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Argentinien |

Indigene in der Stadt - versteckte Identität

Die argentinische Mapuche-Anwältin Sandra Painelifu spricht im Interview über die Stadt als Hoffnungsort für Indigene, der sich in der Realität aber oft als Endstation erweist. Denn der Weg zurück in die mitunter ferne Heimat steht nicht ohne Weiteres offen. Sandra Painelifu gehört der argentinischen Kommission indigener Juristen an. Sie kämpft nicht nur für die Rechte der indigenen Völker in Argentinien, sondern auch in anderen Ländern.

Was ist für Sie das Wesentliche Ihrer Arbeit als Anwältin?

Alle indigenen Angelegenheiten sind letzten Endes in dieser oder jener Form mit Diskriminierung verbunden. Ein Beispiel: In meiner Gemeinde mussten wir um den Erhalt einer Schule kämpfen, deren Führung die Regierung bereits in die Hände einer Glaubensgemeinschaft gelegt hatte. Wir waren daher gezwungen, uns mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass diese Schule auch weiterhin im Unterricht unsere überlieferte Kosmovision fördert. Am Ende haben wir gesiegt. Ständig wird die Forderung nach einer interkulturellen Bildung in Frage gestellt, und es heißt: „Was können die Indigenen schon unterrichten?“. Für den Staat und seine Institutionen waren wir zuerst Unfähige, Analphabeten, Wilde. Und in der Gegenwart halten sie uns für Ignoranten.

An welchem Punkt befinden sich die indigenen Kämpfe aktuell?

Als indigene Völker haben wir es mit unterschiedlichen Stufen der Bewusstwerdung zu tun. Manche gehen mit ihren Forderungen in die öffentlichkeit. Ich meine die Mapuche, Guaraní, Aymara, Quechua oder das Volk der Toba, das im Norden Argentiniens lebt. Über sie wissen wir besser Bescheid, da sie Widerstand leisten.

Und was ist mit den anderen indigenen Völkern?

Im Allgemeinen erheben die indigenen Völker ihre Forderungen eher im Stillen. Das hat auch mit der Assimilierung und Segregation zu tun, mit Beraubung und Entwurzelung.

Welcher Unterschied besteht für Indigene zwischen Land und Territorium?

Das Territorium ist mehr als das, was sich unmittelbar erfassen lässt. Wir sind hier quasi versunken und können die Kosmovision neu erschaffen, die Spiritualität, die Kultur und das Menschsein. Mit anderen Worten, es geht für die Indigenen um viel mehr als um das reine Land und seinen ökonomischen Wert. Hier lässt sich das Leben in seiner ganzen Fülle erleben, und es entsteht ein wechselseitiges Verhältnis zwischen den verschiedenen Elementen, die es in der Natur gibt. So gesehen ist der Mensch nur ein Element unter vielen. Ohne ihr Territorium können die indigenen Völker sich als solche nicht entwickeln.

Und was hat es mit der Migration Indigener in die Städte auf sich?

Viele sind schlicht dazu gezwungen, getrieben von der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen.

Hat sich das Leben für die Indigenen verbessert?

Seit der Conquista blieben wir Notleidende. Und was jene Indigenen oder Menschen, die von indigenen Völkern abstammen, betrifft, die migrieren mussten, so stellt sich ihre Situation noch komplizierter dar. Denn in der Stadt werden sie ausgebeutet, und in vielen Fällen können sie nicht in ihre Heimat zurückkehren, da die indigenen Gebiete kleiner und kleiner werden – bei gleichzeitig wachsender Bevölkerung. Was die Bildung betrifft, so wurden in den letzten zehn Jahren zwar viele Stipendien vergeben, aber sie reichen nicht aus. Es handelt sich um sehr bürokratische Verfahren, und es ist Korruption im Spiel.

Was macht die Stadt mit der indigenen Identität?

Anfangs wurde dies als eine eher folkloristische Frage angesehen, aufgrund des Mangels an Bewusstsein und der kulturellen Entfremdung seitens Staat, Kirche, Schulen und Justiz. Dies sorgte dafür, dass viele Indigene ihre Identität als Volk verloren und vergaßen. Nicht wenige in der Stadt lebende Indigene taten alles, um möglichst wenig als Indigene zu erscheinen.

Quelle: adital, Interview: Andrés Figueroa Cornejo, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel

Indigenen-Protestbewegung auf einem Platz zwischen zwei Hauptverkehrsadern von Buenos Aires: der „Avenida de Mayo“ und der „Avenida 9 de Julio“. Foto: Pohl/Adveniat

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