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Mexiko |

Ungewisses Warten auf "La Bestia"

In der Kapelle Santa Marta in Salto de Agua finden Migranten für ein paar Tage Zuflucht. Alfredo Maya, 56, (links) stammt aus Honduras. Foto: Adveniat/Matthias Hoch
In der Kapelle Santa Marta in Salto de Agua finden Migranten für ein paar Tage Zuflucht. Alfredo Maya, 56, (links) stammt aus Honduras. Foto: Adveniat/Matthias Hoch

Wer die Kirche Santa Martha im mexikanischen Salto de Agua betritt, erschrickt erst mal. Auf dem nackten Betonboden liegen Männer auf bloßen Schaumstoffmatten, offenbar völlig erschöpft und ausgelaugt.

Manche schlafen, andere starren vor sich hin. Es sind Menschen, die eine weite Reise voller Tücken und Gefahren hinter sich haben und sich einfach nur ausruhen wollen: Migranten aus Mittelamerika, die einmal aufgebrochen waren, um in den USA ihr Glück zu suchen.

Nun können sie erst mal durchatmen, in jener ländlichen, hellblau gestrichenen Kirche mit Wellblechdach, die in der Mitte durch eine meterhohe Sperrholzwand behelfsmäßig geteilt ist: Im Eingangsbereich auf dem Boden die Migranten, hinter der Holzwand etwa zehn Reihen Kirchenbänke vor dem Altar mit dem Kreuz. "Manchmal kommen so viele Migranten, dann bauen wir auch die restlichen Sitzreihen ab und machen so Platz für sie", sagt Pater Rodolfo Rodriguez Reza, der hier in der Gemeinde im Bundesstaat Chiapas die Migranten betreut.

Flucht vor Gewalt und Armut

Dort, wo die Schaumstoffmatten liegen, ist an der Wand ein etwa zwei Meter hohes Christus-Poster aufgehängt, mit insgesamt 23 Verhaltensregeln. Etwa dem Hinweis, dass in der Kirche und deren Außenbereich Alkohol oder Drogen verboten sind und der Aufenthalt grundsätzlich auf 24 Stunden begrenzt ist - auch wenn daraus in der Praxis manchmal eine Woche wird. Mexiko gilt als Transitland für Zehntausende Menschen aus Mittelamerika. Sie haben ihre Heimat verlassen, weil sie der Gewalt von Banden und der Armut entfliehen wollten. Einer Jesuiten-Studie zufolge kommen die meisten von ihnen aus Honduras.

Migranten sind oft traumatisiert

Wie etwa der 24-jährige Walter Javier. Er schlug sich mehrere Tage durch, zu Fuß und per Zug, bevor er nach Salto de Agua kam. Als er sich einmal mit dem wenigen Geld, das er dabei hatte, in einem kleinen Laden etwas kaufen wollte, kamen zehn Männer in das Geschäft und raubten ihn aus. Sie schlugen ihn zusammen. "Ich dachte zuerst, mein Leben wäre vorbei", berichtet er. Traumatisiert ist er ohnehin: Im Oktober sei sein jüngerer Bruder in Honduras umgebracht worden, erzählt der junge Mann. Als er dabei plötzlich in Tränen ausbricht, nimmt Pater Rodolfo ihn in den Arm. "Das ist die Wirklichkeit der Migranten", sagt der Geistliche. Man fühle sich oft ziemlich hilflos. "Letzte Woche kam ein anderer junger Mann, der war blutüberströmt", so der Pater.

Kirche gilt als gesetzlich geschützter Raum

In der Regel würden 25 bis 30 Migranten in der Kirche vorübergehend untergebracht und mit Essen versorgt, in Stoßzeiten auch schon mal 70 bis 80. Die Polizei tastet das Gotteshaus nicht an; es gilt gesetzlich als geschützter Raum. "Im vergangenen Jahr sind insgesamt 11.300 Migranten hier durchgekommen", berichtet Pater Rodolfo. Dieses Jahr seien es "erst" 5.000 gewesen.

Die Migranten kommen außer aus Honduras auch aus El Salvador und Guatemala. Meist sind es Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Viele haben keine Ausbildung und wissen nicht so recht, worauf sie sich einlassen. Die USA lockt als Traumland, in dem "alle Häuser haben", wie es einer formuliert. Dass es letztlich nur etwa jeder zehnte Migrant bis in die Vereinigten Staaten schafft, verdrängen die meisten.

Die USA sind das Traumziel

Nur einen Steinwurf von der Kirche Santa Martha entfernt führt jene Bahnstrecke vorbei, auf der "La Bestia" verkehrt - "die Bestie". So wird der Güterzug genannt, der hier auf dem von Regenwald umsäumten Gleis nach Norden in Richtung Grenze fährt. "La Bestia" kommt jedoch nur in unregelmäßigen Abständen vorbei. Wer in der Kirche übernachtet, hofft, vorher einen Tipp zu bekommen und aufspringen zu können.

Doch das ist ein gefährliches Wagnis. "Wir haben hier schon Unfälle erlebt, bei denen Migranten die Beine abgefahren wurden", erzählt der Steyler Missionar Bruder Joachim Mnich, ein Duisburger, der seit mehr als zehn Jahren in der ländlichen Region lebt und arbeitet. Mnich ist Projektpartner des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, das die Padres in Salto de Agua und den Bau einer weiteren Migrantenherberge finanziell unterstützt. Denn es werden auch weiterhin noch viele Migranten hier vorbeikommen - auf der Suche nach einem besseren Leben. Joachim Mnich: "Es ist letztlich ein globales Phänomen, aber hier erlebt man es täglich vor Ort."

Quelle: KNA, Autor: Norbert Demuth

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