"Weltmeister der Armutsbekämpfung"?
Während Fußball‐Mannschaften aus aller Welt in Südafrika von dem Weltmeistertitel träumen, erfahren die Peruaner, dass sie bereits Weltmeister geworden sind: Weltmeister in Sachen Armutsbekämpfung. Um möglichst viele Menschen auf die staatlichen Erfolge in diesem Bereich aufmerksam zu machen, schaltet die Regierung Werbespots in Rundfunksendern. Doch Experten halten den Anspruch auf den Titel für unabgebracht.
"Peru hat die Weltmeisterschaften im Kampf gegen die Armut gewonnen", heißt es in der vom Ministerrat finanzierten Werbung, die von dem Fernsehsender 9 und von mehreren Radiokanälen ausgestrahlt wird. Da diese Sender die exklusiven Übertragungsrechte für die Fußball‐WM haben, kann die Regierung von Präsident Alan García sicher sein, eine große öffentlichkeit zu erreichen.
Den offiziellen Angaben zufolge sank der Anteil der Armen im Andenstaat zwischen 2005 und 2009 von rund 48 auf etwa 35 Prozent. In dem Werbespot schwenkt Staatschef García daher stolz den goldenen Pokal, den die FIFA vor der Meisterschaft weltweit präsentiert hatte.
Die Realität sieht jedoch anders aus. So ist die Zahl der Armen nach Angaben des Amts für Statistik (INEI) in elf der 25 Verwaltungsbezirke (Departamentos) sogar gestiegen. Betroffen sind etwa Cajamarca, wo sich die größten Goldminen des Landes befinden, Loreto mit einem großen Indigenen‐Anteil sowie Apurimac, wo die Armut mit 70,3 Prozent am höchsten ist. In der Hauptstadt Lima und in Regionen an der Pazifikküste haben sich die materiellen Lebensbedingungen dagegen verbessert.
Regionen unterschiedlich stark von Finanzkrise getroffen
Der Leiter des staatlichen Armutsbekämpfungsprogramms ´Juntos´ (Gemeinsam), Iván Hidalgo, bestreitet nicht, dass es in Peru ein soziales Gefälle gibt. Er führt den Anstieg der Armut in einigen Landesteilen auf die Auswirkungen der globalen Finanzkrise zurück. "Die Krise hat Peru ebenso wie den Rest der Welt getroffen", sagte er im Gespräch mit IPS.
Zwischen 2008 und 2009 habe es im Kampf gegen die Armut Rückschläge gegeben, erklärte er. Betrachte man jedoch den Zeitraum 2005 bis 2009, so zeigten sich deutliche Erfolge. Regionen wie Cajamarca wurden laut Hidalgo besonders hart von der Krise getroffen, da die dortige Wirtschaft stark exportabhängig sei.
Über das ´Juntos´‐Programm zahlt die Regierung an Familien, die in extremer Armut leben, einen monatlichen Zuschuss von umgerechnet 36 US‐Dollar. Das dafür bereitstehende Budget beträgt in diesem Jahr 223 Millionen Dollar, die über das Präsidium des Ministerrats weitergeleitet werden.
Fouls bei der Auswertung
Farid Matuk, der während der Regierung von Präsident Alejandro Toledo (2002–2006) Chef von INEI war, hält die neuen Zahlen der Regierung für völlig unglaubwürdig. Sie beruhten nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern seien eine reine Erfindung, so der Statistikexperte. INEI warf er vor, die Zahlen so zusammenzustellen, "wie es der Regierung gefällt".
Angaben zur Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung hält Matuk zudem für wesentlich aussagekräftiger als die von der Regierung vorgelegten Armutstabellen. Laut INEI erhöhte sich der Anteil der Menschen im Land, die nicht genug zu essen haben, zwischen 2005 und dem ersten Quartal dieses Jahres von 28,6 auf knapp 33 Prozent. In ländlichen Gegenden wurde sogar ein Anstieg von 40,7 auf 45,8 Prozent verzeichnet. Diese Zahlen belegen laut Matuk, dass sich Peru auch auf dem Gebiet der Nahrungssicherung keinesfalls als Champion betrachten kann.
Autor: Angel Páez, deutsche Bearbeitung: Corina Kolbe, in: IPS Weltblick