Opern auf indigenen Sprachen
Die mexikanische Sängerin Edith Ortiz singt Opern von Guiseppe Verdi oder Pietro Mascagni - aber sie interpretiert sie auf Mixteco, Zapoteco, Náhuatl, Mazateco, Maya oder Purépecha. Für Edith ist es ein Weg, alten Sprachen neues Selbstbewusstsein zu geben.
Die große Leidenschaft für die Musik habe sie von ihrem Vater Fidel geerbt, sagt Edith Ortiz. Als Kind lauschte sie ihm, wie er Geige spielte und auf Mixteco sang. Dann sah sie eines Tages Plácido Domingo im Fernsehen. Seine Stimme faszinierte sie. "An jenem Tag entdeckte ich die Oper" sagt Edith. Sie wird leise. Es war die Initialzündung für ihre Karriere.
Erste Schritte in Oaxaca
Als junge Erwachsene verließ sie ihr Heimatdorf und zog ins südmexikanische Oaxaca de Juárez, um Gesang und Musik zu studieren. Die Ausbildung war klassisch; ihre Lehrer sangen auf Französisch, Italienisch und Deutsch. "Es war eine Schlüsselerfahrung für mich, denn ich lernte mehr über die Welt der Opern und die ganz großen Opernsänger", sagt Edith.
Ihre ersten Auftritte hatte Edith als Solo-Sängerin in Kulturzentren, auf Messen und Festen. Musiker konnte sie sich nicht leisten, ein CD-Player als Begleitung musste ausreichen. "Der Anfang war sehr schwer, aber das war kein Grund dafür, meinem Traum nicht zu folgen und weiterzumachen", erinnert sich die heute 36-Jährige.
Reise zu vergessenen Kulturen
Edith ergatterte schließlich einen Auftritt bei der Preisverleihung des Nezahualcóyotl für Literatur in Mexikanischen Sprachen im Palast der Schönen Künste in Mexiko-City. Dort lernte sie die damalige Vorsitzende der mexikanischen Kulturinstitution CONACULTA kennen. "Dank dieser Institution konnte ich auf Tournee gehen und meine erste Platte mit Kammerorchester machen." Diese Platte mit Opern auf Mixteco, Zapoteco und Náhuatl kam 2003 heraus.
Immer öfter baten Freunde mit unterschiedlicher indigener Herkunft Edith, Lieder in ihrer Sprache zu singen. Und so lernte Edith im Laufe der Zeit Zapateco, Purépecha, Maya und Mazateco. Dazu verbrachte sie möglichst viel Zeit mit den Menschen, redete und aß mit ihnen. "Um ein Lied zu interpretieren ist es wichtig, Wörter nicht nur richtig zu betonen und auszusprechen, sondern auch die dahinterstehende Kultur zu verstehen", sagt sie.
Oper als universeller Zugang zu Sprache
2010 sang sie als Vertreterin Mexikos in einem Konzert in Neuseeland - zusammen mit Menschen aus anderen indigenen Kulturen. Im Austausch der Kulturen liegt für Edith die größte Inspiration. Daher reiste sie in Mexiko vor allem zu indigenen Gemeinden, die fast in Vergessenheit geraten sind. "Meine Arbeit als Sängerin dort ist sehr schwierig, weil die Menschen einerseits nie eine Oper gehört haben und andererseits ihre eigene Sprache nicht wertschätzen."
Edith will die Menschen in ihrem Land ermutigen, ihre Muttersprachen nicht zu vergessen, sie aktiv zu fördern und mit ihren Kindern zu sprechen. Und die Musik, die Oper, könne den Zugang zu Sprache wiederbeleben: "Die Leute verstehen nicht immer, was ich singe, aber sie verstehen die Gefühle, die ich in den Opern ausdrücke, und sind mir dafür dankbar", sagt die Sängerin.
Text: Cory Unverhau, Foto: Sergio Adrian Camacho