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UNO erhebt Foltervorwurf gegen Justiz im Fall von Ayotzinapa

In Mexiko werden mehr als 30.000 Menschen vermisst. Menschenrechtsorganisationen und Angehörige veröffentlichen Suchplakate. Foto: Adveniat/Jürgen Escher
In Mexiko werden mehr als 30.000 Menschen vermisst. Menschenrechtsorganisationen und Angehörige veröffentlichen Suchplakate. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Elektroschocks, Waterboarding, Prügel sowie Drohungen gegen Angehörige. Das sind nach Ansicht der Vereinten Nationen einige der Methoden, mit denen mexikanische Polizisten und Soldaten bei den Ermittlungen im Fall der 43 Studenten von Ayotzinapa Geständnisse erpresst haben.

Der Bericht „Doppelte Ungerechtigkeit“, der am Donnerstag in Mexiko vorgestellt wurde, beschuldigt die mexikanische Justiz und die Sicherheitskräfte in diplomatischer Form der verbreiteten Folter bei der angeblichen Suche nach den Schuldigen für das Verbrechen Ende September 2014 in der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero. Das 65-seitige Dokument des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCR) stützt sich auf Befragungen von 63 der 129 Beschuldigten. In 51 Fällen seien starke Hinweise darauf gefunden worden, dass Folter, willkürliche Festnahmen und weitere Verletzungen der Menschenrechte verübt wurden, heißt es in dem Bericht. „Die Ergebnisse der Untersuchung deuten auf ein Muster hin, dass die Anwendung und Vertuschung von Folter umfasst“, erklärte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein.

Die mexikanische Justiz wies bereits wenige Stunden nach Vorstellung des Berichts die Vorwürfe zurück. Die Generalstaatsanwaltschaft PGR äußerte ihr „Befremden“ über das UN-Dokument und behauptete, Folter sei bei den Ayotzinapa-Untersuchungen nur „ausnahmsweise“ angewendet worden.

Warten auf die Wahrheit

Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass Folter in Mexiko bei Ermittlungen gang und gäbe ist. Im Fall Ayotzinapa wurde sie eingesetzt, um Geständnisse von Unschuldigen zu erpressen, mit denen dann die vermeintliche „historische Wahrheit“ konstruiert wurde, die der damalige Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam wenige Wochen nach der Tat präsentierte, um den Fall abzuschließen. Demnach wurden die 43 Studenten der Berufsschule in Ayotzinapa in der Nacht auf den 27. September 2014 von einem kleinen lokalen Drogenkartell in der Stadt Iguala in Komplizenschaft mit der örtlichen Polizei und dem korrupten Bürgermeister verschleppt und getötet. Anschließend seien die Leichen auf einer Müllkippe in der Nähe verbrannt worden.

Diese Version ist später durch eine auf internationalen Druck hin eingesetzte Expertengruppe (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission mit wissenschaftlicher Genauigkeit als frei erfunden widerlegt worden. „Amnesty International“ bezeichnete diese offizielle Version, an der die Regierung weiterhin festhält, als die „historische Lüge“, welche die Regierungszeit von Staatschef Enrique Peña Nieto kennzeichne.

Mehr als 30.000 Menschen werden vermisst

Auch knapp dreieinhalb Jahre nach dem Verschwinden der 43 jungen Männer gibt es keine Klarheit darüber, was mit ihnen passiert ist und wo sich ihre Leichen befinden. Aber es deutet alles daraufhin, dass die Studenten damals einem Drogenkartell in die Quere kamen, als sie einen Bus kaperten, in dem Heroin in die USA geschmuggelt werden sollte. In der Folge wurden sie vermutlich in einer gemeinsamen Aktion der Narcos und mehrere Polizeieinheiten unter Mitwisserschaft des in Iguala stationierten 27. Infanteriebataillons verschleppt und ermordet. Auch das Verschwindenlassen von Menschen ist in Mexiko eine Praxis vor allem des Organisierten Verbrechens, aber auch der staatlichen Sicherheitskräfte. Offiziellen Schätzungen zufolge gelten 30.000 Menschen als vermisst. Das sind mehr als in den südamerikanischen Diktaturen der 1970er Jahre.

Kampf um Gerechtigkeit kostet die Existenz

Derweil kommt eine Untersuchung mehrerer Nichtregierungsorganisationen zu den psychologischen Folgen des Verbrechens zu einem niederschmetternden Ergebnis. Demnach sind die Angehörigen, zumeist einfache Bauernfamilien aus Guerrero, in den Jahren des Kampfs um Gerechtigkeit „verarmt und erkrankt“. Zudem seien einige der Familien auseinandergebrochen, weil die trauernden Eltern bei ihrer Suche ihre anderen Kinder vernachlässigt hätten, heißt es in dem 500-Seiten-Bericht „Ich wollte nur, dass es hell wird“. Darin beschreiben die Eltern, wie sie alle Habseligkeiten verkaufen mussten, um die Familie weiter ernähren zu können, während sie national und international gegen das Verbrechen an ihren Söhnen protestierten.

Als besonders schlimm empfinden die Angehörigen, dass sie nicht um ihre Kinder trauern können, solange sie als verschwunden gelten. „Es gibt nicht einmal einen Ort, an dem wir um den verlorenen Sohn weinen können“, sagt eine Mutter. „Jeder Tag ist wie der andere. Es wird nicht besser“.

Autor: Klaus Ehringfeld

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