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Guatemala |

Jahrtausend-Strafe für Berufsmörder

Erstmals in der Geschichte Guatemalas hat ein Gericht Ex-Armee-Angehörige für ihre Gräueltaten im Bürgerkrieg verurteilt. Für das brutale »Massaker Los Dos Erres« von 1982 erhielten vier ehemalige Elitesoldaten als Strafe je 6060 Jahre Gefängnis.

Auf gelben Plastikbänken, in Handschellen, teils mit verbittertem Kopfschütteln, teils in weiße Hemden der Unschuld gekleidet, ließen die vier Angeklagten den historischen Richterspruch über sich ergehen. »Das Gericht erklärt die Angeklagten einstimmig zu den Tätern des Morddelikts. Für diese Straftat wird eine Strafe von 30 Jahren Gefängnishaft ohne Bewährung für jeden der ermordeten Personen bestimmt, was insgesamt eine Summe von 6030 Jahren ergibt«, so das Urteil am Dienstag gegen Daniel Martínez, Manuel Pop, Reyes Collin und Carlos Carías. Wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« kommen weitere 30 Jahre Freiheitsentzug hinzu. Ein Zeichen der Schuld oder Reue ließ sich bei keinem der breit gebauten, in die Jahre gekommenen Ex-Berufssoldaten ausmachen.

Ihnen gegenüber im mit braunem Holz und Marmor vertäfelten Verhandlungssaal des Hochsicherheits-Tribunals hatten am Tag der Urteilsverkündung eng gedrängt die Angehörigen der Mordnacht-Opfer von 1982 Platz genommen. Einheiten der berüchtigten Eliteeinheit »Kaibil« waren am 7. Dezember in die Ortschaft Los Dos Erres eingedrungen und hatten das Dorf auf grausame Weise in ein Massengrab verwandelt. Insgesamt verschlang der lange Bürgerkrieg zwischen 1960 und 1996 eine Viertel Million Menschen. Nicht ein Militär war seitdem für seine Taten zur Verantwortung gezogen worden.

Kurzer Prozess

Heute aber war der Tag der Abrechnung gekommen. Rote Rosen in der Hand und mit ernsten Gesichtern hingen die Hinterbliebenen des Massakers an den Lippen von Richterin Patricia Bustamante, deren klare Stimme durch die Stille des Raumes hallte. 17 Jahre lang hatten die alt gewordenen Männer und Frauen darum gekämpft, die Verantwortlichen für den Tod ihrer Familien einer gerechten Strafe zuzuführen. Am Ende ging alles ganz schnell. Nur acht Tage nach Prozessauftakt hatte das Hochsicherheits-Tribunal in Guatemalas Hauptstadt sein geschichtsträchtiges Urteil gefällt. Mit erleichtertem Applaus, Hurra-Rufen und Tränen in den Augen feierte die Zuschauertribüne das Ende des Prozesses.

Guatemalas Strafgesetzbuch kennt für Mord eine maximale Haftdauer von 50 Jahren, mit den 30 Jahren Freiheitsentzug für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit genug, um die vier Mörder für immer hinter Gittern einzusperren. »Heute wurde Gerechtigkeit hergestellt«, feierte Aura Elena Farfán von der »Vereinigung der Familien von Verhafteten und Verschwundenen Guatemalas« (Famdegua) das Urteil. »Für die 200.000 Guatemalteken, die im bewaffneten Konflikt massakriert wurden« sei der Schuldspruch eine »Befriedigung«, so die Famdegua-Vorsitzende, dessen Vereinigung als Nebenklägerin aufgetreten war. Der Richterspruch öffne »ein Licht im Kampf gegen die Straflosigkeit«, so die Aktivistin gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Stimmung der Prozess-Sieger, war von mehr von Nachdenklichkeit und Trauer als von Triumph und Rachsucht bestimmt.

Taktik der Verbrannten Erde

Dabei war das Massaker von 1982 an Grausamkeit nicht zu überbieten. Zeugenaussagen zufolge hatten die »Kaibil«-Mörder Kinder lebendig in Brunnen geworfen, Mädchen bis in den Tod vergewaltigt, Babys gegen Bäume geschlagen. Nur zwei Dorfbewohner überlebten die »Ausradierung« von Las Dos Erres, das ins Visier der Armee geraten war, weil die Bewohner Rebellen Unterstützung geleistet und 40 Gewehre aus Militärbeständen versteckt haben sollen. Die Strafaktion des Militärs gilt als Paradebeispiel für die »Taktik der Verbrannten Erde«, die in der Auseinandersetzung mit linken Regierungsgegnern vom guatemaltekischen Staat unter der Führung von Diktator Efraín Ríos Montt (1982-1983) systematisch zur Anwendung kam. So sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Truppen »systematisch« gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen seien.

Nicht jeder der Anwesenden im Gerichtssaal war mit dem Urteil einverstanden. Angehörige der Militärs brachen nach der Verkündung der Strafe in Tränen aus und kündigten eine Anfechtung des Urteils an. »Vielleicht ist die Justiz in Guatemala unfähig«, so eine junge Frau im Anschluss zu Journalisten. »Vor Gott, seiner Familie und anwesenden Mitgliedern der Kirche erkläre ich diesen Mann für unschuldig«, verabschiedete sie sich von einem der in weiß gekleideten Angeklagten. Die Zeugen - einige Ex-Elitesoldaten hatten gegen ihre alten Kollegen ausgesagt - erklärte sie in wütendem Ton als »gekauft«. In der Revision werde deren »Verrat« bewiesen. Derweil entfachten Friedens-Aktivisten Kerzen im Gedenken an die Opfer. Mit Rosenblättern hatten sie »Gerechtigkeit« auf den grünen Rasen des Gerichtsgebäudes geschrieben.

Autor: Benjamin Beutler

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