Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Uruguay |

Militärs, Wahrheit und Verpflichtungen

Die sterblichen Überreste des Lehrers Julio Castro, gefunden unter einer Schicht aus Schweigen, vermischt mit Kalk und Erde auf dem Gelände des 14. Batallions, an Händen und Füßen mit Draht gefesselt, mit gebrochenen Rippen und hingerichtet mit einem Schuss, der seinen Schädel bersten ließ.

Dieser feige Schuss war ein Schlag für die uruguayische Gesellschaft und Präsident Mujica drängte auf eine Reaktion seitens der Führungsriege des Heeres. Dass dies im Jahr Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit geschieht, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass neben vielen Erfolgen in diesem Land noch immer sehr viele Tränen nicht geweint wurden und viele Schmerzen noch zu lindern sind.

Familienangehörige des Lehrers und anderer Verschwundener durchlebten widersprüchliche Gefühle. Erleichterung? Gerechtigkeit? Schließlich ein Wehklagen, um den Kummer zu lösen. Viele, wie Macarena Gelman, leben noch immer und seit langem mit einer schmerzhaften Erwartung.

„Das Heer ist keine Horde“

Julio Castro kämpfte mit seinen Ideen und seiner Schreibmaschine. Doch weil dieses fundamentale Menschenrecht, das Denken, ebenso eine destabilisierende Bedrohung Gefahr für das autoritär herrschende Regime war, wie andere zu Lehren, mit ihrem eigenen Kopf zu denken, brachten sie ihn zum Schweigen. Und heute schreien diese Knochen.

Es war die Stunde, in der die Militärs die Schützengräben verließen und eine neue Position einnahmen. Generalstabschef José Bonilla erklärte, man müsse den Fall untersuchen, um die Folterknechte zu finden. Es ist das erste Mal, dass ein Militär darum bittet, dass seinesgleichen wegen in der Diktaturzeit begangener Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Doch die schärfsten Worte kamen vom Chefkommandanten des Heeres, Generalleutnant Pedro Aguerre: “Das Heer ist keine Horde, keine hinterrücks angreifende Bande oder ähnliches. Das Heer wird Mörder oder Straftäter weder in seinen Reihen akzeptieren noch dulden oder sie decken."

„Beichtgeheimnisse“ der Militärs

Es war ein langer Weg bis zu dieser Entschlossenheit. Im Jahr 1977 unternahm ich einige Schritte, damit die Militärs der Kirche einige Informationen zukommen lassen, in absoluter Vertraulichkeit. Ich versuchte, den General der 2. Division mit Sitz in San José zu sprechen, doch über Gouverneur des Departments ließ er mir mitteilen, dass es sich um eine Angelegenheit handelte, über die schon entschieden worden sei.

Ich stieß bei unterschiedlichen politischen Verantwortlichen wie Rafael Michelini, Guillermo Chifflet und Alberto Volonté auf Interesse, besonders jedoch beim Vizepräsidenten Hugo Batalla, der mich aufsuchte und mit dem ich mich mehrmals in seinem Haus traf. Bei zwei Gelegenheiten war auch der der “Gran Maestro de la Masonería” und einige weitere Personen zugegen. Ziel dieser Treffen war eine Annäherung an die Militärführung, damit sie einwilligten, gegen das Versprechen absoluter Vertraulichkeit, ähnlich dem “Beichtgeheimnis”, wie ich es ihnen erklärte, Informationen preiszugeben. Ich erinnere mich, dass ein General sogar ironisch zu mir sagte, er gedenke keinem einzigen Bischof zu beichten!

Pakt des Schweigens

Der Vorschlag interessierte die Leitenden des Nationalen Gewerkschaftsdachverbandes (Pit Cnt), mit denen ich mich traf. Natürlich zeigten sich die Angehörigen gewaltsam Verschwundener, die sich im Sitz der christlichen Menschenrechtsorganisation Serpaj trafen, offen. Mit ihnen traf ich mich mehrmals, vor allem mit Javier Miranda.

Dieser kleine Ausschnitt meiner Erinnerungen mag genügen, um die Bedeutung der Erklärung von Generalleutnant Pedro Aguerre, die in der Presse zu lesen war, wertschätzen zu können. Er vertrat eine klare ethische Haltung. Zudem erklärte er den Willen, “innerhalb und außerhalb der Streitkräfte” Informationen zu beschaffen, die es erlauben würden, “die direkte Verantwortung” des Heeres während der Diktatur zu relativen und begrenzen. Er erklärte weiter, von einem “Pakt des Schweigens” keine Kenntnis zu haben ˗ doch sollte dieser existieren, ordnete er dessen "sofortige Aufhebung" an.

Wiedergutmachung und Vergebung

Das Heer und die anderen Waffengattungen, Marine und Luftwaffe, übernehmen gegenüber allen Bürgern eine moralische Verantwortung und eine Aufgabe, bei der sowohl ihre eigene Glaubwürdigkeit wie auch ihr interner Zusammenhalt auf dem Spiel stehen. Wir sind davon überzeugt, dass es Menschen von Ehre und des Ehrenworts gibt, die alle möglichen Schritte in diese Richtung unternehmen werden. Es geht um eben jenes Recht von Beruf Militär zu sein, das so viele illustre und mutige Bürger in diesem Land hervorgebracht hat. Ich unterstreiche dies mit meiner eigenen kleinen Erfahrung: Mein Vater war bei der Marine und deren Zusammenhalt schien mir attraktiv; ich besuchte ein Jahr lang eine Militärschule.

Die neue Etappe hält Herausforderungen für alle bereit, wie die Wiedergutmachung und das Vergeben. Eine Pflicht, der niemand im Leben ausweichen kann, wenn er nicht an alten Wunden zugrunde gehen will.

Autor: Pablo Galimberti, Bischof von Salto in Adital; Deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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