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Venezuela |

Schwere Zeiten für das lateinamerikanische Menschenrechtssystem

Venezuelas Austritt aus den OAS-Menschenrechtsgremien wird stark kritisiert: Opfer von Menschenrechtsverletztungen hätten dadurch keine Chance, eine internationale Instanz anzurufen. Grund für den Austritt war der große Einfluss der USA. Bolivien und Ecuador kritisieren ihn auch, stellen aber erst einmal ein Ultimatum.

 

Es ist ein kompliziertes Gebilde mit einer bedeutenden Geschichte - und steht 65 Jahre nach seinen Anfängen vor einer echten Zerreißprobe. Im April 1948 wurde die amerikanische Erklärung der Menschenrechte und -pflichten angenommen. Weil dieser Schritt wenige Monate vor der UN-Menschenrechtscharta erfolgte, gilt das Papier als erstes allgemeines Instrument der Menschenrechte überhaupt. Auf Grundlage des Dokuments entwickelten sich die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte mit Sitz in Washington sowie der in Costa Rica ansässige Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte.

Reformen werden gefordert

All das zusammen firmiert auch als "lateinamerikanisches System": Denn die beiden Einrichtungen unter dem Dach der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) werden mehrheitlich von den Staaten zwischen Haiti und Chile anerkannt. Doch genau das könnte sich jetzt ändern. Die Linksregierungen des Subkontinents wollen das System neu justieren - und belassen es nicht länger bei Worten. Venezuela hat bereits seinen Austritt verkündet, nun drohen auch Ecuador und Bolivien mit einer ähnlichen Maßnahme.

Für die Verantwortlichen ist die Sache klar: Die OAS-Menschenrechtsgremien sind Werkzeuge US-amerikanischer Einflussnahme in der Region. Oder, wie es Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro jüngst via Twitter verkündete: "Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich in ein Instrument für den Schutz der geopolitischen Interessen der USA verwandelt, um die fortschrittlichen Regierungen in Lateinamerika zu verfolgen."

Maduro hat durch den Austritt Fakten geschaffen: Der Gerichtshof besitzt für im Land erfolgte Menschenrechtsverletzungen bis auf weiteres keine Handhabe mehr. Solange Venezuela allerdings OAS-Mitglied ist, bleibt zumindest die Zuständigkeit der Menschenrechtskommission bestehen. Sie soll erklärtermaßen die Verteidigung der Menschenrechte in ganz Amerika fördern.

Folgen des Austritts

Kritik an der Entscheidung Maduros kam nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch von der katholischen Kirche in Venezuela. Opfer von Menschenrechtsverletzungen verlören dadurch die Möglichkeit, eine internationale Instanz anzurufen, sagte der Erzbischof von Caracas, Kardinal Jorge Urosa Savino. Der Grund: Jeder Bürger eines OAS-Mitgliedsstaates kann sich an die Menschenrechtskommission wenden, wenn er glaubt, im Recht zu sein, und bei den nationalen Gerichten keinen Erfolg mit seiner Klage hatte. Die Kommission kann den Fall dann vor den Menschenrechtsgerichtshof bringen. Dieser Weg ist den Bürger Venezuelas nunmehr versperrt, eben weil der Gerichtshof keinen Zugriff mehr hat.

Vielleicht hat die grassierende Unzufriedenheit mit dem Gerichtshof auch noch andere Ursachen als einen vermeintlichen oder tatsächlichen Einfluss der USA. Nicht selten hat sich das Tribunal in den vergangenen Jahren gegen die jeweiligen Regierungen gestellt, beispielsweise wenn es um die Rechte der indigenen Bevölkerung, von Journalisten und Oppositionellen oder, wie in Kolumbien, um die Entschädigung von zivilen Opfern paramilitärischer Gewalt ging.

Bolivien und Ecuador stellen Ultimatum

Ecuador und Bolivien versuchen es mit einem Ultimatum. Sie fordern, dass bis zur nächsten Generalversammlung der OAS im Juni 2014 in Paraguay eine Reform des Menschenrechtssystems auf den Weg gebracht wird. Eine bereits im März dieses Jahres beschlossene Teilreform geht den Präsidenten und Rafael Correa und Evo Morales nicht weit genug. Sie drängen unter anderem darauf, den Sitz der Menschenrechtskommission von Washington in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen.

Auch die Finanzierung des Gremiums sieht die lateinamerikanische Linke kritisch. Ein Großteil der Mittel stamme von Nichtregierungsorganisationen aus der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Für die Politiker ein weiterer Beweis mangelnder Unabhängigkeit. Gebe es keine Veränderungen, werden man "ernsthaft über den Verbleib im interamerikanischen Menschenrechtssystem nachdenken", hieß es.

Autor: Tobias Käufer/KNA.

Beim Seminar der Menschenrechtsstelle "Tutela Legal" in San Salvador. Foto: Martin Steffen/Adveniat.

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