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Integration auf Brasilianisch: Fußball gucken

Während der WM laden brasilianische Familien Flüchtlinge zum Fußball gucken ein. (Foto: DW/N. Pontes)
Während der WM laden brasilianische Familien Flüchtlinge zum Fußball gucken ein. (Foto: DW/N. Pontes)

Fußball gucken inmitten einer Gruppe grün-gelb gekleideter Fremder. Das ist in Brasilien eigentlich nichts Besonderes. Aber für Ghazl Baranbo, Talal Altinawi und ihre drei Kinder ist es das erste Mal, dass sie bei Brasilianern zu Hause ein Spiel anschauen. Die Familie aus Syrien ist seit 2013 in Brasilien, und bis dahin war das Einzige, das sie von dem Land kannten, die Fußball-Nationalmannschaft.

 

"Wir suchten Asyl, und das erste Land, das uns aufnahm, war Brasilien", erzählt Baranbo. Sie bezahlten 20 Dollar pro Visum, packten die Koffer und ließen zwei Wohnungen, ihre Angehörigen und ein bis kurz zuvor komfortables Leben zurück, um dem Krieg und dem Regime zu entfliehen. Nahezu ohne etwas über ihr Ziel zu wissen. Heute sitzen die beiden im Wohnzimmer von Lara Santi vor dem Fernseher und fiebern mit der Familie des Hauses beim Auftaktspiel der Brasilianer gegen die Schweiz mit.

 

Fußball ist die beste "Entschuldigung"

 

Gastgeberin Santi ist Biomedizinerin und arbeitet als Freiwillige in einer internationalen Organisation, die Geflüchteten hilft, Kontakt zu ihren Verwandten in der Heimat aufzunehmen. Vor Kurzem hat sie sich außerdem in das Programm "Meu Amigo Refugiado” (dt. "Mein geflüchteter Freund") der 2015 gegründeten Nichtregierungsorganisation Migraflix eingeschrieben. Das Programm soll Flüchtlingen bei der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt helfen. "Im Fußball", erklärt Migraflix-Gründer Jonathan Berezovsky, "sehen wir eine optimale 'Entschuldigung', Menschen zusammenzubringen und, was am wichtigsten ist, Kontakte zu knüpfen."

 

Bisher haben sich 3400 brasilianische Familien für das Programm eingeschrieben. Allerdings sind erst 75 Flüchtlingsfamilien erfasst: "Wir analysieren die Profile sehr sorgfältig, koordinieren die Termine, an denen sich die Familien treffen und begleiten den ganzen Prozess", erklärt Berezovsky. "Das ist von der Logistik her recht kompliziert und unsere Kapazitäten sind sehr begrenzt." Brasilien hat bisher etwas mehr als 10.000 Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten anerkannt. 35 Prozent von ihnen sind Syrer. 86.000 weitere Anträge sind in Bearbeitung.

 

Flucht vor der Willkür

 

Das syrische Ehepaar Baranbo und Altinawi gehört zu denen, deren Asylgesuch angenommen wurde. Inzwischen sind die Beiden Eltern einer Brasilianerin. Ihre Tochter kam 2014 in Brasilien zur Welt, und hat damit nach dem dort geltenden Geburtsrecht die brasilianische Staatsbürgerschaft. Dennoch fällt ihnen die Eingewöhnung in São Paulo weiterhin schwer: "Es ist sehr schwierig, Arbeit zu finden oder klare Informationen von der brasilianischen Regierung zu bekommen", berichtet Altinawi, der in Syrien als Maschinenbauingenieur tätig war.

 

Eine Rückkehr nach Syrien ist jedoch keine Option. Das sei zu gefährlich, sagt Altinawi, 2012 habe ihn die Regierung festnehmen lassen, ohne dass er wusste, warum. "Ich habe im Gefängnis gehört, dass jemand mit demselben Namen ein Dissident sei", erzählt Altinawi, "aber in Syrien braucht es keinen Grund, um festgenommen zu werden. Und Widerstand zu leisten macht es nur noch schlimmer." Erst drei Monate später habe man ihn ohne jede Erklärung wieder freigelassen.

 

Den Kontakt mit der Familie in Damaskus halten Altinawi und Baranbo aber aufrecht. Die sechs Geschwister von Ghazl Baranbo haben die Stadt nie verlassen. Auch Altinawis Eltern und eine Schwester sind noch dort. Seine ältere Schwester lebt in den USA, sein Bruder hat 2015 in Deutschland Asyl beantragt.

 

Blick nach vorne

 

Im August will Altinawi eine Prüfung ablegen, um sein Diplom als Ingenieur in Brasilien anerkennen zu lassen. Mindestens solange müssen sie anders ihren Lebensunterhalt verdienen als Taxifahrer und als Köche. In ihrem Haus kochen sie auf Anfrage syrisches Essen und liefern es auf Partys oder Betriebsfeiern.

 

"Das Leben in Brasilien ist nicht einfach - und sehr teuer", sagt Altinawi, "Bis heute verstehe ich das Leben hier nicht so recht. Und ich stelle fest, dass viele Brasilianer selbst das Land verlassen wollen." Gerade deshalb seien solche Momente besonders wichtig, sagt er und deutet auf die Familie von Lara Santi, die gerade ihre Nationalmannschaft anfeuert.

Demnächst wollen sie Riad, den Sohn von Ghazl Baranbo und Talal Altinawi, zu ihrem Club Palmeiras São Paulo ins Stadion mitnehmen. Riad freut sich schon sehr darauf: "Ich weiß nicht genau wie, aber ich habe mich inzwischen an Brasilien gewöhnt, und ich glaube, der Fußball hat mir dabei geholfen."

Autorin: Nádia Pontes (jdw) / Deutsche Welle

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