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Temer trimmt Brasilien radikal auf Wachstum

Hauptsache Wirtschaftswachstum - keine Rücksicht auf Schutzgebiete in Brasilien. Foto: Adveniat/Jürgen Escher
Hauptsache Wirtschaftswachstum - keine Rücksicht auf Schutzgebiete in Brasilien. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Das Dekret zur Freigabe des Bergbaus in einem Gebiet von der Größe der Schweiz zwischen den Bundesstaaten Para und Amapa ist eine der unpopulären Maßnahmen des umstrittenen Interims-Präsidenten Michel Temer. Aber die Regierung, deren Haushaltsdefizit klettert, braucht dringend Geld - unter anderem für den bevorstehenden Wahlkampf. Der Verkauf von Staatsbetrieben wie des Stromerzeugers Eletrobras gehört ebenso dazu wie eben die Vergabe von Konzessionen.

"Angriff aum Amazonien"

Für den Direktor der Umweltschutzorganisation WWF in Brasilien, Mauricio Voivodic, fördert die Regierung damit die Abholzung, gefährdet indigene Völker und die Wasservorräte des Landes. "Wir werden uns entschieden gegen diesen Angriff auf Amazonien zur Wehr setzen", drohte der Senator des betroffenen Bundesstaates Amapa, Randolfe Rodrigues. "Notfalls bitten wir den Papst um Hife." Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika "Laudato si" entschieden Partei ergriffen für die Bewahrung der Schöpfung und wird im Januar bei seinem Besuch in Peru der Dschungelregion einen Besuch abstatten.

Der Bergbau werde nur in einem kleinen Teil des Gebiets erlaubt, und dort werde ohnehin schon illegal nach Gold geschürft, wischte Temer die Kritik vom Tisch. Bis zur Realisierung des Vorhabens ist es ohnehin noch ein langer Weg. Bergbau ist unpopulär in Brasilien, und der Widerstand dagegen gut organisiert. Manche Konzerne wie die kanadische Belo Sun Mining am Xingu-Fluss haben schon vor Jahren Konzessionen erworben, stecken aber noch immer in endlosen Rechtsstreitigkeiten.

Bis zur Wahl im kommenden Jahr wird daher vermutlich kein Edelmetall in dem 47.000 Quadratkilometer großen Renca-Naturschutzgebiet gehoben werden. Beobachter sehen Renca daher vor allem als gefährlichen Präzedenzfall. "Temers Politik ist unberechenbar, und besteht aus mehr Irrtümern denn Treffern", schrieb die Kolumnistin Miriam Leitao in der Zeitung "O’Globo".

Temer tut alles, was der Finanzelite gefällt

Temer versucht mit allen Mitteln, das Land aus der Rezession zu holen und hat in den vergangenen 12 Monaten seiner Amtszeit das getan, was der Finanzelite gefällt: Einschnitte bei den Renten, beim Arbeitsrecht, Kürzungen bei den Staatsausgaben, Privatisierungen. Die Folgen sind sichtbar: Die Gewaltkriminalität steigt ebenso wie die Arbeitslosigkeit, Polizisten und Lehrer warten auf ihre Gehälter, Prestigeprojekte wie das für viel Geld renovierte Maracana-Stadion in Rio verrotten, das Velodrom ist abgebrannt.

Entsprechend unpopulär ist Temer: Nicht einmal zehn Prozent der Brasilianer befürworten seine Politik. Dennoch hat er es geschafft, nicht nur ein Amtsenthebungsverfahren wegen Korruption abzublocken, sondern auch den zersplitterten Kongress auf seine Seite zu bringen. Es spielt ihm in die Hände, dass die komplette brasilianische Wirtschafts- und Politik-Elite diskreditiert ist durch Korruptionsermittlungen der Bundesrichter.

Das gilt auch für die linke, oppositionelle Arbeiterpartei (PT), deren Gallionsfigur Ex-Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva ebenfalls Prozesse am Hals hat. Ein zugkräftiger Nachfolger, der die PT personell und inhaltlich erneuern und der Regierung Paroli bieten könnte, ist nicht in Sicht. Proteste und Streiks sind punktuell, werden zum Teil gewaltsam niedergeschlagen und verpuffen. Politik ist aus Sicht der meisten Brasilianer "schmutzig"; enttäuscht haben sie sich von ihr abgewandt.

Wie die Politik-Elite versucht, ihr Überleben zu sichern

Weitgehend isoliert von der Bevölkerung versucht die Elite derweil, ihr Überleben zu sichern. Temer hat durch Neubesetzungen der Richterstellen den "Lava-Jato-Korruptionsprozess" entschärft, und der Kongress bastelt derzeit an einem von Afghanistan und Vanuatu inspirierten, neuen Wahlverfahren per Distrikt, das de facto die bekannten Gesichter - also die amtierenden Abgeordneten - bevorteilt, während die Stimmen der anderen Kandidaten verloren gehen.

Weil private Wahlkampffinanzierung einem Urteil des Obersten Gerichts von 2015 zufolge im kommenden Jahr erstmals illegal sein wird, sollen nun noch mehr Steuergelder dafür herhalten. Das Loch, das in den Wahlkampftaschen der Politiker klafft, beläuft sich auf 2,3 Milliarden US-Dollar - so viel spendeten Firmen im vergangenen Wahlkampf. Dem Gesetzesvorschlag zufolge soll die Kampagnenfinanzierung 0,5 Prozent des Steueraufkommens der vorangegangenen zwölf Monate ausmachen.

Je besser die Wirtschaftsleistung, desto voller also die Wahlkampfkasse. Und die Rechnung scheint aufzugehen: Für dieses Jahr rechnen der Weltwährungsfonds und Finanzdienstleister wie Bloomberg oder Moodys nach zwei Jahren Rezession mit einem kleinen Wachstum von 0,3 Prozent. Das hat aber nicht mit den Reformen zu tun, sondern vor allem mit steigenden Preisen für Exportprodukte wie Soja und Eisenerz.

Text: Sandra Weiß, Foto: Adveniat/Jürgen Escher

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