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Brasilien: Präsident Bolsonaro umgarnt die Wähler mit mehr Geld

Der brasilianische Wahlkampf wirft seinen Schatten voraus. Der angeschlagene Präsident Bolsonaro ersetzt das erfolgreiche Sozialprogramm seines mutmaßlichen Herausforderers Lula da Silva. Die Finanzierung ist unklar.

Für das Leben, Impfungen und würdige Sozialleistungen demonstrieren diese beiden Frauen in Rio de Janeiro, Brasilien. Foto: Adveniat/Tobias Käufer

Für das Leben, Impfungen und würdige Sozialleistungen demonstrieren diese beiden Frauen in Rio de Janeiro, Brasilien. Foto: Adveniat/Tobias Käufer

Es war das große Markenzeichen der Regierung von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010): Vor fast genau 18 Jahren startete der ehemalige Gewerkschaftsführer das Sozialprogramm "Bolsa Familia", das Brasiliens Armen ein Mindestmaß an Würde und Konsum bieten und den seit Generationen festzementierten Armutskreislauf brechen sollte. Lulas politischer Erzfeind, Jair Messias Bolsonaro, ersetzt diese Initiative durch ein eigenes Programm namens "Auxilio Brasil".

Familiengeld geknüpft an Schul- und Arztbesuch

Mit den letzten Zahlungen am 31. Oktober lief Lulas Programm aus. Weltweit hatte "Bolsa Familia" Beachtung gefunden, da es über eine reine Transferzahlung hinausging. Regelmäßiger Schul- und Arztbesuch der Kinder war Pflicht, genauso wie die Gesundheitschecks für schwangere Frauen. Zuletzt betrug der durchschnittliche Betrag für die 14,6 Millionen eingeschriebenen Familien 191 Reais (29 Euro). Laut Untersuchungen von 2017 hatte "Bolsa Familia" 3,4 Millionen Menschen aus der bittersten Armut befreit, weitere 3,2 Millionen konnten sich oberhalb der Armutsgrenze stabilisieren. Zudem sank die Kindersterblichkeit signifikant.

Mit dem Ende von "Bolsa Familia" setzt sich die in der brasilianischen Politik beliebte Tradition fort, Errungenschaften der Vorgängerregierungen zu kappen - und sich mit einem "eigenen" Programm in Stellung zu bringen, im konkreten Fall für die Präsidentenwahl im Oktober 2022. Allerdings verweisen Experten darauf, dass "Bolsa Familia" seit dem Machtverlust von Lulas Arbeiterpartei 2016 nicht mehr aktualisiert und neu aufgestellt wurde. So hatte Bolsonaro im Oktober die niedrigen Beträge als "ungerecht" bezeichnet. Statt diese anzuheben, startet er nun gleich sein eigenes Programm.

Schlechte Umfragewerte für Bolsonaro

In Umfragen liegt Bolsonaro bis zu 20 Prozentpunkte hinter Lula. Geschadet hat ihm besonders die verfehlte Corona-Politik. Brasilien verzeichnet mehr als 600.000 Corona-Tote. Vor zwei Wochen hatte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Bolsonaro mehrere Verbrechen in Zusammenhang mit dessen Pandemiebekämpfung vorgeworfen.

Der Präsident braucht dringend positive Schlagzeilen. Ab dem 17. November soll nun "Auxilio Brasil" starten, mit generell rund 20 Prozent höheren Zahlungen als zuletzt "Bolsa Familia". Zudem ist vorgesehen, bis Ende 2022 noch eine Corona-Hilfe mit einfließen zu lassen, die den Endbetrag des Programms auf 400 Reais (61 Euro) heben würde. Die Regierung plant überdies, die Zahl der eingeschriebenen Familien auf 17 Millionen zu erhöhen.

Während Vertreter der Opposition das neue Programm als Wahlpropaganda kritisierten, wählte Ex-Präsident Lula einen anderen Weg. "Es gibt Leute, die sagen, dass es ein reines Wahlkampf-Programm ist und dass wir es deswegen ablehnen sollten. Aber das denke ich nicht", so Lula auf Twitter. "Die Arbeiterpartei hat seit vergangenem Jahr Hilfszahlungen von sogar 600 Reais verteidigt." Das Volk brauche diese Hilfe, und Bolsonaro müsse sie gewähren. "Ob er daraus Vorteile bei den Wahlen zieht, ist sein Problem."

Staatsverschuldung und Geldentwertung

Lula da Silva dürfte im Oktober 2022 als Kandidat seiner linken Arbeiterpartei PT gegen Bolsonaro antreten. Ökonomen befürchten, dass sich beide ein "Wettrennen" liefern werden, wer den Wählern die höheren Hilfszahlungen verspricht. Angesichts leerer Staatskassen ist vollkommen unklar, wie die Regierung die erhöhten Zuwendungen im Rahmen von "Auxilio Brasil" in zwei Wochen stemmen will. Dass dafür die Schuldenbremse des Staatshaushaltes ausgesetzt wird, hatte die Börse und die Währung Real zuletzt bereits abstürzen lassen.

So kostet Bolsonaros Programm vermutlich mehr als das Doppelte von "Bolsa Familia". Bereits die Corona-Hilfen, die Bolsonaro während der Pandemie an bis zu 68 Millionen Brasilianer zahlte, hatten Löcher in den Haushalt gerissen. Dass diese jetzt auslaufen und mit dem neuen Sozialprogramm verschmelzen, beobachten manche Experten mit großer Sorge: Nach den bisher bekannten Kriterien von "Auxilio Brasil" dürften 18 Millionen Brasilianer ab diesem Monat ohne irgendeine Hilfszahlung bleiben.

Autor: Thomas Milz (kna)

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