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So gehen kubanische Unternehmer mit der Krise um

Der Tourismus war einer der wenigen wachsenden Wirtschaftszweige Kubas. Nun trifft der zu erwartende Einbruch das geschwächte Land stark. Kleinunternehmer suchen nun nach neuen Wegen und Lösungen. Einige haben bereits Möglichkeiten gefunden, von denen sie auch nach der Krise profitieren könnten.

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Das Restaurant "Ecléctico" in Havanna steigt auf Lieferservice um - etwas ganz Neues in Havanna. Foto: Andrea Gallina

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel, Premierminister Manuel Marrero und zahlreiche Minsiter traten am Freitagabend des 20. März im kubanischen Fernsehen auf und verkündeten angesichts der ersten Corona-Fälle auf der Insel eine Reihe von Maßnahmen. Nur noch Kubaner und Residenten würden ins Land gelassen, die meisten Hotels geschlossen. „Es wird nur noch die Abreise von Touristen geben. Es werden keine Touristen mehr kommen“, so Marrero. Restaurants müssten ihre Kapazitäten um 50 Prozent reduzieren. Mittlerweile sind sie ganz geschlossen. Die Regierung rief zu „sozialer Distanzierung“ auf, also Abstand halten.

Am Tag darauf schloß Maikel Paz seine Bar „PaZillo“ im Stadtteil Vedado in Kubas Hauptstadt Havanna. Aus gesundheitlichen Gründen, wie er sagt – und um den Vorgaben der Regierung Folge zu leisten. „Wir haben versucht, möglichst lange offen zu bleiben, um unseren Angestellten ein Einkommen zu ermöglichen“, so der 36-Jährige. Die hätten der Schließung aber auch zugestimmt. Es kamen ohnehin immer weniger Gäste. Für die Zeit der Schließungen setzt die Regierung alle Steuerzahlungen aus. Der Staat tue, was er könne, erklärt Paz. Für milliardenschwere Staatshilfen wie in Deutschland fehlen aber schlicht die Mittel.

In den vergangenen Jahren war der Tourismus einer der wenigen wachsenden Wirtschaftszweige Kubas. Der zu erwartende monatelange Einbruch ist ein gewaltiger Schlag für das ohnehin in einer schweren Wirtschaftskrise befindliche Land. Auch der Großteil der Kleinunternehmer hängt direkt oder indirekt vom Tourismus ab.
Die in Nicht-Corona-Zeiten sehr beliebte Bar „PaZillo“ zieht zwar hauptsächlich ein lokales Publikum an, aber „das Geld in den Händen der Leute kommt aus dem Tourismus“, sagt Paz, der Architekt war, bevor er 2017 zum Barbetreiber wurde. „Wenn der Einbruch des Tourismus sehr groß ist, hat das auch Auswirkungen auf uns…“ Er habe zwar keine hohen laufenden Kosten, aber eben auch keine Einnahmen, denn bei einer Cocktailbar ergebe ein Lieferdienst wenig Sinn, sagt er. Also nutzt Paz die Zeit zur Generalüberholung. „Ich denke, wir bleiben mindestens einen Monat geschlossen, wahrscheinlich viel länger.“

Gefragt: neue Ideen

Auch das „Ecléctico“, ein italienisches Restaurant, ein paar Straßenzüge vom „PaZillo“ entfernt, und vor allem bei Expats und der kubanischen Mittelklasse beliebt, hat für den Publikumsverkehr geschlossen. „In dem Maße, wie sich Havanna leert, die Touristen ausgeflogen oder auf Anordnung der Behörden in ihren Hotels unter Quarantäne gestellt werden, haben wir ebenfalls keine Gäste mehr“, sagt Andrea Gallina, der das Restaurant seit 2016 zusammen mit seiner Frau Diana betreibt.
Er sieht durch die Corona-Epidemie schwierige Zeiten auf den Tourismus zukommen – nicht nur, aber eben auch für Kuba. „Es ist kein lokales Problem, kein Hurrikan, der vorbeizieht, man erholt sich und die Leute kehren zurück. Es ist ein viel größeres Problem.“ Der 49-jährige Römer, früher bei der Weltbank beschäftig, rechnet damit, dass es lange dauern wird, bis sich der Tourismus erholt. Neue Ideen waren gefragt.

„Wir haben uns in gewisser Weise neu erfunden und sind auf einen globalen Zug aufgesprungen: den Zug des Lebensmittel-Lieferservice.“ Die Gerichte würden vorgekocht oder kochfertig zubereitet, dann vakuumverpackt, kurz eingefroren und ausgeliefert. Der Gewinn für ihn gehe zwar fast gegen Null, erklärt Gallina, „aber das Wichtige ist, dass unsere Angestellten weiter arbeiten und ihre Rechnungen bezahlen können“. Er glaubt, dass der Lieferservice auch nach Ende der Krise ein wichtiger Bestandteil seines Restaurants bleiben werde. „Die Leute werden sich daran gewöhnen, ihr Essen online zu bestellen. In anderen Teilen der Welt ist das Normalität, hier in Kuba aber etwas ganz Neues.“ Neben Diplomaten und ausländischen Unternehmern bestellten auch immer mehr kubanische Kleinunternehmer, erzählt Gallina. „Vielleicht, weil es etwas Neues ist, aus Bequemlichkeit, oder weil sie es leid sind, jeden Tage dasselbe zu essen.“

Für die Lieferungen arbeitet sein Restaurant mit Mandao zusammen, einem kubanischen Lebensmittel-Lieferdienst. „Mit Mandao können Familienmitglieder oder Freunde selbst aus den USA Bestellungen für ihre Angehörigen in Havanna aufgeben. So können wir Leute erreichen, die hier vielleicht nicht über genügend Kaufkraft verfügen, aber die Familie kann für sie bestellen“, sagt Gallina.

Krise als Chance

Der Kopf hinter Mandao ist Marta Deus. Zunächst hatte sie Mandao als Lieferservice für Papiere und Dokumente gegründet, bevor sie im Septemer 2019 auf Essen umschwenkte. Das Geschäft brummt. „Die Krise trifft uns auf verschiedene Weise“, sagt die 32-Jährige. „Viele der Restaurants, die mit uns zusammengearbeitet haben, sind geschlossen. Andere, die bisher keinen Lieferservice hatten, haben sich nun dazu entschlossen – um ihr Geschäft am Laufen zu halten.“ Rund fünfzehn private Restaurants lassen derzeit ihr Essen durch Mandao ausliefern, sogar Hotels.

„Die Bestellungen haben zugenommen“, sagt Deus. Wegen der derzeitigen Situation blieben die Leute lieber zu Hause. „Für uns ist es definitiv ein Moment des Wachstums, vor allem da die Leute Mandao als eine Möglichkeit sehen. Eine der vielen, die sie auch nach Ende der Krise haben werden.“ Das kleine Start-Up beschäftigt derzeit drei feste Mitarbeiter und ein Dutzend freiberufliche Fahrer – Tendenz steigend. Geliefert wird in ganz Havanna, bis in die Außenbezirke. Die Fahrer verdienen am Lieferservice; Mandao erhält Prozente an jeder Bestellung. Noch ordern die Leute per Telefon oder Whatsapp, demnächst soll es auch eine App geben und der Lieferservice auf Gemüse, Käse oder Wurst ausgeweitet werden, erzählt Deus.

„Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut“, zeigt sich Gallina zufrieden. Er lobt die gute Infrastruktur von Mandao und sieht großes Wachstumspotenzial. „Das ist die Zukunft.“ Denn Gewohnheiten änderten sich. Er glaubt, dass sich die Bestellungen der Kubaner stabilisieren werden, Kuba unterscheide sich da nicht von anderen Ländern. „Die Trends kommen, um zu bleiben“, sagt Gallina. „Es hat sich immer wieder gezeigt. Innovation entsteht während Krisenzeiten, nicht während der Zeiten, in der es gut läuft. Von daher ist eine Krise auch immer eine Chance.“

Autor: Andreas Knobloch

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