Hinreißend illustrierte Geschichte des Tangos
Über den Tango sind schon viele Bücher geschrieben worden: Kulturhistorische Abhandlungen, Biographien von berühmten Musikern, Sängern und Textern, Betrachtungen über gesellschaftliche Entwicklungen in Argentinien, der Heimat des Tangos, und nicht zuletzt Ratgeberbände, komplett mit Abbildungen der wichtigsten Tanzschritte.
Wenn auf einem gerade erschienenen Buch über den Tango die Autorennamen Salas & Lato stehen, handelt es sich um eine ganz spezielle Veröffentlichung. Horacio Salas ist Kultursenator von Buenos Aires und Direktor der argentinischen Nationalbibliothek. Sein Spezialgebiet ist der berühmte Gesellschaftstanz aus den Clubs am Rio de la Plata, über den er bereits mehr als 30 Bücher veröffentlicht hat. Horacio Santana (Künstlername: Lato) ist ein über Argentinien hinaus bekannter Comic-Zeichner und Buchillustrator. Ihr gemeinsames Werk „Tango – Wehmut, die man tanzen kann“ verbindet knappe, aber detailreiche und informative Texte mit witzigen, comicartigen Zeichnungen zu einem großen Schau- und Lesevergnügen.
In Kapiteln von jeweils ein bis vier kleinformatigen Seiten erläutern Salas und Lato alle nennenswerten Aspekte des Tangos. Sie beginnen mit den Meldungen über erste unbekannte Tanzbewegungen in den zwielichtigen Kaschemmen von Buenos Aires in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Weiter geht es mit den musikalischen Präferenzen der Menschen, die nach Argentinien einwanderten, dem Einsatz neuartiger Instrumente wie des Bandoneons, dem Heraustreten der innovativen, aber schlecht beleumdeten Musik aus dem Umfeld von Prostitution und Kriminalität bis hin zum Aufkommen neuer musikalischer und textlicher Elemente, die frischen Wind in die Tangoszene des 20. Jahrhunderts brachten.
Salas und Lato gehen dabei gewissermaßen im Gleichschritt vor: Der Autor präsentiert die Fakten, nennt Jahreszahlen, zitiert Passagen aus berühmten Songs, stellt Musiker, Sänger, Texter, Politiker vor. Der Illustrator findet hierzu eine äußerst passende Bildsprache, die teils aus realistischen Zeichnungen der behandelten Figuren besteht, teils aus Elementen, die an Fotocollagen oder eine Mixtur aus Strichzeichnung und den Abbildungen aus alten Zeitungen erinnern. Herkömmliche Drucktype für den erläuternden Text und das an eine Handschrift erinnernde Lettering der Sprechblasen ergänzen sich sehr gut. Besonders erwähnenswert sind die zahlreichen wunderbaren Details, die in den großformatigen Zeichnungen zu entdecken sind: An einer Stelle entwirft Lato einen noblen Salon mit Orchester, Tanzfläche und mehreren Tischen, an denen die Gäste gut gekleidet Platz genommen haben. Im Vordergrund der Zeichnung sieht man zwei Kellner, die sich über die Höhe der erhofften Trinkgelder unterhalten, während sie Champagnerflaschen in Sektkübeln auftragen. Das Zusammenspiel von Text und Bild ergibt oftmals eine anregende, beinahe sinnliche Mixtur, die ganz an die Tangomusik erinnert.
Salas und Lato bringen uns oftmals allzu hüftsteifen Mitteleuropäern mit ihrer originellen Veröffentlichung einen der bekanntesten Tänze aus Lateinamerika näher – und sie tun dies auf eine unterhaltsame, kurzweilige Art und Weise.
Autor: Thomas Völkner
Salas & Lato: Tango – Wehmut, die man tanzen kann
München: Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann 2010
ISBN 978-3-570-58021-9
19,95 Euro