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Chile |

"Wir bitten um Menschenrechtsbeobachter"

34 Inhaftierte des Mapuche-Volkes forderten mit einem Hungerstreik, dass bei ihren Prozessen nicht mehr die Anti-Terrorgesetze angewendet werden. Die Regierung machte daraufhin wolkige Zugeständnisse. Natividad Llanquileo, Sprecherin der Mapuche-Gefangenen, fordert nun Menschenrechtsbeobachter aus dem Ausland.

Seit die 26-jährige Jurastudentin Natividad Llanquileo zur Sprecherin der Mapuche-Gefangenen in Concepción und Lebu wurde, hat sie alles stehen und liegen lassen: "Von dem Zeitpunkt an, als ich gewählt worden bin, habe ich nichts anderes mehr gemacht. Meine Arbeit musste ich sein lassen und jetzt bin ich sie wohl los, mein Studium habe ich ausgesetzt." Vorher, so sagt sie, habe sie nicht zu den Aktivisten gehört.

Warum sie das mache, wird sie gefragt. „Es ist das Mindeste, was ich tun kann", antwortet sie mit einer Bestimmtheit, die weich daher kommt und doch nicht darüber hinwegtäuscht, dass sie es sehr ernst meint. Zwei ihrer Brüder sitzen im Gefängnis, aber über Privates will sie nicht sprechen. "Es geht nicht um meine Brüder, ich bin die Sprecherin aller Gefangenen in diesen Gefängnissen", beeilt sie sich zu sagen.

Diskriminierung und Folter in den Gefängnissen

Das Beenden von Folter, Erpressungen, Bedrohungen gehörte mit zu den Forderungen der inhaftierten 34 Mapuche-Indigenen, die sich vergangenen Juli zu einem Hungerstreik entschlossen hatten der schließlich 80 Tage dauern sollte. Vor allem aber, so forderten die Gefangenen, sollte das noch aus der Pinochet-Diktatur stammende Anti-Terror-Gesetz nicht mehr gegen sie angewendet werden. Das Gesetz lässt unter anderem eine Verdreifachung des Strafmaßes und anonyme Zeugenaussagen zu. Außerdem wollten die Gefangenen erreichen, dass ihre Prozesse vor Zivil- statt Militärgerichten verhandelt und Gebiete, in denen die Mapuche leben, „entmilitarisiert“ werden. Die Prozesse, die ihnen gemacht werden sollten, so der Vorwurf der Mapuche, seien politisch-juristisch konstruiert.

Kriminalisierung sozialer Organisationen

„Viele Mapuche-Gruppen sind formalrechtlich keine eingetragenen Vereine. Die fehlende Registrierung wird dann für den Vorwurf der ,Bildung einer kriminellen Vereinigung´ herangezogen“, erläutert Llanquileo. In den meisten Fällen, werde dieser Fakt dann wiederum in der Anklage zum Vorwurf der ,Bildung einer terroristischen Vereinigung’. Hintergrund der Auseinandersetzungen seien jedoch Landkonflikte. „Die Situation hat sich verschärft, weil die Holzfirmen immer mehr von unserem Land beanspruchen", erklärt die junge Mapuche. "Wir können nicht dabei zusehen, wir sind gezwungen, darauf zu reagieren."

Llanguileo unterstreicht noch einmal, dass Mapuche-Gefangene in chilenischen Gefängnissen gefoltert würden. „Sie werden eine Woche lang in der Zelle eingesperrt, geschlagen und zu Aussagen gezwungen, die sie dann unterschreiben müssen", sagt sie. Aber nicht nur das. Auch Kinder würden gefoltert. So sei ein Kind in einer Brücke am See Lanalhue kopfüber aufgehängt worden, um eine Aussage zu erpressen. Repression und Diskriminierung seien alltäglich, "man gewöhnt sich irgendwie daran", sagt sie.

„Wir bitten die öffentlichkeit darum, dass Menschenrechtsbeobachter nach Chile kommen, um die Prozesse zu beobachten. Wir haben viele Unregelmäßigkeiten festgestellt“, erklärt Llanguileo. Diese Aufforderung nach Europa zu tragen, sei ihr eigentlicher Auftrag.

Gefangene sehen keine Fortschritte

Nach Beendigung des Streiks und einer vagen Übereinkunft mit der Regierung, begann für 17 der 34 Inhaftierten sofort der Prozess, berichtet Llanguileo. „Die Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes hat die Regierung zwar zurückgenommen, aber dafür sollen die Strafen im Zivilrecht entsprechend geändert und erhöht werden. Zudem werden weiter anonyme Zeugenaussagen verwendet. Und bei vielen, die während des Hungerstreiks in diesem Sommer protestierten und verhaftet worden sind, wird jetzt das Anti-Terror-Gesetz angewendet“, kritisiert die Sprecherin der Gefangenen von Llanguileo. Daher, so erklärt sie, könne es durchaus sein, dass der Hungerstreik wieder aufgenommen werde.

Unterstützung aus Europa

Aus einer Reise nach Frankreich wurde eine kleine Rundreise durch Europa, finanziert vor allem durch persönliches Engagement der Mitglieder von Solidaritätsgruppen. Llanguileo kam auch nach Berlin, sprach mit Abgeordneten des deutschen Bundestages, kam mit Politikern in Brüssel zusammen. „Die Aufmerksamkeit für die Mapuche in Europa hilft uns. Und viele, vor allem junge Leute in Chile, haben sich unseren Protesten angeschlossen. Nicht einfach, weil sie protestieren wollen. Sie sind gut informiert. Früher waren wir die Indios. Jetzt sind wir immerhin schon die Mapuche.“

Autorin: Bettina Hoyer

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