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Argentinien |

Unter Strom

Argentinien kämpft weiter gegen die größte Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichnung von 1906. Auch diese Woche kratzte das Thermometer in Gran Buenos Aires wieder gefährlich nahe der 40-Grad-Marke. Zwar fallen die Temperaturen im ganzen Land langsam, noch aber können die Meteorologen kein Ende der Jahrhunderthitze versprechen.

Am meisten leiden unter dem Klima-Ausnahmezustand die 13 Millionen Einwohner des Hauptstadt-Ballungsraumes. Über 20 Menschen starben bisher an Hitzeschlägen und Herzstillstand. Über 30 Tote zählen die Behörden durch Ertrinken beim Versuch, sich in Seen und Flüssen abzukühlen. Mehrere Personen starben, weil alte Klimaanlagen die Luft mit Kohlenmonoxid vergifteten oder in Brand gerieten. Eine Woche nach den Neujahrsfeiern fällt in Bezirken der Kapitale wie Almagro, Caballito, Floresta Devoto, Boedo und Parque Avellaneda weiter vereinzelt der Strom aus.

Wut der Stromlosen

Die Reaktion der Betroffenen ist flammende Wut. Auch letztes Wochenende blockierten hilflose Stromausfall-Opfer Straßenkreuzungen in den Barrios Flores und Villa Crespo. In Almagro war ein Stromverteiler vom privaten Stromanbieter Edesur S.A. unter der ungewöhnlichen Nachfragelast explodiert. In Eva Perón flogen aus einem Kasten erst Funken in den Himmel, dann war in ganzen Straßenzügen des dichtbewohnten Viertels der Saft weg. Den meisten Ärger verursacht die Ungewissheit darüber, wann der Kühlschrank daheim endlich wieder anspringt.

Der Tageszeitung Página 12 zufolge informieren weder Edesur noch Konkurrent Edenor über Gründe des Blackouts, erst aus den Medien tröpfeln Informationen. Auch wann die Steckdose wieder arbeitet bleibt im Dunkeln. Beide Anbieter sind Kinder der Privatisierung, der öffentliche Stromsektor war unter Präsidenten Carlos Menem 1992 in seine Einzelteile Produktion, Stromnetze und Vertrieb zerlegt und an den Meistbietenden verkauft worden. Missmanagement und Stromausfällen sorgen seitdem regelmäßig für Kritik. "Die Mehrzahl der Kunden werden von einem automatischen Anrufersystem bedient, der nur darüber informiert, dass am Problem gearbeitet werde, ohne andere Angaben", beschwert sich Página 12. Immerhin sind die Strompreise, und das allein dank staatlicher Subventionen, die billigsten in ganz Südamerika.

Skandal Stromausfall

Gewohnt polemisierend schieben Tageszeitungen wie La Nacion und die Medienmaschine der mächtigen Clarín Gruppe den Schwarzen Peter komplett auf die Regierung von Präsidentin Christina Kirchner ab. Diese habe es versäumt längst fällige Investitionen zu tätigen, wird das Bild einer untätigen und unfähigen Zentralregierung angefacht. Der Staatssekretär für Energie im Planungsministerium Daniel Cameron und langjähriger Experte im Energiesektor wurde an einem Hitze-Wochenende beim nachmittäglichem Golfspielen fotografiert.

Flugs bastelte der Clarín-TV-Sender TN eine seiner üblichen Skandal-Geschichten: "Während die Menschen unter Stromausfällen leidet spielt der Energiestaatsminister Golf." Wenige Stunden vor Erscheinen der Bilder war die Twitter-Kampagne "Wo ist mein Staatsbediensteter?" angeleiert worden. Wieder einmal gingen mehr Auflage und politische Spitze Hand in Hand. Der Bürgermeister von Buenos Aires und aussichtsreicher Kandidat auf das oberste Staatsamt konnte sich entspannt zurücklehnen. Mauricio Macri dekretierte statt politischer Lösungen einfach hitzefrei für die öffentlichen Angestellten und rief den Energienotstand aus.

Kühles Bad mit Schrecken

Viel Schweiß, sogar Blut hat die wochenlange Hitze zum Fließen gebracht.Bei Temperaturen bis zu 45,5 Grad im Landesinneren war Weihnachten sogar die nationale "Alarmstufe Rot" ausgerufen worden, erstmals überhaupt. Eindringlich warnte die Nationale Wetterbehörde vor den "außergewöhnlichen Hitzewellen", die "alle gesunden Menschen beeinträchtige, nicht nur Risikogruppen".

Kurios, aber nicht weniger gefährlich, war eine Piraña-Attacke auf Badegäste im Bundesstaat Santa Fe. 70 Menschen, darunter sieben Kinder, wurden in Rosario von einem Schwarm fleischfressender Fische verletzt. Im kühlen Nass vom Stadtstrand Rambla Catalunya rund 300 Kilometer nördlich von Buenos Aires hatten Tausende kurze Erfrischung gesucht. Ein sieben Jahr altes Mädchen verlor einen Finger, ein Mann seinen Zeh. Die meisten aber kamen mit leichten Wunden und einem Schrecken davon. "Der Palometa-Piraña ist eine normale Art zu dieser Jahreszeit, aber an einem anderen Ort des Flusses", versuchte Ricardo Biasatti von der Umweltbehörde zu beruhigen. "Angriffe dieser Art hat es bisher nicht gegeben", nur zur erklären mit der Hitze. Die scharfzahnigen und aggressiven Fische hatte das warme Wasser noch wilder gemacht.

Genug Strom ist da

Im Vergleich dazu ist Argentiniens Politik ein Haifischbecken. Die nationale Regierung von Präsidentin Christina Kirchner macht allein die private Stromwirtschaft für die Stromausfälle verantwortlich. Diese würden seit Jahren nicht ins marode, und bei Rekord-Nachfrage wie zuletzt stark überlastete Verteilernetz investieren. Für die Energiefirmen ist der "eingreifende Staat" an der eigenen Untätigkeit Schuld.

Das Stromangebot ist in Argentinien in der Tat nicht das Problem: das Land exportiert sogar Energie-Überschüsse nach Brasilien und Uruguay. "Versagt hat die Verteilung, und nicht die Produktion", brachte der zuständige Planungsminister de Vido das Problem bei einer jüngsten Pressekonferenz auf den Punkt. Auf einem Treffen vergangenen Freitag von Nationalregierung und Vertretern der Stromwirtschaft wurde nun vereinbart, dass der Staat den Energieunternehmen verstärkt unter die Arme greift und fehlende Neubauten in Angriff genommen werden. Auch dürfen Verbraucher auf Entschädigungen für Stromausfälle hoffen.

Autor: Benjamin Beutler

 

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Die Argentinier schwitzen. Da ist so ein Schirm nur ein kleiner Schutz gegen die brütende Hitze. Foto: Jürgen Escher/Adveniat.

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