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Interview: Der Bananenpilz breitet sich in Kolumbien aus

Ein Pilz bedroht den Bananen-Welthandel. TR4 heißt er, wurde gerade in Kolumbien nachgewiesen und könnte sich in Lateinamerika ausbreiten. Ein mittelfristig realistisches Szenario, sagt Gert Kema. Er forscht an der niederländischen Agraruniversität Wageningen und versucht, neue Bananensorten durch Kreuzung zu finden. 

Lateinamerika Bananen Adveniat

Monokulturen machen es dem Bananenpilz TR4 leicht, sich auszubreiten. Foto: Adveniat/Jürgen Escher 

Herr Kema, Ihr Forschungsteam hat gemeinsam mit den Kollegen von KeyGene nachgewiesen, dass der Pilz „Tropical Race 4“, kurz TR4, in Kolumbien angekommen ist. Warum ist der Pilz eine Gefahr für den Bananen-Weltmarkt?
 
Die Ankunft von Tropical Race 4 hat einen großen psychologischen Effekt auf die Bananenproduzenten in Lateinamerika, von wo der Großteil der Bananen kommt, die in den USA und Europa konsumiert werden. Der Pilz wurde in Kolumbien auf mehreren Plantagen, genau sechs, nachgewiesen und nicht nur bei vereinzelten Pflanzen, sondern bei vielen Stauden – er verbreitet sich also bereits. Überall wo der Pilz, der 1989 erstmals in Taiwan, dann Malaysia und Indonesien nachgewiesen wurde, hat er einen desaströsen Effekt. Er hat sich bereits in China, Pakistan, Laos, Libanon, Israel und Mozambique verbreitet. Nun hat er den Sprung über den Atlantik geschafft. 
 
Wie lässt sich der Pilz bekämpfen und sehen Sie Chancen, die Verbreitung der Sporen zu verhindern?
 
Es gibt kein Fungizid, welches dem Pilz, der im Boden sitzt, etwas anhaben kann. TR4 befällt die Wurzelspitzen, wandert die Leitbahnen der Pflanze hoch, verstopft sie, so dass die Staude nicht mehr mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird, abknickt und stirbt. Zudem können die Sporen des Pilzes über Jahrzehnte im Boden überdauern – wir gehen derzeit von dreißig Jahren aus. Die den Export dominierende Sorte Cavendish ist dem Pilz hilflos ausgeliefert. 
 
Gibt es andere Sorten, die resistent gegen den Pilz sind?
 
Cavendish dominiert den Welthandel mit Bananen zu rund 95 Prozent, spielt aber auch für die Versorgung der Bevölkerung in China und Indien die entscheidende Rolle. Es gibt derzeit keine alternative Sorte. Das ist die schlechte Nachricht – wir hängen von einer Sorte ab. Die gute Nachricht ist: Wir arbeiten an neuen Varianten. 
 
Bei anderen Kulturpflanzen, ob Kartoffel oder Weizen, gibt es zahlreiche Sorten. Warum bei der Banane nicht?
 
Cavendish ist eine samenlose Sorte, die durch Stecklinge vermehrt wird, so dass die einzelnen Pflanzen Klone mit sehr einheitlichem Erbgut sind. Das birgt ein Risiko, auf das die Wissenschaft früh hingewiesen hat – die einseitige Abhängigkeit von einer dominierenden Sorte. Weder die großen Bananenhandelskonzerne noch die Regierungen der Länder, die Bananen exportieren oder in denen Bananen für die Nahrungsmittelversorgung eine zentrale Rolle spielen, haben in Forschungsprogramme investiert, um dieser einseitigen Abhängigkeiten zu entgehen. Ein historisches  Versäumnis.
 
Angesichts der Tatsache, dass bereits Ende der fünfziger Jahre der Bananenpilz TR1, der "Großvater" von TR4, die damals dominierende Sorte „Gros Michel“ dahinraffte, ist das schwer nachzuvollziehen.
 
Ja, und es stimmt, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.  Es gibt viele Gründe, weshalb es bei der Banane wenig Innovation gab. Ein Grund dafür ist, dass es im Bananenhandel nur wenige große Player gibt, der andere, dass Innovation kostspielig ist. Es gibt zwar Wildbananen, die gegen TR4 resistent sind, aber sie haben deutlich weniger Fruchtfleisch sowie Samen, die als Kerne im Fruchtfleisch stecken. Diese Sorten haben keine Chance auf kommerzielle Vermarktung, und die Kreuzung dieser Sorten mit Cavendish- oder Gros Michel-Varianten kostet Zeit und Geld. In der Branche ist man lange nach der Devise verfahren: Augen zu und durch. 
 
Hat sich in den letzten Jahren daran etwas geändert? Wissenschaftler warnen seit Jahren vor der Ausbreitung von TR4.
 
Chiquita ist ein Unternehmen, welches sich seit ein paar Jahren engagiert, neue Bananensorten zu entwickeln. Das braucht allerdings Zeit, denn der klassische Prozess der Kreuzung verschiedener Sorten ist langwierig. Diesen Ansatz verfolge ich mit meinem Team an der Agraruniversität Wageningen. Ich bin der Meinung, dass wir eine Vielfalt von Sorten auf den Plantagen brauchen, aber auch von der Monokultur mit dem hohen Pestizideinsatz wegkommen müssen – die macht es dem Pilz einfach.
 
Ist der Bioanbau bei Bananen eine Alternative oder sind Agroforst-Konzepte, wo Bananen neben anderen Kulturpflanzen im Schatten von Tropenbäumen angebaut werden, eine potentielle Option?
 
Bio-Anbau in Monokultur ist keine Alternative, das ist eine Fabel. Was hilft, sind die agrarforstwirtschaftlichen Konzepte, die für Vielfalt im Anbau sorgen. Das bremst den Pilz – das ist unstrittig, aber diese Anbaukonzepte sind nicht sonderlich verbreitet.
 
Ihr Kollege an der Universität Brisbane in Australien, James Dale, hat es geschafft, die Erbanlagen einer gegen TR4-resistenten Wildbanane zu isolieren und auf verschiedene Cavendish-Varianten per Gentechnik zu übertragen. Erste Freilandversuche sind positiv verlaufen. Eine gute Nachricht?
 
Ja, natürlich, denn wir haben dadurch neue Erkenntnisse über TR4 und spezifische Resistenzen von Wildbananen gegen TR4 gewonnen. Das ist auch für mich und unser Kreuzungsprogramm wichtig. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir mit einer gentechnisch veränderten und nun resistenten Cavendish-Variante nicht weiter kommen. Weder sind gentechnisch veränderte Lebensmittel in Europa akzeptiert noch macht es Sinn, am Anbausystem festzuhalten und Cavendish durch eine andere Cavendish zu ersetzen. Wir brauchen nachhaltige Anbausysteme und mehr Vielfalt auf den Plantagen. Die Cavendish-Banane ist ein Auslaufmodell.

Interview: Knut Henkel

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