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Sozialkritischer Carnaval siegt in Rio de Janeiro

Tänzerinnen der Sambaschule "CRES Beija-Flor do Nilopolis"in Rio de Janeiro proben für die Karnevalsparade. In diesem Jahr gingen sie als Sieger hervor. Foto: Adveniat/Achim Pohl
Tänzerinnen der Sambaschule "CRES Beija-Flor do Nilopolis"in Rio de Janeiro proben für die Karnevalsparade. In diesem Jahr gingen sie als Sieger hervor. Foto: Adveniat/Achim Pohl

Anders als in Deutschland ist der brasilianische Carnaval selten politisch. Doch dieses Jahr ist alles anders. Zahlreiche Korruptionsskandale, in die praktisch die komplette Politikerkaste verwickelt ist, erschüttern das Land. Zudem leidet besonders Rio unter der anhaltenden Wirtschaftskrise. Angesichts leerer Kassen brechen derzeit die staatlichen Institutionen zusammen und die Stadt driftet in ein Chaos aus Gewalt.

Ob Bürgermeister, Gouverneur oder Staatspräsident - niemand blieb in den verrückten Tagen von Protesten verschont. Die Sambaschule „Paraíso do Tuiuti“ trat mit einem als Staatspräsident Michel Temer verkleideten „neo-liberalen Vampir“ auf, der in den sozialen Netzwerken für Furore sorgte. Zudem kritisierte sie Temers Arbeitsrechtsreform als moderne Variante der Sklaverei. Die Sambaschule kam in der Endabrechnung auf einen überragenden zweiten Platz unter den besten Sambaschulen der Stadt.

Präsident Temer ist in mehrere Korruptionsskandale verwickelt, sein Amt hat er nur Dank seiner präsidentiellen Immunität bisher nicht verloren. Sprechchöre, die Temers Rücktritt forderten, waren in der Samba-Arena „Sambódromo“ wie auch im Straßencarnaval zu hören. Der unbeliebte Präsident verbrachte den Carnaval derweil auf einer abgeschotteten Militärbasis außerhalb von Rio de Janeiro.

Brasilien als korruptes und gewalttätiges Monster

Den Wettbewerb der besten Sambaschulen gewann „Beija-Flor“ mit einem düsteren Abbild der derzeitigen Realität des Landes. Brasilien sei ein gigantisches Frankenstein-Monster, voll Korruption und Gewalt, so „Beija-Flor“. Korrupte Politiker und Unternehmer winkten mit Geldkoffern von den Prunkwagen, während als schwer bewaffnete Drogenkriminelle verkleidete Tänzer Hinrichtungen nachspielten. Derweil verwandelte sich der nachgebaute Sitz des staatlichen Energiekonzerns Petrobrás vor den Augen des Publikums in eine Favela. Gezogen wurde der Prunkwagen von einer gigantischen Ratte. Petrobrás steht im Mittelpunkt der Korruptionsfälle.

Die Sambaschule „Mangueira“ nahm sich Bürgermeister Marcelo Crivella zur Brust. Eine gigantische Puppe trug auf ihrem nackten Hinterteil den Namen des Bürgermeisters. Zudem hängte man eine Crivella-Puppe als Judasfigur an einen Prunkwagen. „Herr Bürgermeister, es ist eine Sünde, nicht den Carnaval zu feiern“ lautete ein Spruchband darunter. Crivella, Bischof einer konservativen Pfingstkirche, hatte zuvor offen seine Abneigung gegenüber dem Carnaval ausgesprochen sowie die öffentlichen Gelder für das Spektakel zusammengestrichen.

Proteste gegen den Bürgermeister und Gewalt auf den Straßen

Anders als seine Vorgänger ließ sich Crivella zudem nicht im Carnaval sehen. Stattdessen flog er nach Europa, um sich dort über Drohnen zu informieren. Diese sollen bei der Kontrolle gewalttätiger Regionen der Stadt helfen. Der Bürgermeister war derweil auch im Straßencarnaval das Ziel massiver Proteste. Nach Rio zurückkommen will Crivella erst am Donnerstag.

Auch Gouverneur Luiz Fernando Pezão entkam dem Volkszorn nicht. Noch kurz vor dem Carnaval hatte er den Einwohnern angesichts der ausufernden Gewalt tausende zusätzliche Polizisten versprochen. Allerdings war von denen kaum etwas zu sehen. So kam es immer wieder zu Überfällen auf Carnavalstouristen und Anwohner der Stadt. Auch rund um das „Sambódromo“ wurden Jecken und Touristen überfallen.

Rios Medien warfen dem Gouverneur Unvermögen vor. Sein für den Carnaval aufgestellter Sicherheitsplan habe nicht funktioniert. Am Mittwoch musste der auf einem Landgut außerhalb von Rio weilende Gouverneur schließlich eingestehen, die Sicherheitslage falsch eingeschätzt zu haben.

Autor: Thomas Milz

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