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Papstbesuch: Kampf der Mapuche um Lobby, Land und Rechte

Mapuche feiern ein Llellipun, einer Art Morgengebet mit Gesängen und Opfergaben. Foto: Adveniat/Hoch
Mapuche feiern ein Llellipun, einer Art Morgengebet mit Gesängen und Opfergaben. Foto: Adveniat/Hoch

Wenn Papst Franziskus an diesem Mittwoch Temuco im Süden Chiles besucht, stehen auf seinem Programm auch die Probleme der indigenen Mapuche. Temuco ist Mapuche-Land.

Schon seit Jahren - und auch und besonders in den vergangenen Tagen - sind die Mapuche immer wieder in den Schlagzeilen: mit Hungerstreiks, Straßenblockaden und einzelnen gewalttätigen Aktionen - ihren verzweifelten Waffen gegen die Entrechtung. Waffen, gegen die die chilenischen Behörden in früheren Jahren immer noch schärfere bereithielten: die Anwendung von Gesetzen zur Terrorbekämpfung; Verhaftungen ohne Begründung, Zulassung anonymer Zeugenaussagen, Aburteilung durch Militärgerichte. Die Extreme einer seit 150 Jahren anhaltenden Unterdrückung und Diskriminierung.

Chiles linke Staatspräsidentin Michelle Bachelet hat sich zwar erst vor kurzem für das historische Unrecht entschuldigt, das den Mapuche in der jüngsten Geschichte widerfahren sei. Doch ein gesellschaftlicher Dialog darüber kommt nicht in Gang - und erst recht keine rechtlichen Maßnahmen, die Unrecht wiedergutmachen würden.

Widerstand gegen die spanische Eroberung

Sozial zählen die Mapuche in Chile zum ärmsten und am wenigsten gebildeten Teil der Bevölkerung. Schätzungen zufolge gibt es noch rund 600.000 Mapuche im Süden Chiles. Hunderttausende weitere leben größtenteils kulturell entwurzelt in der Hauptstadt Santiago. Nur noch 10 bis 15 Prozent sprechen aktiv ihre traditionelle Sprache.

Bei den Mapuche fließt der Widerstand buchstäblich durch die Adern. Sie waren das einzige indigene Volk, das der spanischen Eroberung dauerhaft standhielt und der Krone einen Status quo abrang. In den 1860er Jahren begann die Entrechtung: Einmarsch der chilenischen Armee, Enteignung, Niedergang der eigenen Traditionen und Sprache, des Mapudungun. Erst seit einigen Jahren beginnt eine Neubesinnung auf die eigene Kultur und Identität.

Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat warnt

Den Ureinwohnern werde ihre Lebensgrundlage geraubt, warnt die Länderreferentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Margit Wichelmann. „Die chilenische Regierung muss die bereits 2008 von ihr ratifizierte ILO-Konvention 169 zum Schutz der indigenen Völker endlich umsetzen. Außerdem dürfen die Antiterrorgesetze nicht länger gegen die Mapuche angewendet werden“, sagte Wichelmann. (Pressemitteilung von Adveniat)

Die Rechtsgrundlagen des Landkonflikts sind über die Jahrzehnte sehr komplex geworden. Da gibt es auswärtige Siedler und Großgrundbesitzer, unter Salvador Allende Anfang der 1970er Jahre ihrerseits enteignet und entschädigt; Großunternehmen; die öffentliche Hand: Viele nach chilenischen Gesetzen durchaus legale Ansprüche konkurrieren mit denen der Mapuche.

Kirche an der Seite der Mapuche

Die Ureinwohner dürfen nicht mal mehr Wasser aus den Bächen entnehmen, die durch ihr Land fließen; denn fast alle Wasserrechte wurden während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) an Konzerne vergeben. "Demnächst werden sie auch noch die Luft privatisieren", schimpfen die Mapuche.

Auch der Militärflughafen Maquehue, auf dessen Gelände am Mittwoch eine große Messe mit Papst Franziskus gefeiert wird, war einst Mapuche-Land. Doppelt schlimm: Der Flughafen war zu Diktaturzeiten ein berüchtigtes Folterzentrum. Kein gerade vertrauenerweckendes Signal. Dabei hat sich die katholische Kirche, einst treue Begleiterin der spanischen Staatsmacht, im Menschenrechtskonflikt seit langem deutlich auf die Seite der Mapuche gestellt. Kirchenmitarbeiter sind wichtige Vertrauens- und Gewährsleute für die Indigenen - und haben ihrerseits teils dicke Polizeiakten, weil sie in Kontakt mit potenziellen "Terroristen" stehen.

Kritik am Bischof von Temuco

Viele der Aggressionen radikaler Mapuche richtete sich zuletzt freilich gerade auch gegen katholische Gotteshäuser. Die Kirche stecke mit Politik und Polizei unter einer Decke, hieß es. Vertreter indigener Organisationen kritisierten auch den Bischof von Temuco, Hector Vargas, weil sich dieser einem direkten Dialog über die Papstmesse auf der Militärbasis Maquehue entzogen habe. Chiles Primas Kardinal Ricardo Ezzati sagt: "Die Mapuche-Kultur hat zwei Herzen: das der Harmonie mit der Natur - und das der Radikalisierung." Es sei ein politischer Irrtum, wenn der Staat immer nur auf die gewaltbereite Seite reagiere.

Eine neue Hoffnung

Bis heute ist es schwer in Chile, als Indigener ein positives Selbstwertgefühl zu gewinnen und auch an die nächste Generation weiterzuvermitteln. Viele aus der Elterngeneration haben nicht mehr die Sprache ihrer Vorfahren gelernt; zu groß war die Angst, dann nicht richtig Spanisch, die offizielle Landessprache, zu sprechen. Nur wenige der jungen Generation hielten sich an ihre Großeltern - und eroberten sich bis heute allmählich ihre eigene Kultur und Sprache zurück.

Autor: Alexander Brüggemann / KNA

Die Weltanschauung der Mapuche

Die Religion der Mapuche ("Menschen der Erde") verehrt Gott als eine Vierheit: als Vater und Mutter, Alter (= Weisheit) und Jugend (= Kraft). In ihrer weitestgehend hierarchiefreien, sehr spirituellen Gesellschaft haben die oder der Machi (Schamane) als Geistliche eine zentrale Bedeutung für die Gemeinschaft. Heutzutage sind die meisten Machi weiblich. Sie erfahren ihre Berufung oft im Traum und lernen über Jahre bei erfahrenen Machi den Umgang mit den Geistern.

Die wichtigsten Jahresfeste der Mapuche sind das We Bipantu (Neujahr) und das Gilhatu, ein mehrtägiges Bitt- und Dankfest in Einklang mit der Natur. Dafür wird ein großes Tier, oft ein Pferd, das den Mapuche als heilig gilt, geschlachtet und gemeinschaftlich verzehrt. Die katholische Kirche, in früheren Jahrhunderten vor allem Begleiterin der spanischen und chilenischen Staatsmacht, hat sich im Land- und Menschenrechtskonflikt deutlich auf die Seite der bedrängten Mapuche gestellt und fördert unter anderem Bildung und Unterricht in Mapudungun, der indigenen Sprache.

Auf religiöser Ebene ist das Verhältnis komplex. Landesweit pflegen etwa 40 Prozent der Mapuche weiter ihre Naturreligion. Unter den 30 Prozent der katholischen Mapuche gibt es auch viele, die den katholischen Glauben mit Mapuche-Traditionen verbinden. Ordenspriester der Jesuiten versuchen etwa, im ursprünglichen Stammesland Araukanien unter den Ureinwohnern zu leben und die christliche Trinität mit der Vierheit des Mapuche-Glaubens theologisch übereinzubringen. Die Mapuche-Kultur legt großen Wert auf Harmonie und auf Gegenseitigkeit. Wenn der katholische Priester eine Familie besucht, erwidert diese den Besuch bei der Messe - denn der Priester hat ja keine Familie.

Konfrontativer, aber zahlenmäßig erfolgreich verläuft die Missionsarbeit evangelikaler Pfingstkirchen, die mit ihrer Spontaneität und Charismatik für Mapuche ansprechender sind als ein eher intellektueller Katholizismus. Die Evangelikalen lehnen allerdings die Mapuche-Kultur ab und fordern die Indigenen auf, sich explizit zwischen ihrer Tradition und dem Christentum zu entscheiden. Jugendliche aus evangelikalen Mapuche-Familien stoßen auf Widerstände, wenn sie die Sprache Mapudungun lernen oder an Mapuche-Ritualen teilnehmen wollen.

Quelle: KNA

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