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Brasilien |

Landlosenbewegung MST testet neue Präsidentin

Brasiliens Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) hat seine traditionell im April stattfindenden Aktionen vorgezogen und das neue Jahr mit einer Reihe von Besetzungen begonnen. Statt des "roten Aprils" rolle nun der "heiße Januar", so die Bewegung, die für die Umsetzung der lange versprochenen Landreform kämpft.

Seit Jahren erinnert MST mit den April-Aktionen an die Ermordung von 19 Aktivisten durch die Polizei im April 1996. Mit den jetzt begonnenen Aktionen will MST die neue Präsidentin Dilma Rousseff direkt zu ihrem Amtsantritt "testen" und Druck für eine Realisierung der Landreform aufbauen. Von ihrem Vorgänger, Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, zeigten sich die Landlosen zuletzt enttäuscht.

Rousseff kritisierte Besetzungen

Im Wahlkampf Ende letzten Jahres hatte die damalige Kandidatin Rousseff die gewaltsamen Besetzungen von Land und Farmen durch die Landlosen kritisiert. Obwohl MST traditionell der Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores), der sowohl Rousseff als auch Lula da Silva angehören, nahe steht, hatte sich die Bewegung daraufhin von Rousseff distanziert. Die Aktionen des "heißen Januar" seien nun ein "offizieller Test" der neuen Präsidentin, so MST.

Gespannt wartet man darauf zu erfahren, ob Rousseff die Landreform angehen wird oder nicht. Als ihre oberste Priorität hatte die neue Präsidentin bereits die "Ausrottung der extremsten Armut" angekündigt. Fraglich bleibt dabei, ob eine Umverteilung fruchtbarer Ländereien mit zum Maßnahmenpaket gehört.

Aktionen haben begonnen

Im Bundesstaat Sao Paulo besetzte MST mehrere Farmen und drohte mit der Mobilisierung von gut 10,000 Aktivisten. Im Landesinnere des Bundesstaates warten Tausende Familien laut MST unter prekärsten Bedingungen auf eine Landzuteilung. Währenddessen besetzte die Bewegung vier Bürgermeisterämter im Süden des Bundesstaates Bahia. Hier forderte man Investitionen in bereits errichtete Ansiedelungen. So müsse das Schul- und Gesundheitssystem verbessert werden und die Ansiedlungen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden. MST drohte damit, die Besetzungen ansonsten auf bis zu 50 Städte auszuweiten.

MSTs Kritik an der Regierung scheint begründet zu sein. Laut eines Anfang Januar von der Landpastorale der Katholischen Kirche Brasiliens (CPT) veröffentlichten Studie ging die Zahl der 2010 angesiedelten Landlosen gegenüber 2009 um 44% zurück. Die an die Bauern verteilte Gesamtfläche war sogar um 72% geringer als im Vorjahr. Damit war das letzte Jahr der Lula-Regierung gleichzeitig ein Tiefpunkt für die Agrarreform.

Lulas großes Versprechen

Dabei hatte Lula vor seinem Amtsantritt 2003 versprochen, die seit Jahrzehnten eingeforderte Landreform mit "einer einzigen Unterschrift" zu realisieren. Dies sei er den Bauern Brasiliens jedoch schuldig geblieben, so MST. Immer wieder hatte die Bewegung der Regierung vorgeworfen, mehr für die industrielle Großlandwirtschaft zu unternehmen als für die Kleinbauern. Selbst die Regierung gesteht heute ein, dass immer noch gut 5 Millionen Kleinbauern in Armut leben. Gleichzeitig sind laut dem letzten Landzensus von 2006 gut 85% aller in der Landwirtschaft tätigen Menschen in familiären Kleinbetrieben beschäftigt.

Doch wenig wurde für eine Umkehr in der Landwirtschaft getan. So wurde in Lulas letztem Amtsjahr das Budget der Landreform-Behörde INCRA noch einmal halbiert. Neben den Landzuteilungen habe die Regierung ebenfalls bei der Vergabe von Besitztiteln an die sogenannten Quilombolas versagt, so eine MST-Stellungnahme. Quilombolas sind Nachfahren entlaufener Sklaven, die laut der Verfassung von 1988 ebenso wie Indigene nun ein Recht auf ihr angestammtes Siedlungsland haben.

Wirtschaft geht vor

So habe die Regierung lediglich 11 Quilombola-Gemeinschaften den Landbesitztitel zuerkannt, während landesweit gut 3,000 Anträge auf ihre Bearbeitung warten. Auch hier habe die Regierung die sozial Schwachen zugunsten des Agro-Business im Stich gelassen, meint MST. Währenddessen forderte die Landpastorale Dilma Rousseff auf, die Landreform voran zu treiben und damit die familiäre Landwirtschaft zu stärken. Der Präsidentin weht also gleich zu Beginn ihrer Amtszeit ein forscher Wind ins Gesicht. Aber das scheint sie geahnt zu haben - hatte sie doch in ihrer Antrittsrede geunkt: "Zu leben ist stets gefährlich."

Autor: Thomas Milz

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