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Merkel in Lateinamerika: Mission Freihandel

Vor dem G20-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft sucht Merkel Partner gegen Trumps Protektionsmus-Pläne. Foto: picture-alliance/ dpa/D. de la Paz
Vor dem G20-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft sucht Merkel Partner gegen Trumps Protektionsmus-Pläne. Foto: picture-alliance/ dpa/D. de la Paz

Lateinamerika ist so etwas wie das brave Stiefkind der deutschen Außenpolitik: Der Subkontinent macht keinen Ärger, man ist froh über die guten Beziehungen, aber niemand legt sich ins Zeug, sie zu intensivieren. Seit sich auch die USA kaum noch für ihren einstigen Hinterhof interessieren, haben die Chinesen sich dort erfolgreich um Einfluss bemüht - insbesondere durch Handel und massive Direktinvestitionen.

Deutschland und die EU treten im Vergleich dazu auf der Stelle. "Deutschlands Außenpolitik wirkt in den letzten Jahren doch sehr krisengetrieben", sagt Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), "und Lateinamerika hat mit diesen Krisen einfach nichts zu tun." Doch das beginnt sich gerade zu ändern. Denn wusste man bis vor Kurzem das mächtigste Land der Erde auf seiner Seite, herrscht spätestens seit dem Trump-Auftritt beim G7-Treffen keine Gewissheit mehr. Stattdessen zeichnet sich ab, dass sich die US-Regierung in grundlegenden Fragen der Weltpolitik von deutschen und europäischen Positionen entfernt.

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel also zwischen von diesem Donnerstag an bis zum 11. Juni 2017 nach Argentinien und Mexiko reist, handelt es sich keinesfalls um einen Pro-forma-Besuch im Rahmen des deutschen G20-Vorsitzes. Es geht wohl auch um die Unterstützung für ein Weltbild.

Grundsatzrede erwartet

"Merkel ist ja etwas unfreiwillig zur Verteidigerin des Freihandels geworden", sagt Detlef Nolte, Direktor des Hamburger GIGA Instituts für Lateinamerika-Studien. Ihre Mission dürfte deshalb der Schulterschluss mit Partnerländern sein, die bisher eher ein Plus als ein Muss für die Europäer war.

Im Auswärtigen Amt, sagt Maihold, hieße es, dass von Merkel in Argentinien eine Grundsatzrede zu Deutschlands Lateinamerika-Politik erwartet werde. Das wäre auch angemessen, findet der SWP-Forscher, denn das bisherige Paradigma habe sich überlebt: Außenminister Guido Westerwelle (von 2009 bis 2013) verstand die aufstrebenden Länder Argentinien, Mexiko und - allen voran - Brasilien als "Gestaltungsmächte", die auf regionaler und globaler Ebene maßgebliche Beiträge zur Lösung globaler Probleme wie Freihandel und Klimawandel hätten leisten sollen.

Zögern auf beiden Seiten

Dann aber kamen die Wirtschaftskrisen: Argentinien und Brasilien rutschten in die Rezession, Brasilien darüber hinaus in eine anhaltende politische Krise. Ob Freihandel den Abschwung hätte verhindern können, ist fraglich. Klar ist, dass beide Länder daran jahrelang kein Interesse zeigten.

So sind die Verhandlungen zwischen Mercosur und EU über ein Handelsabkommen seit ihrem offiziellen Beginn 1999 trotz mehrerer Belebungsversuche kaum vorangekommen. Das allerdings liege nicht nur an den Südamerikanern, betont GIGA-Direktor Nolte: "Die Mercosur-Staaten wollen vor allem Agrarprodukte nach Europa liefern, aber das scheint mit der EU nicht machbar zu sein, und daran scheitert es."

Sonderfall Mexiko

Mexiko dagegen ist dem Welthandel schon lange zugetan. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften Lateinamerikas schlägt sich die Mexikanische trotz mäßigen Wachstums wacker. Doch das Land kreist stark um seine eigenen Probleme: Organisierte Kriminalität, Korruption, Migration und - jetzt erst recht - seine Beziehungen zu den USA. Das ist verständlich, denn geografisch und wirtschaftlich gehört Mexiko zu Nordamerika. Auch mit der EU besteht seit 1997 ein Rahmenabkommen, auf dem sukzessive der Freihandel mit bestimmten Waren und Dienstleistungen vereinbart wurde. Die Modernisierung des Abkommens läuft seit einem Jahr. Doch obwohl Mexiko auch mit zahlreichen weiteren Ländern Lateinamerikas und Asiens Freihandelsabkommen unterhält, gehen 80 Prozent der Exporte in die USA.

Zeitenwende oder Feinjustierung?

Dies könnte sich nun ändern. Denn wenn US-Präsident Donald Trump die USA vom internationalen Handel isoliert, würde Mexikos exportorientierte Wirtschaft ohne neue Absatzmärkte eingehen. Dass Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo nach einem Treffen mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Anfang Mai ankündigte, die Neufassung des Handelsabkommens werde Ende 2017 abgeschlossen sein, zeugt von Entschlossenheit. Allerdings ist auch China an intensiverem Warenaustausch mit Mexiko interessiert. Schon heute seien die Lohnstückkosten in China teils höher als in Mexiko, so Nolte.

Dringend Position beziehen

Merkel müsste also Deutschland und die EU dringend als Akteur positionieren, schlussfolgert auch Günther Maihold. Verhandlungsmasse bringe Merkel mit: "Mexiko hegt seit Jahren große, bisher unerfüllte Erwartungen an Deutschland - insbesondere im Bereich wissenschaftlich-technischer Kooperationen", so der Mexiko-Kenner. Das gemeinsame Austauschjahr 2016/17, das Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto vor einem Jahr in Berlin eröffnete und das Merkel nun feierlich beenden wird, könnte ein erster Schritt in diese Richtung gewesen sein.

In Argentinien wäre eine solche Positionierung vielleicht noch wichtiger, wenn Deutschland das Feld nicht anderen Mächten überlassen will: Russland und Indien haben in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen. China ist bereits dick im Geschäft - unter anderem mit dem Bau zweier Wasserkraftwerke und anderen Aufträgen, die noch aus der Kirchner-Ära stammen. Dem seit Ende 2015 amtierenden Präsidenten Mauricio Macri scheint Chinas Einfluss zwar etwas zu groß zu sein, dennoch hat er die alten Verträge lediglich neu verhandelt, nicht aber aufgekündigt. Was die Handelspartner betrifft, ist Argentiniens Wirtschaft bereits diversifiziert. Allerdings umfasst der gesamte Außenhandel auch nur in etwa das Volumen, das Mexiko ohne die USA-Exporte realisiert.

Merkel dürfte also in beiden Ländern auf offene Ohren stoßen, wenn sie versucht, eine Allianz gegen die USA und für den Freihandel zu schmieden. Denn auch wenn weder Mexiko noch Argentinien bisher die ihnen angedachte Rolle als Gestaltungsmächte ausfüllen konnten, sagt SWP-Forscher Maihold, halte Deutschland an ihnen als Wertepartner im Kontext internationaler Gremien fest. Heute vielleicht mehr denn je.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Jan D. Walter

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