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Peru |

Vergewaltigung im Bürgerkrieg - keine Straftat?

"Männer müssen sich austoben" meinen peruanische Militärs. "Sexuelle Übergriffe im Bürgerkrieg seien keine Straftat nach peruanischem Recht", fügt das Justizministerium hinzu. Was klingt wie eine Justizposse, könnte tragische Folgen haben: Über 1.000 Vergewaltigungsopfer warten auf Entschädigung.

Tausende peruanische Frauen, die während des internen bewaffneten Konflikts mit dem Leuchtenden Pfad zwischen (1980-2000) vergewaltigt worden waren, könnten aus dem Entschädigungssystem für die Gräueltaten dieser Zeit herausfallen. So jedenfalls sieht es ein Papier des von Frau Dr. Rosario Fernández geführten Justizministeriums vor. Darin wird von der Behörde die Ansicht vertreten, dass sexuelle Gewalt kein Delikt im Sinne des peruanischen Strafrechts ist.

Praktisch ist das schlicht eine Weigerung, den Frauen, die Vergewaltigungen oder andere Formen sexueller Gewalt erlitten haben, in den Entschädigungsplan aufzunehmen. Daraufhin regte sich im ganzen Land eine Welle der Empörung und des Protestes von Experten und Menschenrechtlern. Es sei ”weder eine Bedingung noch eine Voraussetzung für Entschädigungszahlungen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen, dass diese Handlungen als Straftaten eingestuft sind”, erklärte die Landesweite Koordinationsstelle für Menschenrecht (CNDHH).

Über 1.000 Fälle registriert

Sexualverbrechen sind als Verbrechen gegen die Menschlichkeit beim Internationalen Gerichtshof anerkannt. Dazu zählen unter anderem erzwungene Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche, sexuelle Versklavung, Zwang zur Prostitution und Nacktheit und Zwangsbeziehung.

Im Register sind 1.150 vergewaltigte Frauen aufgeführt, 122 weitere haben andere Sexualdelikte über sich ergehen lassen müssen. Zudem sind noch immer Anträge von weiteren 697 Frauen beim Nationalrat für Entschädigungszahlungen anhängig. Und selbst der Nationalrat spricht davon, dass die wirkliche Zahl der vergewaltigten Frauen noch um ein Vielfaches höher sein dürfte.

Auch 20 oder 30 Jahre nach den Verbrechen würden viele Frauen über den sexuellen Missbrauch, den sie erlitten, nur im Flüsterton sprechen, berichtet die Geschäftsführerin der CNDDH, Rocío Silva Santisteban. “Manche wissen nicht einmal, dass das, was ihnen widerfahren ist, eine Straftat ist”, erklärt sie.

Massenvergewaltigungen durch Soldaten

Nach Ansicht von Santisteban ist die Argumentation des Justizministeriums nicht haltbar, denn Peru hat zahlreiche internationale Vereinbarungen unterzeichnet, in denen sexuelle Gewalt als Verbrechen anerkannt wird, etwa Interamerikanische Konvention zur Vorsorge, Ahndung und Ausmerzung von Gewalt gegen Frauen.

Jenseits des Rechtsstreites geht es hier jedoch darum, dass unser Land mit Scham - aber mit Nachdruck - anerkennt, dass staatliche Institutionen wie etwa Teile von Armee und Polizei, Frauen sehr häufig für diese Praktiken benutzt haben", mahnt Silva Santisteban in einer Kolumne der peruanischen Tageszeitung "La República".

“Beispielsweise taucht in vielen Zeugenberichten von Männern und Frauen in Gebieten wie Huallaga das Wort ,pichanear’ auf. Das bedeutet, dass Soldaten die Frauen ,fegen’ sollten. In anderen Worten: Sie sollten massenhaft Frauen vergewaltigen”, schreibt Santisteban weiter.

Aus den Protokollen zur Untersuchung von Fällen sexuellen Missbrauchs könne entnommen werden, dass mit dem Begriff ,pichanear’ gemeint gewesen sei, dass der ganzen Truppe erlaubt wurde, eine Frau zu vergewaltigen. Und diese Praktik sei kein Einzelfall gewesen, “sondern völlig normal bei Patrouillien im Tiefland”, erläutert die Menschenrechtlerin.

"Männer müssen sich austoben"

Das Militär dürfe die Taten dieser Soldaten nicht vertuschen, meint die Geschäftsführerin der Menschenrechtskommission, denn das würde diese Praktiken rechtfertigen und zudem die Haltung jener Soldaten und Behördenvertreter stärken, die meinen, Männer müssten "sich austoben", weshalb das Verhalten der Soldaten verständlich sei. “Diese Rechtfertigung ermutigt die Truppen”, warnt Santisteban in ihrer Kolumne.

Diana Portal, Anwältin der Frauenrechtsorganisation DEMUS erklärt, dass 146 im Register eingetragene Frauen bereits verstorben seien, ohne dass die Justiz zu ihren Lebzeiten irgendetwas für sie getan hätte. Wiedergutmachung müsse zudem nicht nur finanziell, sondern auch durch symbolisches und kollektives Handeln erfolgen. “Wie lange werden wir noch warten müssen?”, fragt sich nicht nur die Anwältin Portal.

Entschädigung noch immer nicht erfolgt

Bis heute hat der Staat mit den geplanten Entschädigungen in Höhe von 7,2 Millionen US-Dollar noch nicht begonnen und der Leiter der für die Auszahlung zuständigen Kommission (CMAN), Jesús Aliaga, erklärte gegenüber Pressevertretern, es sei auch noch nicht bekannt, wann mit der Umsetzung begonnen werden solle. Fest stehe jedoch, dass mit den Auszahlungen bei den ältesten Menschen in ländlichen Räumen begonnen werden solle. Damit reagiere man auf den Fakt, dass drei von vier Gewaltopfern des Konflikts arme Bauern und Quechua-Sprecher aus der Andenregion sind. Um Streit zu vermeiden, sollten zudem alle Opfer mit derselben Geldsumme entschädigt werden, egal was ihnen widerfahren ist.

Seitdem die Wahrheitskommission im Jahr 2004 ihren Bericht veröffentlichte, ist noch kein einziger Militärangehöriger wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Lediglich zwei Prozesse wurden eröffnet - von insgesamt 538 Fällen, die der Wahrheitskommission bekannt waren.

Die Zahl der registrierten Opfer hat sich über die Jahre verdreifacht, was den Schluss zulässt, dass sexuelle Gewalt von allen Kriegsparteien häufig als Foltermethode Anwendung fand. Ein Fakt, den das Justizministerium nicht zur Kenntnis zu nehmen scheint. Die Kommission CMAN hat sich bisher zur Erklärung des Justizministeriums, Opfer sexueller Gewalt von den Entschädigungen auszuschließen, noch nicht geäußert.

Autorin: Zoraida Portillo in Adital (Erstveröffentlichung von Semlac); Deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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