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Ecuador - "Sinkende Bananenpreise verschärfen soziale Misere"

Jorge Acosta (60), Koordinator der Landarbeitergewerkschaft ASTAC aus Guayaquil in Ecuador befürchtet ein Preis-Dumping beim Bananenhandel. Die von Aldi angekündigten Preissenkungen würden gegen das mit der EU vereinbarte Freihandelsabkommen verstoßen, kritisiert er.

Bananen, Ecuador, Gewerkschaft

Gewerkschafter Jorge Acosta setzt sich für eine faire Entlohnung von Bananen-Produzenten und Plantagenarbeitern in Ecuador ein. Foto: Knut Henkel

Blickpunkt Lateinamerika: Aldi ist der größte  Einzelimporteur für Bananen weltweit. Das in Aldi Nord und Aldi Süd unterteilte Unternehmen kauft Bananen gemeinsam ein und will für 2021 die Preise deutlich senken. Was hätte das für Auswirkungen für Ecuador, den größten Bananenexporteur der Welt?
 
Jorge Acosta: Ecuadors Bananenexporte sind in der Pandemie nicht eingebrochen, sondern haben zugelegt. Zwölf Prozent Zuwachs muten erst einmal positiv an, aber die Exporteure haben in vielen Fällen darüber geklagt, dass Verträge nicht eingehalten werden, dass geringere Preise gezahlt wurden als vereinbart. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Situation für die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Plantagen verschlechtert: das Arbeitsaufkommen erhöht sich, Löhne werden nicht oder verspätet ausgezahlt, Sozialleistungen nicht erbracht. Wir wissen von Plantagenarbeitern, die fünf, sechs Wochen keinen Lohn erhalten haben, von Entlassungen, die ohne die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgten - die Arbeiterinnen und Arbeiter sind das letzte und das schwächste Glied in der Kette. Die Ankündigung von Aldi, den Importpreis pro Bananenkiste á 18,14 Kilogramm von derzeit 12,41 Euro auf 11,33 Euro zu senken, wird die soziale Misere in Ecuador verschärfen. 
 
Allerdings sind im Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Ecuador mehr Nachhaltigkeit, mehr Umweltschutz und faire Löhne fixiert – ein Widerspruch?
 
Eigentlich schon. Wir haben bereits bei der Europäischen Kommission nachgefragt, wie es sein kann, dass Verträge von Seiten der Importeure nicht eingehalten werden. Das seien Einzelfälle, hieß es da. Doch der offizielle Mindestpreis für die Produzenten liegt in Ecuador bei 6,40 US-Dollar pro Kiste, er wird aber systematisch unterlaufen. Wir wissen von Beispielen, wo nur 2,50 US-Dollar oder maximal drei oder vier US-Dollar gezahlt wurden. Das deckt oft noch nicht einmal die Produktionskosten. Das ist bedrohlich für die Existenz der Kleinproduzenten, deren Ausgaben sich aufgrund steigender Kosten für Kartonagen, Verpackungsmaterial und Pflanzenschutzmittel ohnehin erhöht haben. Zudem sind die Kosten für die Exportlizenzen, Hafengebühren, Transport und ähnliches auch nicht günstiger geworden. 
 
Aldi argumentiert, dass die gesunkenen Transportkosten ein zentraler Grund seien, um die Importkosten zu senken – hinzu sollen Umrechnungskosten kommen...
 
Davon spüren die Exporteure wenig, denn der Transportweg aus Ecuador ist länger. Die Frachter müssen erst einmal durch den Panamakanal – das ist teuer. Es liegt für uns auf der Hand, dass sich mit der Ankündigung der Preissenkung von Aldi die Situation der Arbeiter verschlechtern wird. Die Arbeitsrechte werden nicht, wie es die EU-Kommission im Handelsvertrag vorgesehen hat, verbessert, sondern verschlechtert. 
 
Das passt nicht zusammen mit dem Nachhaltigkeitskapitel 9 im Handelsvertrag, das Arbeits-, Sozial- und Umweltrechte verbessern und nicht verschlechtern soll. Wie kann das sein?
 
Das Kapitel hat nur Alibi-Charakter, denn Sanktionen sind nicht vorgesehen. Das ist ein zahnloser Tiger und vieles deutet daraufhin, dass die Preise für Bananen nachgeben werden – zu Lasten der Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter. Die Regierung hat zum Beispiel den Mindestpreis pro Kiste für 2021 abgesenkt – in etwa in Höhe der Marge, die Aldi vorschwebt. Das ist sicherlich kein Zufall. Wir denken, dass es unter dem Tisch ein Übereinkommen zwischen großen Exporteuren und Aldi gibt – zu Lasten der Plantagen- und Verpackungsarbeiter. 
 
Aldi will den Importpreis um neun Prozent auf 11,33 Euro senken, worin alle Export- und Transportausgaben enthalten sind. Wie viel Geld sollen die Bauern in Ecuador daran verdienen?
 
Etwa sechs US-Dollar pro Kiste, so die Vorgaben der Regierung. Wenn Aldi den Preis senkt, werden auch die anderen Importeure folgen. Aldi wird eine Abwärtsspirale in Gang setzen – mitten in der Pandemie. Aus meiner Sicht ist das kriminell, denn in Ecuador werden die Kleinproduzenten weiter unter Druck gesetzt. Ich befürchte eine Pleitewelle und bin schockiert, dass ein Handelsabkommen, welches sich zu fairen Löhnen, Umwelt- und Sozialstandards bekennt, keine Handhabe bietet, gegen derartige Dumping-Strategien vorzugehen. 
 
Wie kommt das?
 
Diese Frage muss man der Europäischen  Kommission stellen. Für die Frauen und Männer auf den Plantagen ist das Abkommen wertlos, denn es schützt ihre Interessen nicht, weil keine Sanktionen vorgesehen sind. Das lässt Konzernen wie Aldi freie Hand.
 
Was wäre ein fairer Preis für eine Kiste Bananen aus Ecuador laut den Händlern?
 
Sieben US-Dollar pro Kiste. De facto ist der Unterschied nicht sonderlich groß, aber er hat bei mehr als fünf Millionen Kisten Bananen, die wöchentlich das Land per Schiff verlassen, einen nachhaltigen Effekt: Ein Dollar mehr entscheidet darüber, ob ein Leben in Würde als Plantagenarbeiter möglich ist oder nicht. 

In Deutschland ist ein Kilo Bananen für weniger als einen Euro zu haben, teilweise für 77 Cent, während Äpfel das Doppelte kosten. Warum kostet eine Frucht, die elftausend Kilometer gereist ist, weniger als eine regional produzierte Frucht? Ich glaube, dass die Konsumenten durchaus dreißig Cent für das Kilo Bananen mehr zahlen würden, damit die Produzenten und die Arbeiter ein faires Auskommen haben. Bananen gelten in Supermärkten jedoch als Schlüsselprodukt, deren Preis soll die Kunden in den Markt locken. Wir werden Zeugen eines Preiskrieges zwischen den großen Supermärkten, den sie auf dem Rücken der Plantagenarbeiter und der Kleinproduzenten austragen. Das muss sich ändern.

Interview: Knut Henkel

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