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Brasilien: Machtkampf um Corona-Impfstoff

Nach dem Tod einer Testperson hat Jair Bolsonaro die Testphase eines chinesischen Impfstoffes gestoppt. Um die Impfung tobt seit Wochen ein Kräftemessen zwischen dem Präsidenten und seinem ärgsten politischen Gegner.

Impfung

Symbolfoto (Impfung): Universidad Magallanes, CCO1.0

Das Wettrennen um einen massentauglichen Corona-Impfstoff ist in Brasilien zu einem Machtkampf zwischen Präsident Jair Messias Bolsonaro und seinem schärfsten innenpolitischen Widersacher João Doria, dem Gouverneur des wirtschaftlich und politisch einflussreichen Teilstaates São Paulo, ausgeufert. Doria plant, 2022 gegen Bolsonaro anzutreten, was die Corona-Krise zu einem Schlachtfeld des vorgezogenen Wahlkampfs macht.

Am Montag hatte die Bundesgesundheitsbehörde ANVISA alle klinischen Tests mit dem Coronavac-Impfstoff des chinesischen Unternehmens Sinovac in São Paulo gestoppt, nachdem eine Testperson verstorben war. Das an die Landesregierung von São Paulo angegliederte Institut Butantan, das die Tests koordiniert, zeigte sich überrascht. Man habe ANVISA bereits vor Tagen mitgeteilt, dass der Tod in keinerlei Zusammenhang mit den Tests stehe.

Noch bevor Einzelheiten zu dem Fall bekannt wurden, hatte Präsident Bolsonaro den Teststopp am frühen Dienstag auf Facebook kommentiert. "Tod, Invalidität, Anomalien. Das ist die Impfung, die Doria den Menschen in São Paulo zwangsweise spritzen lassen will. Der Präsident hat gesagt, dass es niemals einen Impfzwang geben dürfe. Und mal wieder hat Jair Bolsonaro gewonnen."

Teststopp bleibt vorerst bestehen

Obwohl Medien am Dienstag berichteten, dass die Testperson, ein 33-jähriger Mann, am 29. Oktober Selbstmord begangen habe, hielt die ANVISA an ihrem Teststopp fest. Da das Institut Butantan mangelhafte Informationen über die Todesursache eingereicht habe, sei der Stopp unvermeidlich gewesen, so ANVISA-Präsident Antonio Barra Torres. Die klinischen Tests sollen erst dann wieder freigegeben werden, wenn der Fall restlos aufgeklärt ist.

"Tests wegen eines solchen schweren Zwischenfalls zu unterbrechen, ist ein normaler Vorgang", sagte die Mikrobiologin Natália Pasternak Taschner von der Universität São Paulo gegenüber der DW. Dem für die Überwachung der Testphase zuständigen externen und unabhängigen Data Monitoring Committee (DMC) obliege es nun, den Fall zu untersuchen und die Tests solange auszusetzen.

Ideale Testvoraussetzungen in Brasilien

Brasilien ist aufgrund der immer noch hohen Fallzahlen das ideale Testpflaster für Corona-Impfstoffe. Derzeit testen hier Pfizer und BioNtech, AstraZeneca und Johnson&Johnson. Die Nase vorn scheint derzeit zumindest in São Paulo jedoch das chinesische Unternehmen Sinovac zu haben. Gouverneur Doria hatte angekündigt, in São Paulo eine Impfpflicht für die chinesische Impfung einzuführen. Bolsonaro hatte ihm daraufhin Autoritarismus vorgeworfen.

"Diese Politisierung ist kriminell, weil sie die Immunisierung der Bevölkerung gefährdet", erklärt der Politologe Marco Aurelio Nogueira gegenüber der DW. Dass Bolsonaro den Tod der Testperson politisch ausschlachtet, zeige seine fehlenden moralischen Qualitäten. "Der Präsident feierte enthusiastisch den Tod des jungen Mannes, als ob dies sein persönlicher Sieg über Doria sei."

Bei der Bekämpfung des Coronavirus setzte Doria bisher auf restriktive Maßnahmen, während Bolsonaro derartige Anordnungen der Gouverneure regelrecht sabotierte und die komplette Lockerung aller Maßnahmen forderte. Statt Maskenpflicht und Social Distancing pries Bolsonaro das umstrittene Malariamittel Hydroxychloroquin als Wunderwaffe gegen das Virus an. Auf dem Höhepunkt der Pandemie entließ er gar seinen Gesundheitsminister, der seinem Kurs nicht folgen wollte.

Chinesischer Impfstoff gegen die chinesische Grippe

Ende Oktober hatte der neue Gesundheitsminister Eduardo Pazuello verkündet, dass der Bund 46 Millionen Dosen Coronavac vom Institut Butantan beziehen und über das öffentliche Gesundheitssystem SUS verteilen lassen werde. Am nächsten Tag cancelte Bolsonaro den Deal und sprach auf seinem Facebook-Account von "Verrat". Genau wie sein politisches Idol Donald Trump schiebt Bolsonaro die Schuld an der Pandemie auf die Chinesen. Pazuello ruderte zurück und erklärte, dass man nicht die Absicht habe, den chinesischen Impfstoff zu beziehen.

"Innerhalb brasilianischer Wissenschaftskreise gibt es keine Vorurteile aufgrund des Herkunftslandes von Impfungen. Denn Wissenschaftler verstehen, dass Impfstoffe keinen Reisepass besitzen, sondern nur Effizienz und Sicherheit", kommentiert Mikrobiologin Pasternak die Ideologisierung rund um den Impfstoff. Bolsonaro politisiere damit einen Entwicklungsprozess, der strikt wissenschaftlich und technisch betrachtet werden sollte. "Der politische Missbrauch der Impfung führt zu einem Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Prozessen und kann damit das generelle Vertrauen der Brasilianer in Impfungen erschüttern."

Kontraproduktive Diskussion um Impfzwang

Pasternak kritisiert aber auch die ihrer Ansicht nach verfrüht von Gouverneur Doria losgetretene und letztlich kontraproduktive Diskussion um eine Impfpflicht. "Bisher haben wir noch keinen Impfstoff, weshalb es keinen Sinn macht, über einen Impfzwang zu reden." Sie erinnert daran, dass es indirekt bereits Impfzwänge in Brasilien gibt, ohne dass der Bevölkerung dies wirklich bewusst sei. So sind Impfnachweise für Beamte, Schüler öffentlicher Schulen und Sozialhilfeempfänger zwingend. Problematisch sei dies jedoch nicht. "Die brasilianische Bevölkerung sieht Impfungen generell als ein Recht an und nicht als Zwang."

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Thomas Milz

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