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Filmrezension: "Roma" - Poetisch mit Sinn für Humor

Ein Rückblick des Filmemachers Alfonso Cuaron auf seine Kindheit in Mexico-City in den frühen 1970er Jahren. In luziden Schwarz-weiß-Bildern entfaltet sich in "Roma", der ab Donnerstag, 6. Dezember 2018, im Kino zu sehen ist, ein fesselndes Zeitbild.

Mit geschlossenen Augen auf einem Bein stehen – das sieht nicht nach einem großen Kunststück aus. Wenn man es selbst probiert, merkt man, wie schwierig es ist. Dementsprechend erlebt man ein elendes Schwanken und Stolpern, als eine Klasse von Martial-Arts-Schülern versucht, ihrem Meister diese Übung nachzumachen. Nur eine steht am Rande des Feldes, auf dem die Schüler trainieren: Cleo, ein Hausmädchen aus dem nahen Mexico-City, das zu Besuch ist, um seinen Ex-Freund zu sehen, ruht in sich wie ein Baum. Diese Szene ist einer jener Momente in Alfonso Cuarons "Roma", in denen der Realismus ins Magische spielt und die Protagonistin etwas Überlebensgroßes ausstrahlt - sozusagen von der Liebe verklärt, mit der Cuaron sie betrachtet. Im Vergleich zu Cuarons Hollywood-Filmen ("Gravity", "Harry Potter und der Gefangene von Askaban") erzählt "Roma" eine sehr bescheidene Geschichte. Gedreht in Mexico-City und benannt nach jenem Stadtteil der Metropole, in dem der Regisseur aufwuchs, entfaltet der Film einen fiktionalisierten Rückblick auf die Kindheit des Filmemachers in den 1970er Jahren - mit einem sehr genauen Blick auf die sozialen Verhältnisse. Aber "Roma" ist auch eine Liebeserklärung, eine Hommage an die Frauen, die Cuaron aufgezogen haben, vor allem aber das indigene Hausmädchen, das in dem Film Cleo heißt und von der Laiendarstellerin Yalitza Aparicio verkörpert wird.

Soziale und politische Gräben im Mexiko der 1970er Jahre

Der Moment, in dem die junge Frau mit geschlossenen Augen auf einem Bein steht, markiert das, worum es Cuaron mit diesem Film geht: die Feier einer Lebensleistung, die unscheinbar und leicht zu übersehen ist, aber den größten Respekt verdient. Zusammen mit einer Freundin arbeitet Cleo für eine wohlhabende Mittelstandsfamilie, die Cuarons eigener Familie angelehnt ist, und hilft der Mutter Sofia, ihre vier Kinder zu erziehen. "Roma" taucht in den Alltag dieses häuslichen Lebens ein. Der Film verfolgt, wie über den Graben hinweg, der Angestellte und Arbeitgeberin trennt und der auch ein Graben zwischen der indigenen und der spanischstämmigen Bevölkerung des Landes ist, Cleo und Sofia im Lauf der Handlung ähnliche Schicksalsschläge treffen. Cleo wird von ihrem Freund schwanger und sitzengelassen; Sofias Mann, ein Arzt, verlässt seine Familie von einem auf den anderen Tag. Die familiären Tragödien der Frauen überschneiden sich mit der Phase der Studentenproteste in der mexikanischen Hauptstadt, die demokratische Reformen in dem autoritär regierten Land einfordern, und mit dem brutalen Gegenschlag einer von der Regierung gestützten paramilitärischen Gruppe. Er ist als "Corpus Christi Massaker" (1971) in die mexikanische Geschichte eingegangen. Cuaron verquickt diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund in einer ebenso meisterhaften wie markerschütternden Sequenz direkt mit Cleos Geschichte. Der Zeitpunkt, an dem bei dem schwangeren Hausmädchen die Wehen einsetzen, fällt mit der gewaltsamen Eskalation in der mexikanischen Hauptstadt zusammen und verbindet das Ende politischer Hoffnung mit dem, was Cleo zustößt.

Poetisches Zeitbild in Schwarz-weiß

Ausgestattet wurde "Roma" von Eugenio Caballero, der seine Kunst unter anderem in Guillermo del Toros "Pans Labyrinth" demonstrierte. Das Mexico City der 1970er Jahre und Cuarons Elternhaus werden ungemein sinnlich zum Leben erweckt. Cuaron hat den Film in luzidem Schwarz-weiß gedreht. Mit dem exzellenten Sound-Design resultiert daraus ein Film, der durch seine schiere Poesie für sich einnimmt: Die Textur der Gegenstände, das Licht- und Schattenspiel im Innenhof und in den Räumen fordern von der Titelsequenz an ähnlich viel Aufmerksamkeit wie das Auf und Ab im Leben der Menschen, die sich darin bewegen. Ein Zeitbild voller Schönheit, in dem gelegentlich auch ein frecher Sinn für Humor aufblitzt. "Roma" ist aber auch ein Zeitbild, das nichts beschönigt. Sofia und Cleo mögen den Katastrophen, die sie treffen, zwar dadurch begegnen, dass sie sich solidarisieren und umso fester zusammenhalten. Doch die unsichtbare soziale Grenze, die zwischen ihnen besteht, wird nie ganz überwunden, was der Film trotz aller Poetik sehr deutlich und illusionslos festhält.

Quelle: KNA, Autorin: Felicitas Kleiner

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