Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
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Ende eines "heiligen Experiments"

Eine typische Kirche der Jesuiten steht in Ahlan Sac Hun, einem Indigenen-Dorf im Missionsgebiet der Jesuiten in Bachajòn, Mexiko. Foto: Adveniat/Escher.
Eine typische Kirche der Jesuiten steht in Ahlan Sac Hun, einem Indigenen-Dorf im Missionsgebiet der Jesuiten in Bachajòn, Mexiko. Foto: Adveniat/Escher.

Ihr Erfolg war oft auch ihr Verderb. Die Jesuiten waren in Lateinamerika missionarisch wie wirtschaftlich so effizient, dass sie den Neid der Eroberer auf sich zogen. Auch in Lissabon und Madrid waren sie dem Hofstaat ein Dorn im Auge. Portugals Erster Minister, Sebastiao Marques de Pombal (1699-1782), öffnete 1759 die Büchse der Pandora. Weitere Länder nahmen den Ball dankbar auf. Binnen weniger Jahre wurden die Jesuiten aus den Weltreichen Portugal, Frankreich und Spanien ausgewiesen. Vor 250 Jahren, konkret am 2. April 1767, landete Spaniens Krone den KO-Schlag: Der Orden wurde aus allen Kolonien vertrieben, auch aus den Jesuiten-Reduktionen in Lateinamerika.

Die "Neue Welt": Lockruf für Abenteurer und Glücksritter. Die spanische Krone deklarierte ihre Eroberungen als Verbreitung des Christentums. Allerdings handelten ihre Werkzeuge vor Ort keineswegs danach. Die Ureinwohner wurden zu Zwangsarbeit gezwungen. Erfinder einer Abhilfe, der sogenannten Reduktionen, waren nicht die Jesuiten, sondern der Franziskaner Luis de Bolanos (1550-1629). In Asuncion, heute Hauptstadt Paraguays, ließ er Einheimische zusammenleben und -arbeiten, um sie vor dem Zugriff der weltlichen Eroberer zu schützen.

Die Jesuiten, seit 1549 in Lateinamerika vertreten, hatten zunächst lediglich Seelsorge unter den Neusiedlern betrieben und erst seit 1576 auch unter den Indigenen missioniert. 1603 beschloss eine Synode Maßnahmen gegen die Versklavung und Ausbeutung der Ureinwohner, unter anderem die Möglichkeit zur Separierung vom unmittelbaren spanischen Zugriff: Die Geburtsstunde dessen, was von Seiten der Eroberer als "Heiliges Experiment" bespöttelt wurde.

Jesuiten retteten Indigene vor Sklaverei

Ab 1610 richteten die Jesuiten im heutigen Paraguay, in Argentinien, Brasilien und Bolivien selbstverwaltete Reduktionen zum Schutz vor Sklavenhändlern ein. Organisiert waren sie in Dörfern von rund 400 bis 7.000 Einwohnern, die gemeinsam Ackerbau, Viehzucht und Handwerk, später auch Kunstgewerbe betrieben. Zentrum eines Dorfes waren typische Jesuitenkirchen, meist mit Friedhof, Schule und Wohnhaus der Patres. Allein in den 30 Reduktionen des Guaraní-Volkes lebten in den 1730er Jahren rund 140.000 Menschen. Mehr als 700.000 Indigene sollen dort zwischen bis 1768 getauft worden sein - und getaufte Indigene durften gemäß königlichem Erlass von 1607 nicht mehr versklavt werden.

Die Jesuiten waren Seelsorger, Ärzte, Ökonomen und Ingenieure, Lehrer und Ausbilder, Bürgermeister und Richter ihrer Gebiete. Neben den Produkten für den eigenen Bedarf wurden bald auch Export-, Tausch- und Luxusgüter hergestellt: Baumwolle, Indigo, Tabak und Mate. Auf die Erlöse wurden Steuern an die spanische Krone entrichtet. Eine kulturelle Frucht der Reduktionen war die geistliche Musik des sogenannten Jesuiten-Barock.

Neid endete in blutigen Auseinandersetzungen

Der außergewöhnliche Erfolg der Reduktionen - es herrschte dort eine austarierte Mischung aus Privat- und Gemeinschaftsbesitz - rief Neider verschiedenster Couleur auf den Plan. Militärs, Händler und Kaufleute, Großgrundbesitzer, teils sogar Bischöfe beklagten sich fortwährend über den Orden - und scheuten auch vor unlauteren Mitteln nicht zurück. In den 1630er Jahren wurden ganze indigene Dörfer niedergebrannt, die Bewohner ermordet oder versklavt. Vergeblich baten die Jesuiten die Monarchen um Schutz.

Schließlich gestattete Spaniens König Philipp IV. dem Orden, eine bewaffnete Indigenen-Schutztruppe gegen die Überfälle der sogenannten Paulistas aufzustellen. Sie bewährte sich in Dutzenden Abwehrschlachten, oft mit hohen eigenen Verlusten.

Ein Gemisch von lokalen Unruhen und Aufständen, gestreuten Gerüchten, Mythen und Legenden über vermeintliche Illoyalität und illegale Machenschaften in den Reduktionen führten schließlich zum "Verlust des Paradieses". Die Könige schenkten Verleumdung, Einflüsterungen und Hörensagen bei Hofe zunehmend Gehör und ordneten mehrere Untersuchungen an - deren Ergebnisse stets die Ankläger Lügen straften.

Ende einer Erfolgsgeschichte

Doch das Klima verschlechterte sich immer weiter. Der Marques de Pombal übertölpelte den schwachen spanischen König Ferdinand VI. mit einem Gebietstausch, durch den sieben Reduktionen am Rio Uruguay mit rund 30.000 Bewohnern mit einem Schlag aufgelöst wurden. Der König ernannte einen gefügigen Jesuiten, um dies gegen den Willen seiner Mitbrüder vor Ort zu vollstrecken. Entgegen den Rat der Patres ergriffen viele Einheimische die Waffen - und wurden 1753 vernichtend geschlagen.

Der Vorfall war nur Anlass für weitere Maßnahmen. In Portugal wurde 1759 das Vermögen des Ordens beschlagnahmt und alle Jesuiten des Landes verwiesen. Der Vorwurf: Sie hätten die Indigenen gegen die Krone aufgestachelt und ein Mordkomplott geschmiedet. Frankreich folgte 1764, Spanien 1767.

Neuanfang nach Jahrzehnten

Dem Vermögenseinzug und der Ausweisung aus dem Mutterland - Protest wurde als "Hochverrat" mit dem Tod bestraft - folgte das Aus in Amerika. Mit Erlass vom 2. April wurden alle Jesuiten-Reduktionen unterdrückt. Allein in der Provinz Paraguay waren mehr als 110.000 christliche Einwohner betroffen. Kolonisten übernahmen die Gebiete, ohne das Handwerk der Jesuiten ausreichend zu verstehen. Ein jahrhundertelanger Niedergang begann.

Die rund 1.800 Jesuiten auf dem Kontinent verzichteten auf bewaffneten Widerstand. Sie wurden ausgeschifft und starteten zu einer Odyssee mit unbekanntem Ausgang. 1773 verbot schließlich Papst Clemens XIV. - auf Druck der Könige von Frankreich, Spanien und Portugal - den Jesuitenorden als ganzen. Erst 40 Jahre später, nach der Französischen Revolution, konnte 1814 ein kompletter Neuanfang starten.

Quelle: KNA, Autor: Alexander Brüggemann.

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