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Chile |

Nationaldichter im Untergrund

Foto: Pfiffl Medien
Foto: Pfiffl Medien

In einer barock verzierten Toilette mit weinroten Wänden debattieren Zigarren rauchende Anzugträger über das neue Gedicht Pablo Nerudas, in dem er seine kommunistische Gesinnung kämpferisch in Reimform gebracht hat. Im nächsten Moment platzt Neruda (Luis Gnecco) schon durch die schwere Doppeltür herein und hält den anwesenden chilenischen Senatoren, am Pissoir stehend, einen Vortrag über den Verrat der Regierung von Präsident Gabriel González Videla.

Der Film "Neruda" von Pablo Larraín geht rasant los. Es ist das Jahr 1948, der Kalte Krieg hat Chile erreicht, und der Poet Neruda sitzt für die Kommunisten im Senat, wo er seine berühmte Rede "Yo acuso" ("Ich klage an") hält. Kurz darauf wird er seines Amtes enthoben und kann einer Verhaftung nur dadurch entgehen, dass er abtaucht und ständig seine Verstecke wechselt - inmitten der Arbeit an seiner Gedichtsammlung "Canto General", Nerudas bekanntestem Werk. Als der Dichter 1971 den Nobelpreis für Literatur erhielt, sagte er, er habe in jener Zeit erfahren, was Solidarität bedeutet.

Aus dieser Episode im Leben Nerudas entwickelt Regisseur Larraín einen Spielfilm, der kein herkömmliches Biopic ist, wie der schlichte Titel vermuten lässt. Stattdessen konzentriert sich "Neruda" allein auf diese dramatischen Monate im Leben des weltberühmten Dichters, Politikers, Exilanten und Diplomaten.

Katz-und-Maus-Spiel

Als Gegenspieler Nerudas erfindet Larraín Oscar Peluchonneau, einen melancholischen Polizisten mit Schnauzbart und Schlapphut (wunderbar schluffig gespielt von Gael García Bernal). Peluchonneau träumt davon aus seiner Rolle als "Nebenfigur" herauszutreten und kommt Neruda, der seinem Verfolger bewusst Spuren hinterlässt, bei seiner Flucht oft nahe, muss sich bei dem Katz-und-Maus-Spiel am Ende aber geschlagen geben, als Neruda über schneebedeckte Berge nach Argentinien entkommen kann.

Nach seiner Trilogie über die Diktatur in Chile ("Tony Manero", "Post Mortem" und "No!") hat Pablo Larraín nun einen Film gemacht, der in einer Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, über die nicht nur im Ausland wenig bekannt ist. Larraín räumt im anschließenden Gespräch ein, dass auch er über diese Ära der chilenischen Geschichte, die wie eine Blaupause für die Pinochet-Jahre wirkt, nur wenig gewusst habe.

Für den Oscar nominiert

Er wollte keine Hommage über den Nationaldichter Chiles machen, so Larraín. Das sei auch insofern kaum möglich, weil jeder, der sich mit Neruda beschäftigt habe, ein eigenes Bild von ihm entwerfe. Vielmehr habe er den "Menschen Neruda und seinen widerspruchsvollen Charakter" zeigen wollen. So sieht man dem manchmal aufbrausenden Neruda nicht nur bei der Flucht zu, dabei, wie er politisch agitiert und mit seinen Gedichten die Menschen verzaubert, sondern etwa auch bei einem Bordellbesuch, den sich der untergetauchte Neruda trotz aller Gefahren nicht entgehen lassen will.

"Neruda" wurde als chilenischer Beitrag für den Auslands-Oscar nominiert, ist allerdings kein einfach zu konsumierender Film. Denn Pablo Larraín verlangt von den Zuschauern, gut hinzusehen, und auf die Details zu achten. Mit seinen oft in ein diffuses Gegenlicht getauchten Bildern ist "Neruda" eine Art Krimi-Drama mit "Film Noir"-Anleihen. Und man kann Larraín zu seiner Entscheidung gratulieren. Denn ein Film über das gesamte, fast das ganze Jahrhundert umspannende Leben Nerudas wäre vermutlich eine langweilige Heldenverehrung geworden.

Der Film "Neruda" ist zwei Mal beim Berliner Independent-Festival "Around the World in 14 Films" im Kino Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, zu sehen (26.11., 22.00 Uhr, Saal 6 & 01.12., 19.15 Uhr, Saal 8), bevor er am 23. Februar 2017 bundesweit in die Kinos kommt.

Autor: Ole Schulz

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