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Mexiko |

Herrliche Barbaren - ein mexikanischer Blick auf Deutschland

Wurst, Bier, sympathische aber hässliche Frauen, Literaturgrößen, schnelle Autos, barbarische Riten und technologiebesessene Nazis – das ist die Linse, durch die mexikanische Autoren Deutschland sehen.

Von den Reisechroniken des beginnenden 20. Jahrhunderts bis zur sogenannten “Crack-Generation” des 21. Jahrhunderts wiederholen sich gewisse Stereotypen über Deutschland in der mexikanischen Literatur: das romantische Deutschland, Deutschland als Projektionsfläche für das “Fremde, Andersartige” und als Schlachtfeld zwischen Zivilisation und Barbarie, so Katharina Niemeyer von der Universität Köln am Montag in Guadalajara.

Auf der Veranstaltung im Rahmen der Internationalen Buchmesse, auf der Deutschland Gastland ist, stellte die deutsche Literaturwissenschaftlerin die ersten mexikanischen Reiseautoren wie Amado Nervo vor, der 1900 in seinen Reisechroniken über Bayern die gute Wurst, das gute Bier, die sympathischen aber hässlichen Frauen und die barbarischen Riten der Studentenverbindungen bemerkenswert fand. Nach diesen ersten Reisechroniken verschwindet Deutschland viele Jahrzehnte aus dem Fokus mexikanischer Autoren, historisch bedingt durch den ersten und zweiten Weltkrieg und anschließend verdrängt durch andere Länder wie Spanien und die USA, die Mexiko geographisch und kulturell näher stehen.

Uniformierte Monster werden zu Wissenschaftlern

Seit Ende der Neunziger Jahre hingegen sind wieder einige mexikanische Bücher mit deutscher Thematik erschienen, darunter Jorge Volpi “En busca de Klingsor”, 1999, Ignacio Padilla “Amphitryon”,2000, Jose Maria Pérez Gay “Tu nombre en el silencio”, 2000, David Toscana “Los puentes de Königsberg”, 2007 oder Fabio Morabito “También Berlin se olvida”, 2004. “Ausdruck der Globalisierung der Kultur”, wie Marco Aurelio Larios von der Universität von Guadalajara betonte, oder “erfolgreiche Frucht des akademischen Austauschs”, wie Niemeyer unterstrich, weil die meisten Autoren Stipendiaten in Deutschland waren?

Gemeinsam ist den Romanen jedenfalls eine komplexe Struktur und gehobene Sprache für das gebildete Bürgertum, aber auch eine Thematik, die zwar in Deutschland spielt, aber als Metapher für das große faustische Dilemma der Menschheit gelten kann: Der Konflikt zwischen Gut und Böse. Volpi habe dabei deutsche Literatur auf spanisch geschrieben, so Larios. Ungewohnt sei sein Blick auf die Nazis, nicht als uniformierte Monster, sondern auf die Wissenschaftler, die sich mit den US-Amerikanern einen frenetischen Wettlauf um die Atombombe liefern und dabei in den Strudel politischer Manipulation und moralischer Fragen geraten.

Die deutsche Projektionsfläche als unbequemer Spiegel

Auch Jose Maria Pérez Gay, ein ehemaliger Doktorand in Berlin, thematisiert die Nazizeit, allerdings mit einer eminent politischen Vision, in der er den “Schweigepakt” des Nachkriegsdeutschlands vergleicht mit dem Schweigen, das sich in Mexiko nach dem Massaker von Tlatelolco 1968 breit gemacht hat. In eine ganz andere Welt und Zeit begibt sich hingegen David Toscana. In seinem Roman “Los puentes de Königsberg” erzählt er ausgehend von einem wissenschaftlichen Dilemma die Geschichte einer fiktiven aber unmöglichen Liebe in einer ewig umkämpften Grenzstadt. Königsberg könne dabei durchaus – nicht nur semantisch – als Pendant der nordmexikanischen Stadt Monterrey verstanden werden, die zwischen den Fronten des Drogenkriegs geraten ist, so Niemeyer. Also eine Art Globalisierung der Barbarie. Aus der deutschen Projektionsfläche von einst scheint ein unbequemer Spiegel geworden zu sein.

Autorin: Sandra Weiss

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