Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Kultur |

Enttäuschungen und Überraschungen auf der Berlinale

Für manche Kritiker zeichnete sich die Berlinale auch 2018 wieder durch "Furchtlosigkeit" aus. Foto: Jörg Kantel, CC BY-NC-ND 2.0
Für manche Kritiker zeichnete sich die Berlinale auch 2018 wieder durch "Furchtlosigkeit" aus. Foto: Jörg Kantel, CC BY-NC-ND 2.0

Bereits im Vorfeld hatten 79 deutsche Filmemacher in einem offenen Brief eine grundlegende Reform des Festivals mit seinem ausuferndem Programm gefordert. Nach der Vergabe des Goldenen Bären hält die Kritik weiter an, es gibt aber auch andere Stimmen: Während die Frankfurter Rundschau den Wettbewerb der Berlinale vor allem "mit Enttäuschungen überfrachtet" sah, zeichnete sich die Programmierung des Wettbewerbs laut Spiegel Online indes "mal wieder durch Furchtlosigkeit aus".

Für den lateinamerikanischen Film war die Berlinale 2018 aber wohl eher durchwachsen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der auf einem wahren Fall aus dem Jahr 1985 beruhende Kunstraub-Thriller "Museo" des mexikanischen Regisseurs Alonso Ruizpalacios im Wettbewerb enttäuschte (laut Tagesspiegel und Berliner Zeitung). Dabei war Ruizpalacios' tolles Roadmovie "Güeros" 2014 noch als bester Erstlingsfilm auf der Berlinale ausgezeichnet worden. Mit "Museo" lieferte der Ruizpalacios einen "halbgaren Genrebrei" (perlentaucher.de) ab.

Für Rezensentin Eva-Christina Meier von der taz war sogar der Mexikaner Gael García Bernal, einer der großen Stars des Latino-Kinos, "wenig überzeugend", weil er "vor allem sich selbst spielt". Dennoch erhielten Ruizpalacios und sein Mitautor Manuel Alcalá für den Film einen Silbernen Bären in der Kategorie Bestes Drehbuch.

Überraschung aus Paraguay

Eine positive Überraschung war der erste Berlinale-Wettbewerbsfilm aus Paraguay: "Las Herederas" ("The Heiresses") von Marcelo Martinessi erzählt die Geschichte von Chela und Chiquita, zwei lesbischen Frauen um die Sechzig aus gutem Hause, die in Schwierigkeiten geraten, als sie ihr Erbe aufgebraucht haben. Martinessi stelle die Liebe zwischen diesen beiden konservativen Frauen "mit allergrößter Selbstverständlichkeit dar", seine Bilder von den Körpern der beiden seien "intim und zart", so Thekla Dannenberg bei perlentaucher.de. Am Ende gewann "Las Herederas" gleich zwei Siberne Bären zum einen den Alfred Bauer Preis für neue Perspektiven, zum anderen die Schauspielerin Ana Brun für ihre Rolle als Chela.

Ein weiterer Film mit südamerikanischer Beteiligung im Wettbewerb war "7 Tage in Entebbe" des brasilianischen Regisseurs José Padilha, der die Air-France-Flugzeugentführung durch zwei Mitglieder der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und zwei Deutsche im Jahr 1976 als Spielfilm rekonstruiert. Padilha hat sich in den vergangenen Jahren geradezu auf action-geladene Filme rund um Geiselnahmen und Sondereinsatzkommandos spezialisiert: Triumphierte er vor zehn Jahren mit "Tropa de Elite" noch in Berlin, gefiel sein neuer Film den Kritikern jedoch kaum.

"Muss der Terror auch noch auf die Leinwand?", fragte sich etwa die Welt, während die taz die "antiquierte Filmsprache" bemängelte. Das ist durchaus schade, denn Padilha hat 2002 mit seinem Debüt "Ônibus 174" eine beeindruckende Dokumentation vorgelegt, der es vielleicht wie keiner zweiten gelungen ist, der strukturellen Gewalt in der brasilianischen Gesellschaft am Beispiel einer Geiselnahme in Rio de Janeiro auf den Grund zu gehen.

Sozialkritische Dokumentarfilme aus Argentinien und Brasilien

Ungewöhnlichere und oft auch interessantere Filme lassen sich bekanntlich in den Nebenreihen der Berlinale finden. Dieses Jahr waren es unter anderem bedrückende sozialkritische Dokumentarfilme aus Lateinamerika, die Beachtung fanden darunter Fernando E. Solanas' "Viaje a los Pueblos Fumigados" ("Reise in die vergifteten Dörfer", Berlinale Special), in dem Solanas die für Mensch und Umwelt schrecklichen Auswirkungen der monokulturellen Sojaplantagen im Norden Argentiniens veranschaulicht (perlentaucher.de).

Und der brasilianische Drehbuchautor Luiz Bolognesi legte mit sein Debüt als Regisseur vor: In "Ex Pajé" ("Ex Shaman", Panorama Dokumente) beleuchtet er, wie die kulturelle Identität der indigenen Paiter Suruí im Amazonasbecken seit ihrem Kontakt mit der westlichen Welt langsam verloren geht. Bolognesis Film wurde allerdings nur von brasilianischen Zeitungen größer besprochen (Globo, UOL), was auch ein Indiz dafür ist, dass bei uns das Interesse an Lateinamerika schwindet.

"Bestürzende Einblicke in die brasilianische Politik"

Weniger überzeugen konnte dagegen Maria Augusta Ramos' Dokumentation "O Processo", (Panorama Dokumente), in dem die Sommermonate des Jahres 2016 im Fokus stehen, als Brasiliens Präsidenten Dilma Rousseff aus fadenscheinigen Gründen ihres Amtes enthoben wurde ein Vorgang, den viele Experten für einen parlamentarischen Putsch halten.

Wer die brasilianische Politik nicht kennt, dürfte die Materie, nachdem er "O Processo" gesehen hat, aber nicht unbedingt besser verstehen. Denn Maria Ramos wolle mit ihrem Film "nicht die Affäre aufklären. Wer sich in dem Fall nicht auskennt, ist hoffnungslos verloren", schreibt perlentaucher.de. Wenigstens gebe die Doku aber "bestürzende Einblicke in die brasilianische Politik, in der eine rhetorische Brutalität herrscht, die keiner Demokratie gut tun kann". Als Anschauungsmaterial über das groteske politische Systems Brasiliens könnte der Film für künftige Generationen also vielleicht doch noch Bedeutung haben.

Autor: Ole Schulz, Foto: Jörg Kantel, CC BY-NC-ND 2.0

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz