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Peru |

"€žMedien, Erinnerung und Gewalt"€?

Ein deutsch-peruanisches Kolloquium in Lima untersucht den Umgang der peruanischen Medien mit der Gewaltgeschichte. Wie lassen sich Verbrechen medial aufarbeiten und die Erinnerung an die Opfer wachhalten? Ein Bericht zur Tagung „Medios, Memoria y Violencia“, organisiert von der Jesuitenuniversität Ruiz de Montoya und der Universität Hamburg.

“Schießt, schießt doch“, ruft Oberleutnant Roca wutentbrannt und zieht schließlich selbst die Pistole. Nach einigem Zögern schießen die Soldaten auf die vor ihnen stehende Gruppe, einfache Menschen mit wettergegerbten dunklen Gesichtern und Ponchos. Einer nach dem anderen sinkt getroffen nieder. Blut überall, während der Wind über die karge Hochebene streicht.

„Wir standen vor der schweren Aufgabe, wie wir diese absolut unglaubliche Geschichte in einem Drehbuch so darstellen können, dass die Zuschauer es uns glauben“, sagt Drehbuchautorin Giovanna Pollarolo. Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts drangen nur vereinzelte Gerüchte von Massakern der maoistischen Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ bis in die Hauptstadt Lima. Eine der wenigen Reportagen über die Vorkommnisse im Andenhochland berichtete, wie eine Gruppe peruanischer Soldaten eine ganzes Dorf massakrierte, nur um den Fehler eines Leutnants zu vertuschen.

Filmische Aufarbeitung

Der Spielfilm „Die Schlucht des Teufels“ aus dem Jahr 1988 , aus dem die eingangs beschriebene Szene stammt, ist eine der ersten filmischen Bearbeitungen des peruanischen Bürgerkriegs, der von 1980 bis etwa 1995 vor allem in den abgelegenen Hochandendörfern stattfand. Giovanna Pollarolo hat das Drehbuch zum Spielfilm geschrieben und erzählt 23 Jahre später davon beim Kolloquium „Medios, Memoria y Violencia“, das die Jesuitenuniversität Ruiz de Montoya und die Universität Hamburg zusammen in Lima organisiert haben.

„Die peruanischen Militärs wollten den Film zuerst nicht durch die Zensur lassen“, erinnert sich Giovanna Pollarolo. Aber sie erinnert sich auch daran, dass linke Gruppen den Film kritisierten, weil das Militär zu freundlich dargestellt sei.

Wichtige Rolle der peruanischen Wahrheitskommission

Erst durch die Arbeit der peruanischen Wahrheitskommission (2000 – 2004) wurde das ganze Ausmaß des peruanischen Bürgerkrieges mit seinen fast 70.000 Todesopfern umfassend sichtbar. Die filmische und literarische Verarbeitung dieser Zeit hat durch den Bericht der Wahrheitskommission Aufschwung erfahren. Zahlreiche Filmemacher, Schriftsteller und bildende Künstler nehmen den vergangene Bürgerkrieg zum Ausgangspunkt ihrer Kunst.

„Chungui“: Verknüpfung von Altarbildern mit Zeugenaussagen

Der Regisseur Felipe Degregori begab sich fast 30 Jahre später auf die Suche nach den Zeugen. In seinem Dokumentarfilm „Chungui“ aus dem Jahre 2010 begleitet er den Altarbildschnitzer Edilberto Jiménez beim Besuch des Indianerdorfes Chungui in einer der abgelegensten Ecken des Departements Ayacucho. Hier hatten der „Leuchtende Pfad“ und das Militär besonders stark gewütet.

Edilberto Jiménez hatte zehn Jahre vorher die Zeugnisaussagen der Überlebenden des Massakers aufgenommen. Das Gehörte ließ ihn nicht ruhen, bis er die Geschichten in seinen Altarbildern, den sogenannten Retablos, einen Ausdruck gab. Statt tanzender Bäuerinnen oder Ernteszenen, hat er dort Mord, Totschlag und Vergewaltigungen mit den kleinen Holzfiguren nachgestellt.

Degregori stellt in seinem Dokumentarfilm die Aussagen der Überlebenden direkt den Altarbildern gegenüber und erreicht so eine gesteigerte Betroffenheit beim Zuschauer.

Der Regisseur Degregori stellt im Kolloquium aber auch klar, dass die Überlebenden ihre Leidensgeschichte, wie sie ihre Lieben verloren haben, schon so oft erzählt haben, und nichts habe sich für sie geändert. „Die Leute von Chungui werden ihre Geschichte ganz sicher nicht mehr erzählen“, ist er sicher.

Opfervereinigung hält Erinnerung wach

Elena Gonzalez und Lidia Flores tun es dennoch. Zum zigsten Male sind die beiden Bäuerinnen von der Opfervereinigung ANFASEP aus Ayacucho in die Hauptstadt gereist, um Zeugnis davon abzulegen, wie das peruanische Militär ihre Söhne und Brüder gefoltert und getötet hat.

Der Bericht der Wahrheitskommission empfahl der peruanischen Regierung vor sechs Jahren , die Täter vor Gericht zu bringen und den Opfern eine Entschädigung zu zahlen. Geschehen ist seitdem wenig im rohstoffreichen und wirtschaftlich boomenden Peru. „Im Wahlkampf vor fünf Jahren kam Alan García nach Ayacucho und hat uns Entschädigungszahlungen versprochen, wenn wir ihn wählen“, erinnert sich Lidia Flores. Seit fünf Jahren ist Alan Garcia nun Präsident, Entschädigung haben die Frauen aus Ayacucho bisher keine gesehen.

Autorin: Hildegard Willer, Lima

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