Verhärtete Fronten im Kampf um neue Mediengesetze
Zurzeit finden in verschiedenen Staaten Lateinamerikas erhitzte Auseinandersetzungen über neue Mediengesetze statt. Oftmals, jedoch nicht ausschließlich, stehen sich dabei links-progressive Regierungen und tendenziell rechts-konservative Unternehmer gegenüber. Das Lateinamerika-Referat der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) lud jetzt zu einer Podiumsdiskussion mit vier Fachleuten aus der Region ein. Unter dem zugespitzten Titel „Macht der Medien oder Medien der Macht?“ ging es darum, über bestehende Konfliktlinien und mögliche Lösungswege zu diskutieren.
Medienkonzentration in Zeiten staatlicher Neugründungen
Zwei Faktoren seien für die Konflikte verantwortlich, formulierte Dörte Wollrad von der FES die Ausgangslage: Zum einen habe sich der Prozess der Konzentration der privat-kommerziellen Medien in zahlreichen Ländern verstärkt. Gruppen wie Televisa (Mexiko), Clarín (Argentinien) und Globo (Brasilien) seien extrem gewachsen und umfassten heute nicht mehr allein Fernseh- und Hörfunksender, sondern diverse Printmedien, Internet-Firmen und Content-Aggregatoren. Zum anderen erkannten links-progressive Politiker die Bedeutung insbesondere der klassischen elektronischen Medien zur direkten Vermittlung ihrer Ziele.
Außerdem, so ergänzte der kolumbianische Medienwissenschaftler und FES-Mitarbeiter Omar Rincón, werde in verschiedenen Ländern die Notwendigkeit betont, die Bürger an den Medien zu beteiligen, was Unternehmer und einzelne Journalisten als Verlust von Macht verstünden. Insgesamt seien Meinungsmedien heute vielerorts gefragter als im klassischen Sinne journalistisch arbeitende Medien.
Julia Ortega, Pressesprecherin des Parlaments von Ecuador, betonte, dass die neuen Gesetze in ihrem Land sowie in Venezuela und Bolivien im Zusammenhang mit den Projekten zur „Neugründung“ dieser Staaten betrachtet werden müssten. Der Streit um die Medien stünde im Kontext umfangreicherer Verfassungsdebatten. Dabei werde durchaus zu revolutionärer Rhetorik gegriffen und das Argument, die neuen Gesetze schränkten die Pressefreiheit ein, hervorgeholt.
Kein reines Rechts-Links-Schema
Auf die Frage, ob die kommerziellen Medienunternehmen ein Opfer der links-progressiven Feindbildrhetorik seien oder ob sie sich diese Rolle wohl verdient hätten, antwortete Omar Rincón mit zwei Beispielen: In Ecuador herrsche tatsächlich eine umfassende „mediale Arroganz“ gegen Präsident Rafael Correa. In Mexiko sei die Macht der Televisa-Gruppe hingegen derart groß, dass selbst die konservative Regierung Calderón mit ihrer neuen Mediengesetzgebung kaum gegen den Monopolisten anzukommen scheint. Hier gebe es gegenseitige Feindbilder trotz einer hohen Übereinstimmung in politischen Grundsatzfragen und Wertvorstellungen.
Chancen für Interessenausgleich
Dass nicht überall auf Konfrontation gesetzt werde, stellte Gustavo Gómez aus Uruguay fest. Er war lange Zeit in der Bürgerradio-Bewegung aktiv und ist heute Direktor des Regierungsamtes für Telekommunikation. Um zu einem neuen Mediengesetz zu gelangen, welches das bisherige aus Zeiten der Militärdiktatur ablösen soll, versuche man, alle Seiten anzuhören und in den Prozess einzubeziehen, so Gómez. Ein Ziel müsse sein, sowohl die Community-Medien als auch den jungen Sektor der öffentlich-rechtlichen Medien zu stärken.
Julia Ortega verwies auf das erst vor drei Jahren gestartete öffentliche Fernsehen Ecuador TV – ECTV, das vor allem mit Sendungen für Kinder punkten könne. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren sich über den Wert eines journalistisch gut gemachten „servicio público“ einig - solange dieser nicht zum reinen Sprachrohr der Regierung werde.
Autor: Thomas Völkner