligiösen Vereinigung CENTINELAS. Als Politikwissenschaftlerin forscht sie zu den Wechselwirkungen zwischen Politik und Religion. Als katholische Aktivistin bemüht sie sich, im Umfeld verschiedener Glaubensgemeinschaften politisches Engagement zu mobilisieren: „Wir von CENTINELAS glauben an einen Gott, der wütend wird, wenn er sieht, wie die politische Klasse die Ignoranz und Armut des Volkes ausnutzt, um sich selbst zu bereichern.“

Mayra Rodriguez ist enttäuscht. Die meisten Kirchen in Guatemala beteiligen sich nicht an dem Protest gegen die Korruption. „Häufig wird gepredigt, die persönliche Beziehung zu Gott sei das Wichtigste am Glauben. Auf eine Beteiligung an der Gemeinschaft wird nur wenig wert gelegt. Solch ein moralistisches Verständnis wird vor allem von den Evangelikalen verbreitet. Wer die Bibel unterm Arm trägt, beweist damit seinen christlichen Glauben, auch wenn er angesichts der vielen Probleme des Landes tatenlos bleibt. Bei den Katholiken ist es ähnlich. Viele tragen ein Kreuz um den Hals und meinen, damit sei alles gut.“

Richter werden bedroht

Eine der Galionsfiguren im Kampf gegen die Korruption in Guatemala ist der Richter Miguel Ángel Galvez. Im Jahr 2015 hat er den kurz zuvor noch amtierenden Präsidenten General Otto Pérez Molina wegen mehrerer Korruptionsfälle ins Gefängnis geschickt. Als Richter erlebt er seit Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1996, wie sich die Korruption in Guatemala immer weiter ausgebreitet hat. „Damals hatte Guatemala eine große, sehr gut ausgerüstete Armee. Als dann die Friedensverträge unterschrieben wurden, hatten all diese Leute plötzlich nichts mehr zu tun. So kam es, dass sich viele Militärs am Aufbau krimineller Strukturen beteiligten. Heute kontrollieren sie die meisten Institutionen des Staates.“

Richter wie Galvez leben gefährlich. Er hat mehrere Attentate überlebt. Für seine Familie ist die Situation schwierig, auch weil sein fünfzehn Jahre alter Sohn keine Lust darauf hat, immer von Sicherheitspersonal begleitet zu werden. „Es kommt vor, dass er von Unbekannten verfolgt und fotografiert wird“, erzählt Galvez. „Einmal sind Soldaten des Generalstabs des Präsidenten bei mir aufgetaucht, um mir zu drohen. Sie kannten meinen Tagesablauf und den meiner Familie. Nachdem sie mir Fotos meines Sohns gezeigt hatten, warnten sie mich: 'Wenn Sie Anzeige erstatten, dann ermorden wir Ihre ganze Familie.' Meine Güte!“

CENTINELAS setzt sich für Rechtsstaatlichkeit ein

Mayra Rodríguez weiß um die Gefahren, in die sich standhafte Richter wie Galvez begeben. Deshalb setzt sie sich dafür ein, dass die interreligiöse Vereinigung CENTINELAS diese Funktionäre unterstützt. Von der Regierung fordert sie, Bedingungen zu schaffen, in denen die Justizbehörden ungestört arbeiten können. „In unseren Gemeinden sprechen wir darüber, wie wichtig es ist, dass wir auf ehrbare Richter zählen können“, sagt Mayra Rodriguez. „Die Kirchen sind dazu aufgerufen, diejenigen Entscheidungsträger zu stärken, die sich durch die Unabhängigkeit ihrer Arbeit auszeichnen.“

Richter Galvez ist dankbar für die öffentliche Aufmerksamkeit. So fühlt er sich gestärkt, seine Entscheidungen neutral und objektiv treffen zu können. „Gott sei Dank bekomme ich viel Schutz. Durch die großen Prozesse ist mein Name sehr bekannt geworden. Die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft in Guatemala unterstützen mich. Ich denke, das hält die Aggressoren davon ab, mir etwas anzutun.“

Mayra Rodríguez freut sich über die Anerkennung der zivilgesellschaftlichen Solidarität. „Es ist wichtig, dass wir wahrgenommen werden, als Kirchen und als interreligiöse Bewegung, die fähig ist, viele Menschen zu mobilisieren. Wir können es nicht weiter zulassen, dass die Würde der Menschen mit den Füßen der Korruption und der Straflosigkeit getreten wird.“

Autor: Andreas Boueke, Guatemala

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