Blickpunkt-Lateinamerika 2/2020

Jahren ist die Situation der Journalisten in Honduras noch einmal schlimmer geworden. Hinter dem Putsch stand eine Allianz rechter Unternehmer und Offiziere, die fürchteten, der damalige linke Präsident Manuel Zelaya bringe das Land ins Fahrwasser des linkspopu- listischen Venezuela. Seitdem wird Honduras diktato- risch regiert, seit 2014 von Juan Orlando Hernández, der sich entgegen der Verfassung und mit Wahlbetrug im Amt gehalten hat, und dessen Bruder 2019 in den USA wegen Drogenhandels verurteilt wurde. „Zur- zeit ist es besonders gefährlich für die Journalisten von Radio Progreso, denn die Regierung möchte um jeden Preis an der Macht bleiben und wird alles dafür tun – auch ungeliebte Journalisten ausschalten“, sagt Leticia. Acht von zehn Honduranern erkennen die Regierung nicht an und verlangen den Rücktritt des Präsiden- ten: „Fuera JOH“. Seit Jahren schwellen in Honduras die Proteste immer wieder an und ab. Gute Bildung und Gesundheitsversorgung sind nur einer kleinen reichen Elite vorbehalten. Der Großteil der Bevölke- rung wird von der Regierung unterdrückt und lebt in extremer Armut. Jeden Tag verlassen deswegen rund 200 Honduraner unter 30 Jahren das Land Richtung Norden, Richtung USA. Die meisten von ihnen kom- men aus ländlichen Gebieten. MOTIVATION: NÄCHSTENLIEBE Radio Progreso ist ihre Stimme. „Und wir geben ihnen durch unsere Analysen und Nachrichten die Möglichkeit, sich ihre eigene Meinung zu bilden, eigene Entscheidungen zu treffen, Protagonisten in ihren Gemeinden zu werden und für einen Wandel zu kämpfen“, sagt Leticia, in der Glücksgefühle auf- steigen, wenn sie die Radiokabine betritt – mögen die Nachrichten auch noch so schlecht sein. Der Kontakt zu den Menschen ist ihre größte Motivation. Von In- formanten, deren Identität die Journalisten schützen, erfahren sie, was in den verschiedenen Regionen und vor allem in den abgelegenen Gebieten auf dem Land passiert. Regelmäßig besuchen sie selbst die Ge- meinden, um sich über die Situation zu informieren, Informanten und Hörer zu treffen, Workshops zu ver- anstalten oder über Aktuelles zu berichten. Wenn die Menschen sich unsicher oder bedroht fühlen, rufen sie Radio Progreso. „Wir sind wie Brüder und Schwestern. Ich bin glück- lich, wenn sie mich umarmen und ich sie umarmen kann. Die Hörer, die ich seit Jahren begleite. Diese Freude im Gesicht und dieses Vertrauen, wenn sie uns zu sich nach Hause einladen und schon frisch- gebackenes Brot und Kaffee bereitstehen, egal wie arm sie sind,“ zum ersten Mal an diesem Tag erscheint ein breites Lächeln auf Leticias Gesicht. „Sie geben mir Hoffnung. Trotz der großen Schwierigkeiten in unse- rem Land, gibt es noch so viel Solidarität und Freude.“ FAZIT: SCHUTZLOS Da sich keine Begleitung fand, ist Lesly doch wieder allein mit ihrem Roller zum Protest gefahren. Angst? Ja. Aufgeben? Nein. „Klar, ich könnte das Land ver- lassen. Ich würde auch Unterstützung bekommen von internationalen Organisationen, die Radio Progreso nahestehen, aber ich bin davon überzeugt, dass ich hier meinem Land mehr nutze – und auch meiner Familie.“ Leslys Vater lebt als Migrant in den USA. Ihre ältere Schwester musste auch gehen, weil ihr jugend- licher Sohn von kriminellen Jugendbanden erpresst wurde, sich ihnen anzuschließen. Auch ihre jüngere Schwester möchte weg, sie findet in Honduras keine Arbeit. Leslys Familiensituation steht exemplarisch für die der meisten Honduraner. „Honduras ist durch die Gewalt bekannt geworden, aber uns wird Gewalt angetan durch Korruption, Straflosigkeit und extreme Armut.“ Sie schiebt ihren Roller hinter eine Hecke, holt das Mikro aus der schwarzen Umhängetasche und atmet tief durch. „Ich bin Journalistin in einem Land, in dem alle 13 Stunden eine Frau ermordet wird. Wir werden noch mehr eingeschüchtert als unsere männlichen Kollegen.“ Wie also schützt sie sich heute? „Was für eine Frage“, sagt Lesly. „Es gibt keinen Schutz.“ Z Rechts: Padre Melo bei einer Messe im Bergdorf San Luis Planes. Jeden Morgen betet er dafür, dass der aktuelle Präsident gestürzt wird. Titel 10 HONDURAS Kolumbien Kuba El Progreso Mexiko Costa Rica Nicaragua Guatemala El Salvador Panama

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