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Faktencheck: Bolsonaros Behauptungen vor den Wahlen

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro arbeitet mit falschen Behauptungen, um die Gunst der Wähler zu erhalten. Foto (2019): 18/07/2019 Solenidade Alusiva, Alan Santos/PR, Palácio do Planalto, CC BY 4.0

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro arbeitet mit falschen Behauptungen, um die Gunst der Wähler zu erhalten. Foto (2019): 18/07/2019 Solenidade AlusivaAlan Santos/PR, Palácio do PlanaltoCC BY 4.0

Trotzt Brasiliens Wirtschaft Corona?

Behauptung: "Im weltweiten Vergleich ist Brasilien relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen." (Brasiliens Präsident Bolsonaro am 8.8.2022 im Podcast Flow, 3.52 – 3.58)

DW Faktencheck: Irreführend.

Bolsonaros Zitat bezieht sich ausschließlich auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Es stammt aus einem fünfstündigen Gespräch mit dem Podcast "Flow." Das Format wurde am 8. August in verschiedenen sozialen Medien veröffentlicht und erreichte bisher über 14 Millionen Abrufe.

Es ist verständlich, dass Bolsonaro der Bevölkerung vor der ersten Runde der Wahlen am 2. Oktober gute Nachrichten übermitteln will. Fakt ist, dass die Pandemie dem Land stark zugesetzt hat. Nach Angaben der Weltbank stürzte die Wirtschaft nach einem niedrigen Wachstum von 1,2 Prozent 2019 im Jahr 2020 in eine Rezession und brach um 3,9 Prozent ein. 2021 verbesserte sich die Lage, das Wachstum zog um 4,6 Prozent an.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch beim Ranking der größten Volkswirtschaften weltweit wider. Zwischen 2010 und 2014 belegte Brasilien Platz 7. 2020 rutschte es laut der Ranking Agentur "Austin Ranking" auf Platz zwölf und 2021 auf Platz 13 ab.

Mittlerweile ist die Wirtschaft dabei, sich zu erholen. Nach dem Anstieg des Wirtschaftswachstums in den ersten vier Monaten dieses Jahres kehrte das Land unter die Top Ten der größten Wirtschaftsnationen zurück. Auch die Arbeitslosigkeit geht zurück, verharrt allerdings weiterhin auf einem hohen Niveau. Nach Angaben des Statistikamtes IBGE fiel der Wert von 14,2 Prozent im zweiten Quartal 2021 auf 9,3 im zweiten Quartal 2022.

Fazit: Die Pandemie war wirtschaftlich ein harter Schlag, aber die Lage verbessert sich langsam.

Deflation oder Inflation? 

Behauptung: "Nachdem wir die größten Preisrückgänge in fast einem halben Jahrhundert verzeichnen, warnen jetzt diejenigen, die mich wegen der Inflation angegriffen haben, vor dem Risiko eines niedrigen Indexes."

DW-Faktencheck: Falsch

Bei seinem Twitter-Post vom 9. August nutzt Bolsonaro die monatliche Inflationsstatistik, um die "größten Preissenkungen der fast vergangenen 50 Jahre" zu feiern. Auf den ersten Blick scheint er Recht zu haben: Die Inflation im Monat Juli war negativ und lag laut dem brasilianischen Statistikinstitut IBGE bei -0,68 Prozent.

Der extrem niedrige Rate im Juli 2022 ist jedoch eine Momentaufnahme. Die Inflation in den vergangenen zwölf Monaten betrug insgesamt zehn Prozent, im Zeitraum von Januar bis Juli kletterten die Preise um 4,77 Prozent nach oben.

Auch für die nahe Zukunft rechnen Fachleute weiterhin mit einer anhaltenden Inflation. Chefvolkswirt Alex Agostini von der Rating-Agentur Austin prognostizierte gegenüber dem brasilianischen Tageszeitung Folha de S.Paulo für September eine Gesamtinflation von 7,8 Prozent. "Wir sollten uns nicht irreleiten lassen. Die Deflation im Juli beruht auf Steuererleichterungen."

Beim Thema Inflationsbekämpfung verfügt Brasilien über langjährige Expertise. Vor 50 Jahren, 1972, summierte sich die Teuerungsrate auf 15,7 Prozent. 1982 erreichte sie bereits knapp über 100 Prozent und im Jahr 1990 litt Brasilien unter einer Hyperinflation von über 1.000 Prozent im Jahr.

Nach dem Amtsantritt von Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso (1995 – 2003) gingen die Raten zurück und stabilisierten sich im einstelligen Bereich. Der Grund war das erfolgreiche Programm Plano Real. Die niedrigste Inflationsrate in den vergangenen 50 Jahren mit 2,95 Prozent erreichte Brasilien 2017.

Fazit: Ob Brasilien wirklich den größten Preisrückgang in fast einem halben Jahrhundert feiern kann, wird sich erst nach Ermittlung der akkumulierten Inflation des Jahres 2022 herausstellen.

Streit um digitale Urnen

Behauptung: "Die Stimmauszählung muss öffentlich sein. Wenn sie hinter verschlossenen Türen in einer Schatzkammer stattfindet, ist sie nicht öffentlich." (Podcast Flow vom 8.8.2022)

DW-Faktencheck: Falsch

Brasilien ist nach Angaben des obersten brasilianischen Wahlgerichtes TSE mit 156 Millionen Wählberechtigten die viertgrößte Demokratie weltweit. Es ist das einzige Land der Welt, in dem die offiziellen Ergebnisse bereits am Wahltag feststehen.

Grund dafür ist die Digitalisierung des Wahlprozesses, denn seit 1996 wird per elektronischer Urne gewählt. Im Gegensatz zu der Zeit vor 1996 habe es, laut TSE, in den vergangenen 25 Jahren keine Fälle von Wahlbetrug in Brasilien gegeben.

Die Auszählung der Stimmen beginnt in der elektronischen Urne, die die Stimmen addiert und das Ergebnis an die regionalen Wahlgerichte weiterleitet. Alle Ergebnisse werden automatisch auf die Seite des Obersten brasilianischen Wahlgerichts weitergeleitet. Die elektronischen Urnen drucken zudem nach dem Ende des Wahlgangs jeweils ein Protokoll mit den Ergebnissen aus.

Bolsonaro hatte die Sicherheit der elektronischen Stimmauszählung mehrfach in Frage gestellt und gefordert, die brasilianischen Streitkräfte sollten den Vorgang kontrollieren und die Stimmen parallel auszählen. Dies führte und führt zu Verunsicherung in der Bevölkerung.

Um den Vorwürfen des Präsidenten zu begegnen, hatte der TSE bereits im September 2021 eine Kommission für Wahltransparenz (CTE) mit Vertretern der Zivilgesellschaft gegründet. In der Kommission sind auch Militärs aus dem Verteidigungsministerium vertreten.

Es gibt einen Informationsaustausch mit Experten für Cybersicherheit der brasilianischen Streitkräfte. Außerdem gehört das Militär gehört auch zu den vom TSE registrierten Wahlbeobachtern. Das brasilianische Verteidigungsministerium, angeführt von General Paulo Sérgio Nogueira de Oliveira, versicherte in einem Statement, dass der "Einsatz des Militärs sowohl in der Transparenzkommission als auch bei der Kontrolle des elektronischen Wahlsystems strikt den vom TSE vorgegebenen Normen folgt."

Fazit: Die Aussage Bolsonaros, Wahlen per elektronische Urne seien unsicher, ist falsch.

Quelle: Deutsche Welle, Astrid Prange de Oliveira, unter Mitarbeit der brasilianischen Redaktion DW Brasil

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