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Nicaragua |

Poesie aus dem Alltag einer Großstadt

Seit vielen Jahren schreibt und veröffentlicht Andira Watson Gedichte. Sie wurde 1977 in Bilwi geboren, einer Stadt an der nicaraguanischen Karibikküste, die früher unter dem Namen Puerto Cabezas bekannt war. Mittlerweile lebt und arbeitet sie in Managua. Für ihren Gedichtsband „En la casa de Ana los árboles no tienen la culpa“ bekam sie den Nationalen Preis für Poesie (Premio Nacional de Poesía "Mariana Sansón") von der Nicaraguanischen Vereinigung von Schriftstellern verliehen.

Andira Watson, seit wann schreiben Sie Gedichte?

Ich habe im Alter von 13 Jahren damit begonnen. Mein erstes Buch kam aber erst heraus, als ich 25 war. Es war eine Sammlung meiner frühen Texte, von denen ich jedoch einige verworfen hatte, als ich Anfang 20 war. Das Buch trug den Titel „Más excelsa que Eva“.

Weshalb konzentrieren Sie sich auf Lyrik? Gedichte besitzen ja häufig eine sehr kurze Form.

Zunächst einmal, weil man mit ganz wenigen Worten sehr viel ausdrücken kann. Es kommt aber etwas wichtiges hinzu: Beim Schreiben von Gedichten kann man auf zahlreiche sprachliche Ausdrucksmittel zurückgreifen – Mehrdeutigkeit, Bilder, Metaphern und so weiter. Diese Mittel werden nicht immer bewusst eingesetzt; manchmal geschieht es völlig unbewusst. Außer Gedichten schreibe ich übrigens auch andere Texte, etwa Geschichten, die aber eines mit den Gedichten verbindet: Sie sind ebenfalls recht kurz.

Bei den meisten namhaften deutschen Verlagen genießt die Lyrik keinen besonders hohen Stellenwert. Die Verkaufszahlen von Gedichtbänden sind niedrig. Ist es in Nicaragua einfach oder schwierig, einen Band mit Gedichten zu veröffentlichen?

Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Manche denken, es sei schwierig. Ich halte es für relativ einfach. Als ich zum ersten Mal darüber nachdachte, wie ich meine Gedichte veröffentlichen kann, hatte ich keine Vorstellung, ob es sich tatsächlich verwirklichen lassen würde. Ich habe sie also bei einer Stiftung eingereicht, die sich mit der Kulturförderung für Jugendliche beschäftigt. Leider erhielt ich keine Antwort und dachte mir schon, dass man dort nicht zuständig sei. Eine Freundin riet mir, ich solle sie einfach zurück verlangen. Also habe ich bei der Stiftung angerufen und hörte vom anderen Ende: Wir waren auf der Suche nach Ihren Kontaktdaten, weil wir Ihr Buch herausbringen möchten. Seit diesem Zeitpunkt erscheinen meine Bücher. Für mich war es also relativ einfach – und auch erfreulich. Die Möglichkeiten zum Publizieren existieren tatsächlich. Nur manchmal scheuen sich Autoren, an den richtigen Türen anzuklopfen. Sie reichen ihre Texte nicht zur Begutachtung ein – wahrscheinlich aus Angst vor der möglichen Ablehnung.

Es ist im Rahmen des Poesiefestivals Latinale ein kleines Buch erschienen, mit Texten im Original und in deutscher Übersetzung. Ist es das erste Mal, dass Sie Ihre Texte auf Deutsch sehen?

Das ist für mich wirklich etwas völlig neues. Ich habe bereits Erfahrung mit Übertragungen meiner Gedichte ins Englische gemacht, die ein Dichterfreund aus Nordamerika für mich angefertigt hat. Abgesehen davon, dass sie meinen englischsprachigen Lesern gefallen haben, glaube ich, dass sie auch in der Übersetzung noch den gleichen Geist enthalten wie im Original. Das sollte ja auch das oberste Ziel beim Übersetzen sein. In meinem Fall hat das offensichtlich gut funktioniert. Meine nordamerikanischen Freunde haben verstanden, was ich ausdrücken wollte. Sie mochten die Texte. Und wenn nicht, so besitzen wir mit der Übersetzung jetzt wenigstens einen Ausgangspunkt, um über allgemeine, universelle Themen ins Gespräch zu kommen.

Werden sich die Erfahrungen, die Sie hier in Deutschland machen, in Ihren zukünftigen Texten widerspiegeln?

Auf die eine oder andere Weise bestimmt. Bei jedem Besuch an einem bis dahin unbekannten Ort habe ich viel über Kultur und Geschichte dieses Ortes sowie über die Menschen, die dort leben, gelernt. Einmal war ich zum Beispiel in Simbabwe, im südlichen Afrika. Bei diesem Aufenthalt habe ich viele interessante Dinge kennengelernt und war anschließend sehr motiviert, darüber zu schreiben. Ich habe meine Geschichte den Autorinnen von Goromonzi gewidmet. Das ist eine Gruppe schreibender Frauen aus einer ländlichen Gegend von Simbabwe – sehr einfache Frauen, die meisten ohne festes Schuhwerk, die jedoch ihre alltäglichen Erfahrungen mithilfe von Poesie und Literatur ausdrücken. Diese Begegnung hat mich sehr beeindruckt. Darüber hinaus hat mich die Afrikareise mit meinen eigenen Wurzeln konfrontiert. Viele Menschen in Lateinamerika haben afrikanische Vorfahren, und ich hatte glücklicherweise die Gelegenheit, mich mit einigen Aspekten dieser Kultur unmittelbar zu beschäftigen.

Interview/Übersetzung: Thomas Völkner

Andira Watsons Internet-Blog: „Árbol Extraño“

Lesung beim „Festival Internacional de Poesía“ in Granada, Nicaragua: Video Youtube

 

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