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Kolumbien |

Was der Rücktritt von Uribe für Kolumbien bedeutet

Alvaro Uribe (Mitte) hat seinen Rücktritt als Senator erklärt. Foto (2010 in Calí): <a href="https://www.flickr.com/photos/ciat/4853534910/in/photolist-8oTCQo-G6LLR-pMiXeR-FMeAcq-8oRFmc-egmHXx-5W4cr5-kx6tg8-kx8gQj-PWBy8-PW3PL-PW4kA-92ceo4-92fm2C-8fMxbw-7JZSTX-4nm7Zt-7om7tq-8fMx9w-kx7VXJ-5U2tKd-egstyo-927wUZ-egnLVN-kx66Nv-egm5Zk-8fJi2x-egp1tn-egp18M-egp1d6-FFmux7-egnqjB-54cT6B-kx6uv2-6oVpk3-egmHZK-54cRTt-FMeyW9-54h6py-TNRPUQ-egtXJ9-eguKw7-kx5Y4a-egriCW-egmdES-kx61ux-kx6eta-kx5H1B-8fMx7N-egqMru" target="_blank" title="Opens external link in new window" external="1">Agropacifico4</a>, <a href="https://www.flickr.com/photos/ciat/" target="_blank" title="Opens external link in new window" external="1">CIAT</a>, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de" target="_blank" title="Opens external link in new window" external="1">CC BY-SA 4.0</a>
Alvaro Uribe (Mitte) hat seinen Rücktritt als Senator erklärt. Foto (2010 in Calí): Agropacifico4, CIAT, CC BY-SA 4.0

"Aus moralischen Gründen ist es mir unmöglich, Senator zu bleiben. Ich werde meinen Rücktritt einreichen, damit meine Verteidigung nicht mit meinen Aufgaben im Senat kollidiert." Wenn man dieser Ankündigung Glauben schenken kann, dann ist das das Ende der politischen Laufbahn eines der wohl meist gehassten und meist verehrtesten Politiker in Lateinamerika.

Uribe (66) ist das, was politische Beobachter gerne einen ultrarechten politischen Hardliner nennen. Als er 2002 sein Amt antrat, gab ihm die Farc-Guerilla keine Chance. Schon bei seiner Verteidigung schickten sie aus den Bergen Granaten in Richtung Stadtzentrum. Uribe, so dokumentierten sie damit eindeutig, würden sie niemals akzeptieren. Und er die Guerilla nicht: Uribe entfesselte eine brutale militärische Strategie, die er die „Politik der demokratischen Sicherheit“ nannte.

Von nun an bekämpfte er die Farc mit aller Härte. Was die jungen Kolumbianer, die Uribe heute scharf kritisieren, nicht erlebt haben: Damals war es innerhalb des Landes praktisch unmöglich, innerhalb von A nach B zu reisen. Die Farc machte bei Überlandfahrten regelrecht Jagd auf Zivilisten, entführte wahllos und nahm ein ganzes Land in Geiselhaft. Es gibt heute noch Fälle von damals verschleppten Zivilisten, die nicht aufgeklärt sind. Die gesamte Tourismusbranche lag am Boden. Uribe versprach und brachte die Wende. Uribe ließ schießen, bombardieren und jagen. Die gehetzte Farc zog sich in die Berge zurück, gab die Straßen frei. Das erklärt bis heute die Popularität Uribes: Millionen Kolumbianer, die in den Städten leben, haben Verwandte auf dem Land. Uribe ermöglichte es ihnen, ihre Familien zu besuchen, ohne Angst vor dem Farc-Terror zu haben müssen oder dessen Opfer zu werden. Und der Tourismus begann seinen Siegeszug, der bis heute anhält. Bis heute stellen sich viele Kolumbianer deshalb hinter Uribe und seine Strategie der harten Hand. Nicht wenige behaupten, Uribe hätte die Farc verhandlungsreif gebombt.

In dieser Zeit gab es auch die schwersten Verbrechen der kolumbianischen Armee. Ob mit oder ohne Wissen, ob mit oder ohne Anweisung Uribes und seines damaligen Verteidigungsministers, Nachfolgers im Präsidentenamt und heutigem Friedensnobelpreisträgers Juan Manuel Santos, müssen nun die Gerichte klären. Die sogenannten „falsos positivos“ (gefälschte Beweise) zeigten die perverse Seite des Kriegs. Unschuldige Zivilisten, meist aus den bettelarmen und vergessenen Stadtvierteln oder Dörfern, wurden von Militärs entführt und hingerichtet. Später zogen ihnen die Mörder Guerilla-Uniformen an und deklarierten sie als Rebellen. Für jeden getöteten Guerillero kassierten die Soldaten Geldprämien oder Sonderurlaub. Es war der Beginn einer widerlichen und unentschuldbaren Menschenjagd, deren Existenz Uribe lange leugnete, ehe immer mehr Mütter über ihre verzweifelte Lage berichteten. Nach offiziellen Erkenntnissen gibt es mindestens 2.200 solcher Fälle, die Dunkelziffer ist wohl weit höher.

 

Mit Uribe verlässt ein politisches Schwergewicht die politische Bühne. Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind seriös noch gar nicht vorherzusagen. Die Prophezeiung des bei den Präsidentschaftswahlen unterlegenen Kandidaten Gustavo Petro, Uribe werde als Senatspräsident in Wahrheit die Fäden ziehen, hat sich bereits als falsch erwiesen. Uribe wird nun nicht einmal als Senator in Erscheinung treten, wenn er seine Rücktrittsankündigung umsetzt. Entscheidend für die weitere Entwicklung wird sein, zu welchem Ergebnis die Justiz kommt. Zunächst einmal wird er der Korruption und der Zeugenmanipulation bezichtigt. Es geht aber um viel mehr, es geht eben auch um die „falsos positivos“.

Wird Uribe als Verantwortlicher überführt und verurteilt, hätte das eine Signalwirkung für den weiteren Friedensprozess und Lateinamerika. Präsidenten, die schwere Menschenrechtsverletzungen im Stile Uribes begehen, gibt es derzeit auch in Nicaragua und Venezuela (und werden von der Farc politisch gestützt). Die Ortegas und Maduros Lateinamerikas werden sich die Entwicklung genau anschauen und dafür sorgen, dass ihre Justiz auf linientreuem und damit für sie ungefährlichen Kurs bleibt. Kolumbiens Justiz ist da einen großen Schritt weiter. Wie weit, wird sich nun zeigen. Wird Uribe verurteilt, wird das rechte Lager in Kolumbien auf Rache aus sein: Dann so werden sie fordern müssten auch die Guerilla-Kommandanten der Farc für ihre Bluttaten hinter Gitter. Es könnte zu einem Gefeilsche um das Strafmaß kommen, an dessen Ende eine Amnestie für alle stehen könnte. Uribe selbst könnte auch seinen inzwischen verhassten ehemaligen Mitstreiter und Nachfolger Santos mit in den Strudel reißen, der ist immerhin damals Chef der Armee gewesen ist.

Kommt Uribe davon, wird sich das linke Lager um Petro, der selbst einmal ein Mitglied einer linken bewaffneten Kampfgruppe war, weiter radikalisieren. Für sie ist Uribe die Symbolfigur des ideologischen Feindes schlechthin. Beide Szenarien hätten für den Friedensprozess eine explosive Komponente, denn sie emotionalisieren die Vergangenheit weiter. Aber es gibt auch jemanden, der von dieser Entwicklung profitieren könnte: Der neu gewählte Präsident Ivan Duque wird von der linken Opposition gerne als Marionette Uribes dargestellt, obwohl er noch nicht mal im Amt ist, geschweige denn eine politische Entscheidung getroffen hätte. Mit dem Rückzug aus dem Parlament „befreit“ ihn Uribe ein Stück weit von dieser Last. Für Duque ist das auch eine Chance, einen deutlich moderateren Kurs einzuschlagen, als ihm das derzeit viele zutrauen.

Autor: Tobias Käufer

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