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"Perla" - von Carolina De Robertis

In ihrem blindwütigen Kampf gegen die linke Opposition ließ die argentinische Militärregierung zwischen 1976 und 1982 rund 30.000 Menschen verschleppen, foltern, ermorden und anonym verscharren. Viele von ihnen sind bis heute verschwunden. Rund 500 Frauen kamen damals in den Folterkellern der Militärs nieder und ihre Kinder wurden in die Obhut linientreuer Familien gegeben. Die Großmütter der Plaza de Mayo konnten inzwischen 108 der geraubten Kinder ausfindig machen.


Die Erkenntnis, dass die vermeintlichen Eltern nicht die Eltern sind und womöglich gar mit der Ermordung der biologischen Familie in Zusammenhang stehen, löst bei den Betroffenen meist schwere seelische Krisen aus. Darüber ist bereits viel geschrieben worden. Vor allem die Argentinierin Elsa Osorio hatte in „Mein Name ist Luz“ die Thematik bereits 1998 in einen eindrucksvollen Roman gegossen.

Carolina De Robertis, US-Amerikanerin uruguayischer Herkunft, stand mit ihrem ersten Roman „Die unsichtbaren Stimmen“, der ebenfalls in Lateinamerika spielte, in Deutschland auf den Bestsellerlisten. Im Mittelpunkt ihres zweiten Romans „Perla“ steht nun auch eine junge Frau, die damals von den Militärs geraubt worden ist.

Verdachtsmomente ausgeblendet

Als Perlas Freund ihr von seinen journalistischen Recherchen über die geraubten Kinder verschwundener Oppositioneller während der argentinischen Militärdiktatur berichtet, fällt ihr die Bemerkung ihrer Mutter Luisa ein, dass alles, was über die Verschwundenen gesagt werde, Lüge sei. Und als sie mit zwölf Jahren einen Schreibwettbewerb mit einem Aufsatz über die Verschwundenen gewann und dieser in der Zeitung erschien, meinte Héctor, ihr Vater, sie bringe ihn damit um. Der Vater war Marineoffizier.

Obwohl misstrauisch geworden, wehrt sich die Studentin lange gegen die Idee, auch sie könnte eines der 500 Kinder sein, die während der Diktatur ihren Müttern im Gefängnis entrissen und den Militärs nahestehenden Familien zur Adoption übergeben wurden. Schließlich hat es Perla als Kind an nichts gefehlt und vor allem ihr Vater hat sie vergöttert. So bricht sie sogar mit ihrem Freund, als der sie zu Nachforschungen über ihre Herkunft ermuntert. Doch ihr Unterbewusstsein lässt Perla nun keine Ruhe mehr.

Im Unterbewussten vermischen sich Traum und Realität

Autorin Carolina De Robertis bedient sich, um die unterbewusste Auseinandersetzung ihrer Protagonistin mit ihrer Herkunft darzustellen, eines Stilelements, das in der argentinischen und uruguayischen Literatur bereits seit über einem Jahrhundert zuhause ist: Sie hebt ins Fantastische ab. Und so erscheint Perla, während Héctor und Luisa in Urlaub sind, ein nackter Mann mit nasser Haut, an der Seetang klebte und der nach Fisch roch. Er war durch die geschlossene Tür gekommen und hinterließ keine Nässespur. Der Mann lässt sich in der elterlichen Wohnung häuslich nieder.

Zwischen Tag und Traum kommt Perla in einem langen nächtlichen Gespräch mit dem Eindringling dem Geheimnis ihrer Herkunft auf die Spur. Sie erkennt in der Gestalt aus dem Wasser schließlich ihren leiblichen Vater, den die Militärs lebendig über dem Río de la Plata aus dem Hubschrauber geworfen haben.

Perlas innerer Monolog offenbart seelischen Zwiespalt

Carolina De Robertis erzählt in der Ich-Form. Hochschwanger, berichtet ihre Heldin Perla ihrer ungeborenen Tochter von dem schmerzlichen seelischen Prozess, den sie mit dem Eindringling durchlebt hat und an dessen Ende der Entschluss stand, ihre wahre Identität erst einmal zu suchen und dann auch anzunehmen. Die Autorin verwebt Perlas an ihr Kind gerichteten inneren Monolog mit einem zweiten Erzählstrang, in dem ein allwissender Erzähler aus der Perspektive des Eindringlings berichtet – über dessen Verhaftung durch die Militärs, über Perlas Geburt im Gefängnis, über seine Ermordung und die seiner Frau.

In „Perla“ geht es nur am Rande um die Fakten und die Vorgänge während der Diktatur. Die Autorin stellt vielmehr eindringlich und fesselnd den tiefen seelischen Zwiespalt dar, den Perlas Entdeckung zur Folge hat. Carolina De Robertis weiß sich glaubwürdig in ein solches Schicksal einzufühlen und dies literarisch sehr originell umzusetzen. Und da geht sie über frühere Werke zum gleichen Thema hinaus. Ihr ist mit „Perla“ ein lesenswerter Roman gelungen.

Autorin: Eva Karnofsky

Carolina De Robertis: Perla. Aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann. Krüger Verlag, Frankfurt a.M. 2013, 333 Seiten, EUR 18,99.

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