Große Wirkung für Gesundheit und Ernährungssicherheit
Mit der Gesundheitspastoral der Kirche verändert Carolina de Magalhães in Guatemala das Leben der Menschen, die gesellschaftlich ausgeschlossen und ausgebeutet werden.

Carolina de Magalhães von der Gesundheitspastoral in Guatemala. Foto: Adveniat/Pohl
Carolina de Magalhães zupft eine fingerlange, braune Schote vom Strauch, öffnet sie mit einem leisen Knacken und lässt vier kleine gelbe Bohnen in ihre Handfläche kullern. „Mit Soja fing alles an. Ich war auf der Suche nach etwas, das nahrhaft ist und hier wächst“, erzählt sie. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet die Deutsch-Brasilianerin in Guatemala, einem der ärmsten Länder Lateinamerikas. Viele Menschen – vor allem Kinder – sind mangel- und unterernährt. „Die Menschen arbeiteten hier auf großen Sojaplantagen, die Futtermittel produzieren“, erzählt Carolina. „Aber niemand dachte daran, es selbst zu nutzen.“ So kam ihr die Idee, den Kleinbauern zu zeigen, wie sie Soja für den eigenen Bedarf anbauen und weiterverarbeiten können.
Carolina de Magalhães leitet die Gesundheitspastoral der Diözese Suchitepéquez-Retalhuleu an der Pazifikküste im Südwesten Guatemalas. Die Pastoral bietet den Menschen nicht nur eine schulmedizinische Versorgung, sondern setzt auch auf traditionelle Heilpflanzen und Methoden, wie sie die Menschen hier schon seit Jahrhunderten anwenden. Gesundheitsvorsorge beginnt für Carolina de Magalhães bei gesunder Ernährung und nachhaltiger Landwirtschaft. Deshalb setzt sie sich für den Anbau von alternativen und alten Sorten ein, um die Ernten besser an den Klimawandel anzupassen und damit einen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten.
Erfolgsgeschichten
Viele Menschen in der Region backen mittlerweile ihr Brot mit Sojamehl oder verarbeiten die Bohnen zu Milch und Käse. „Fleisch und Milchprodukte können wir uns nicht leisten“, erzählt der Kleinbauer Lissandro Fuentes. Darum ersetzen er und seine Leute diese immer häufiger durch die kleine nahrhafte Bohne. „Dank der Gesundheitspastoral haben wir das Konzept des ‚Buen Vivir‘ kennengelernt“, sagt Lissandro Fuentes. Die Idee des „Guten Lebens“ stammt aus der Weltanschauung der indigenen Gemeinschaften Lateinamerikas und setzt auf einen Ausgleich zwischen Mensch und Natur, im Gegensatz zum „Höher, Weiter, Schneller, Besser“ westlicher Industrienationen, das weltweit zu Ungleichheit und Ausbeutung führt. „Wenn wir uns gut ernähren, werden wir nicht so oft krank und leben gut!“, erläutert Lissandro Fuentes.
Gezeigt haben es ihnen die „Animadores“, engagierte Männer und Frauen, die ehrenamtlich für die Gesundheitspastoral in den Dörfern ihrer Pfarreien unterwegs sind. Sie vermitteln den Kleinbauern effektive und nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden, wie etwa die Herstellung von organischem Dünger oder wassersparenden Bewässerungssystemen. Sie zeigen ihnen den Anbau alter, gesünderer Maissorten und versorgen sie mit genetisch nicht verändertem Saatgut.
Für die Familie von José Pérez Pos eine Erfolgsgeschichte: Vor vielen Jahren brachte Carolina de Magalhães dem Kleinbauern die vielen Verwendungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten von Soja nahe. „Sie erklärte uns, wie gesund Soja ist. Niemand von uns wusste, dass das viel mehr als nur ein Futtermittel ist“, erinnert sich José.
Heute besitzt die Familie eine eigene Getreidemühle und einen Steinofen, in dem sie etwa 1.200 Brote in der Woche backt, die sie im ganzen Stadtteil verkauft. Dank des stabilen Einkommens konnten alle acht Kinder zur Schule gehen, einige haben sogar studiert. Das ist für örtliche Verhältnisse außergewöhnlich. „Es hat unser Leben verändert“, sagt der 22-jährige Sohn Daniel. Heute arbeitet er als Grundschullehrer in seinem Dorf und leitet die Bäckerei. „Was wir verdienen, investieren wir wieder in unser Geschäft oder wir sparen es.“ Die ganze Familie ist an dem Projekt beteiligt, mittlerweile besitzt sie ein Stück Land, auf dem sie zusätzlich Bohnen, Obst und Gemüse anbaut und Geflügel züchtet. „In der Coronazeit hat es uns das Überleben gesichert“, sagt Daniel.
Diese Entwicklung ist für Carolina de Magalhães ein Beleg dafür, dass die Ideen der Gesundheitspastoral aufgehen: „Man kann nicht alles ändern und vielleicht ist es in diesem Land nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wenn ich diesen Menschen begegne, dann sehe ich, dass viele Tropfen auch das Glas füllen.“
"Kirche muss rausgehen"
Mit den Armen zusammenarbeiten, das wollte Carolina de Magalhães schon früh. 1961 im brasilianischen Guaratinguetá als Tochter eines deutschen Vaters und einer Brasilianerin geboren, ging sie schon mit der Jugendgruppe ihrer Pfarrei in die Favelas, die Armenviertel der Stadt: „Wir haben die Familien besucht, ihnen geholfen und mit den Kindern gespielt“, erinnerte sie sich. Sie lernte das Leben der Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, in ihrer Heimat kennen. „Mein Traum war immer, dort zu dienen, wo es notwendig ist.“
Nach dem Abitur studierte sie in München Ernährungswissenschaften mit dem Ziel, ihre Kenntnisse anschließend in der Entwicklungsarbeit einzusetzen. 1989 führte sie ihr erster Job nach Guatemala, als dort noch Bürgerkrieg herrschte. Sie blieb.
Heute leitet sie die Gesundheitspastoral auf Bistumsebene ist darüber hinaus für die Kleinkindpastoral im ganzen Land zuständig. Dieses Projekt gründeten die guatemaltekischen Bischöfe 2008 als Antwort auf die prekäre Gesundheitslage und die schlechte Ernährungssituation in ihrem Land. Mehr als 600 Animadores begleiten junge Familien von der Schwangerschaft an, um Kindern einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen.
Beide Projekte werden vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat seit Jahren unterstützt, insbesondere aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes, bei dem es um mehr geht als Gesundheit und Ernährung: „Wir wollen die Menschen befähigen, ihre Situation selbst zu verändern, damit sie ein Leben in Würde als Kinder Gottes führen können.“ Carolina de Magalhães ist überzeugt: Das hat Papst Franziskus gemeint, als er seine Kirche dazu aufforderte, an die Ränder zu gehen. „Kirche muss rausgehen – zu den Menschen, zu den Familien, dahin, wo es am notwendigsten ist.“