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Argentinien: Das mysteriöse Flugzeug

Die Landung eines venezolanischen Flugzeugs in Buenos Aires, wo es seit elf Tagen festgehalten wird, hat in Argentinien für viel Aufregung und diplomatischen Wirbel gesorgt. Derweil untersucht die argentinische Justiz eine Reihe von angeblichen Unregelmäßigkeiten. Gibt es sogar Verbindungen zum schwersten Terroranschlag in der Geschichte Argentiniens?

Boeing 747 im Landeanflug. Foto (Symbolbild): Finalment a casa, Jordi Cucurull, CC BY-SA 4.0

Boeing 747 im Landeanflug. Foto (Symbolbild): Finalment a casaJordi CucurullCC BY-SA 4.0

Doch der Reihe nach. Die Boeing 747 der venezolanischen Transportfluggesellschaft Emtrasur traf am 6. Juni mit fünf Iranern und vierzehn Venezolanern an Bord und einem Laderaum voller Autoteile aus Mexiko in Argentinien ein. Am 8. Juni versuchte die Maschine nach Uruguay weiterzufliegen; ihr wurde jedoch die Landung verweigert und sie kehrte auf den Flughafen Buenos Aires-Ezeiza zurück. 

Die uruguayische Weigerung erregte in Argentiniens Hauptstadt Aufsehen. Abgeordnete der Opposition forderten Aufklärung; die Regierung überprüfte Fracht und Dokumente der Besatzung. Diese wird seitdem in einem Hotel in der Nähe des Flughafens festgehalten, das Flugzeug selbst befindet sich am Boden.

Flugzeug iranischer Herkunft

Ersten Ermittlungen zufolge hat Emtrasur die Maschine erst im Januar von der iranischen Mahan Air gekauft, für die sie 15 Jahre lang im Einsatz war. Mahan Air unterliegt in den Vereinigten Staaten Sanktionen wegen angeblicher Verbindungen zur Quds-Einheit, der Elitetruppe der iranischen Revolutionsgarde, die von den USA als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Zeitungsberichten zufolge gab es Warnungen aus Washington, dass jedes ausländische Unternehmen, das logistische Unterstützung leistet, bestraft werden würde. Deshalb ist das Flugzeug gestrandet: Weder die staatliche argentinische Ölgesellschaft YPF noch Shell wollten ihm Treibstoff verkaufen. Doch damit nicht genug.

Verbindung zur Revolutionsgarde?

Der Name eines der iranischen Besatzungsmitglieder, Gholamreza Ghasemi, stimmte mit dem eines Mitglieds der Revolutionsgarde überein. Argentiniens Sicherheitsminister Aníbal Fernández sagte am Montag in einem Radiogespräch, dass nach der Einreise der Besatzungsmitglieder „Informationen von ausländischen Organisationen eingegangen sind, die darauf hinweisen, dass ein Teil der Besatzung zu Unternehmen gehört, die mit den Quds-Kräften in Verbindung stehen“. Der Minister stellte jedoch klar, dass „keines der Besatzungsmitglieder eine rote Ausschreibung oder irgendeine Art von Einschränkung hatte, die sie an der Einreise nach Argentinien hindern würde“, und zwar in Bezug auf die von Interpol wegen des AMIA-Bombenanschlags erlassenen Fahndungsausschreibungen. 

Bei dem verheerenden Bombenattentat 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires waren 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden. Bis heute ist der schwerste Anschlag in der Geschichte des Landes nicht vollständig aufgeklärt. Als Urheber gilt die vom Iran unterstützte Hisbollah. Die Entscheidung für die Anschläge sei aber an höchster Stelle in Teheran gefallen, so eine argentinische Untersuchungskommission. Als einer der Drahtzieher gilt Ahmad Vahidi, der derzeitige iranische Innenminister. Er war damals Chef der Quds-Einheit. Soviel zu möglichen Verbindungen.

Gericht untersagt Ausreise

Angesicht der Verdachtsmomente ordnete ein Bundesrichter die Einleitung einer Untersuchung des Flugzeuges an. Am Dienstag dann untersagte ein Gericht die Ausreise der 19 Besatzungsmitglieder. Zuvor hatte die Bundespolizei die Hotelzimmer der Betroffenen durchsucht und dabei Mobiltelefone, PCs und verschiedene Unterlagen beschlagnahmt. 

Die iranische Regierung prangerte die Festsetzung von Flugzeug und Crew als Teil einer „Propagandaoperation“ gegen Teheran wegen der iranischen Atompolitik an und behauptete, der Vorfall stehe im Zusammenhang mit der Abschaltung von 27 Überwachungskameras in iranischen Nuklearanlagen. Diese hatte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, als „fatalen Schlag“ gegen die Bemühungen zur Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015 gewertet.

Jüdischer Dachverband fordert Aufklärung

Mögliche Verbindungen zum AMIA-Attentat wiederum riefen die argentinischen jüdischen Dachverbände AMIA und DAIA auf den Plan. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie die Regierung auf, „erschöpfende und detaillierte Informationen über die Personen, die sich in dem Flugzeug befanden, und die Gründe für ihre Durchreise durch das Land“ zu liefern. In den argentinischen Medien nimmt das Flugzeug seitdem breiten Raum ein.

Zumindest die mögliche Verbindung Ghasemis zu den Revolutionsgarden scheint ausgeräumt. Am Mittwoch stellte Sicherheitsminister Fernández klar, dass das fragliche Besatzungsmitglied „nichts weiter als den Status eines Namensvetters hat“. Er sei „ein leitender Angestellter einer Fluggesellschaft“ und heiße genauso wie ein hoher Militäroffizier des Iran.

Mehr Fragen als Antworten

Gibt es aber möglicherweise Anhaltspunkte, die eines der anderen Besatzungsmitglieder mit terrorverdächtigen Gruppen in Verbindung bringen? Warum sind in einem Flugzeug, das fünf Besatzungsmitglieder benötigt, 19 an Bord? Und was wollte dieses Flugzeug in Argentinien? Ist der Frachtservice des Emtrasur-Flugzeugs nur eine Fassade für Spionage? Und was ist dran an der öffentlichen Aussage von Geheimdienstchef Agustín Rossi, dass er davon ausgehe, dass die Iraner nicht nur die Ladung mit den Autoteilen gebracht hätten, sondern auch „Ausbilder“ seien? Oder gibt es vielleicht doch eine ganz banale Erklärung? Elf Tage nach Ankunft des Emtrasur-Flugzeugs in Argentinien gibt es immer noch mehr offene Fragen als Antworten.

Autor: Andreas Knobloch, Havanna

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