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Ecuador |

Wirtschaftsverträge - aber kein Freihandel mit der EU

Ecuadors Regierung will mit der Europäischen Union (EU) über Wirtschaftsverträge verhandeln, soviel steht fest. Doch ist die linke Regierung Correa an einem Freihandelsabkommen interessiert? Die Journalistin Ana Molina befragte dazu den stellvertretenden Außenminister Ecuadors, Kintto Lucas.

Vor einigen Tagen kritisierten Sie, im Land werde ein wirtschaftliches Komplott geschmiedet, um Freihandelsabkommen generell, aber speziell mit den USA und der EU durchzusetzen. Wie ist Ihre Aussage zu verstehen?

Teile der politischen und wirtschaftlichen Rechten haben eine Medienkampagne begonnen, um ein Freihandelsabkommen mit der EU durchzusetzen. Dabei handelt es sich um Unternehmer und Analysten mit neoliberalen Ansichten. Sie bemühen überdies Spezialisten, die uns weismachen sollen, wie wichtig der europäische Markt sei, wie wir öffentliche Beschaffungsaufträge vergeben sollten und so weiter.

Die Regierung hat doch aber wiederholt unterstrichen, sie werde keinen Freihandelsvertrag unterzeichnen, sondern Wirtschaftsverträge für die Entwicklung (ACD)?

Die Regierung vertritt auch weiterhin diese Position. Der Druck der Rechten ist jedoch sehr stark. Sie ist in der Lage, einem jederzeit die Worte im Mund zu verdrehen, ähnlich wie ein Chamäleon die Farbe wechselt.

Hat dieser Vorwurf in irgendeiner Weise Einfluss auf das künftige Handeln der Regierung?

Nein, es ist eine Aufforderung, aufmerksam zu verfolgen, was hinter den Kulissen gespielt wird. Ich zweifle nicht an den Worten des Präsidenten und eines Großteils der Regierungsmitglieder. Trotzdem ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass das Land hin zur Unterzeichung eines Freihandelsvertrags manövriert werden soll. Denn das Ammenmärchen, dass wir Vorteile davon hätten, erzählen diejenigen, die bestimmte Interessen vertreten. Den Staaten des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay), gelingt es nicht, mit der EU zu einer Übereinkunft zu kommen, weil die EU ihnen zu viele Bedingungen diktieren will. Dabei haben diese Staaten mehr Stimmgewalt als Ecuador. Peru und Kolumbien haben schlichtweg Freihandelsverträge unterschrieben. Etwas Ähnliches zu unterschreiben oder etwas, das nur einen klitzekleinen Deut besser ist – das wäre ein Ausverkauf.

Die Welt entwickelte sich durch den Handel zwischen Völkern. Vermittelt Ihre Haltung nicht den Eindruck, als sträube man sich gegen jegliche Form von Handelsabkommen?

Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass es von fundamentaler Bedeutung ist, echte Wirtschaftsabkommen für Entwicklung zu verabschieden, die dem Gebot der Souveränität Rechnung tragen, wo Beziehungen auf Augenhöhe stattfinden, asymmetrisch, soziale Aspekte berücksichtigt werden und so weiter. Beziehungen, die nicht die Milchproduktion zerstören, um ein Beispiel zu nennen. Wo nicht einfach nur der Begriff „Freihandel“ durch „Wirtschaftsabkommen für Entwicklung“ ersetzt wird. Zusammengefasst: Das Ganze muss unserer Verfassung entsprechen und nicht die Verfassung auf den Kopf stellen.

Diejenigen, die vor Jahren mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank verhandelten, arbeiten heute für diese multinationalen Institutionen. Diejenigen, die heute in den binationalen Handelskammern arbeiten, haben Jahre zuvor die Freihandelsabkommen mit den USA ausgearbeitet. Befürchten Sie nicht, dass jene, die jetzt mit der EU verhandeln, später für europäische Unternehmen arbeiten, die dann mit Aufträgen vom Staat oder von binationalen Institutionen beschenkt werden?

(Lacht) Die Unterhändler Ecuadors müssen im Falle des Zustandekommens von Verhandlungen durch Spezialisten aus verschiedenen Bereichen unterstützt werden. Das müssen zudem Personen sein, die loyal zu den Interessen des Landes stehen. Und, ja. Es scheint paradox, dass die ehemaligen Unterhändler der Freihandelsverträge heute Angestellte der binationalen Handelskammern sind. Das verdeutlicht, dass sie während der Verhandlungen nur die Interessen einer kleinen Gruppe vertreten haben und nicht die Interessen des Landes. Ich habe jedenfalls schon vor langer Zeit gelernt, dass man für niemanden die Hand ins Feuer legen sollte.

Sie haben auch davon gesprochen, dass die Außenhandelsbilanz als Vorwand genutzt werde ...

Ich habe gesagt, dass ein bestimmtes Denkschema bemüht wird, in dem gesagt wird: Es gibt ein Problem mit der Außenhandelsbilanz, das durch einen Freihandelsvertrag gelöst werden könnte, weil dadurch die ecuadorianischen Exporte steigen würden. Dann wird hinzugefügt: Wenn die Freihandelsverträge nicht zustande kommen, wird sich Bilanz nicht verbessern und das gefährdet die Dollarisierung. Zu diesen Stimmen gesellt sich dann noch der Refrain, dass man Gefahr laufe, die Freihandelsverträge ATPDEA und SGP mit den Vereinigten Staaten zu riskieren, dass Ecuador nicht wettbewerbsfähig sei und noch so ein paar Geschichten – sie alle dienen dazu, ein Klima der Zustimmung zum Freihandel zu schaffen.

Ein Freihandelsvertrag mit der EU würde einen Präzedenzfall für ähnliche Verträge in der Zukunft schaffen. Andere Staaten würden ähnliche Zugeständnisse erwarten. Die transnationalen Unternehmen würden die Aufträge der öffentlichen Beschaffung an sich reißen. Die Handelsbilanz mit Europa, die momentan zugunsten Ecuadors ausschlägt, würde wiederum Probleme machen. Und von gewissen Zweigen nationaler Produktion würde man sich verabschieden müssen.

Wenn die Regierung einen Freihandelsvertrag oder auch einen kaschierten Freihandelsvertrag mit der EU unterzeichnen würde, treten Sie dann zurück?

Ich bin überzeugt, dass die Regierung weder versteckt noch offen einen Freihandelsvertrag unterzeichnen wird. Das wäre Verrat an unseren Prinzipien. Sollte ich zu irgendeinem Zeitpunkt bemerken, dass genau dies vor sich geht, werde ich die Regierung verlassen. Ich würde nicht zögern, mein Amt aufzugeben, daran besteht kein Zweifel.

Das Gespräch führte Ana Molina (AIN/AM, Quito) am 18. Februar 2011.

Quelle: Adital, deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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