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Ein Jahr nach Olympia: Die meisten Sportstätten stehen leer

Perfekte Welt: Das Modell des Olympischen Dorfes in Rio de Janeiro. Nach dem Sportevent sollten die Gebäude zu Luxus-Wohnungen umgebaut und verkauft werden - doch keiner will sie.
Perfekte Welt: Das Modell des Olympischen Dorfes in Rio de Janeiro. Nach dem Sportevent sollten die Gebäude zu Luxus-Wohnungen umgebaut und verkauft werden - doch keiner will sie.

Am Sonntagmorgen, 30. Juli 2017, brannte es im Olympiapark von Barra da Tijuca. Bunte, mit brennenden Kerzen versehene Ballons sollen das Dach des Velodroms entfacht haben. Es ist eine Tradition im brasilianischen Winter, die Ballons fliegen zu lassen. Doch derzeit gelingt in Rio nicht einmal das Feiern.

Ausgerechnet das Velodrom. Das alte, zu den Panamerikanischen Spielen 2007 für viel Geld gebaute Velodrom war unter Bürgerprotest abgerissen worden. Bis kurz vor den am 5. August 2016 eröffneten Spielen zitterte man, ob die neue, aus Europa eingeflogene Spezialholzbahn rechtzeitig verlegt werden könne. Dank ihr purzelten bei Olympia die Rekorde - danach sorgten die Instandhaltungskosten der Arena für Unruhe. Monatlich 350.000 Euro, davon 80.000 Euro für die Kühlung der Holzbahn.

Vor zwei Monaten nahm das Velodrom dann den Trainingsbetrieb für brasilianische Spitzenradfahrer auf. Das Sportministerium, das Teile der Olympiabauten zu Jahresbeginn von der klammen Stadtverwaltung übernommen hatte, wollte die Radrennbahn nun als gelungenes Beispiel für die nachhaltige Nutzung des Olympia-Erbes darstellen. Doch bleiben werden nun die Bilder der verkohlten Holzpiste.

Auch London hatte nach Olympia Anlaufschwierigkeiten

Rio hat es schwer mit seinem Olympia-Erbe. Die über 3.000 Luxus-Apartments des Olympischen Dorfs verkaufen sich nicht. Unpopulär ist auch der Olympia-Park in Barra da Tijuca. Die von der Stadt geplante Privatisierung scheiterte, der Umbau einiger Hallen zu Schulen lässt auf sich warten. Immerhin gibt es in den vom Sportministerium übernommenen Hallen ab und zu Aktivitäten. London habe nach Olympia 2012 auch zwei Jahre gebraucht, um die Sportstätten für die Bevölkerung nutzbar zu machen, verteidigt sich das Ministerium.

Derzeit nutzen nur wenige Passanten den Olympiapark, ein paar Kinder spielen Fußball, skaten oder fahren Rad. Es gibt kein einziges WC, nirgends kann man Wasser kaufen oder einen Kaffee trinken. Der Olympiapark von Deodoro, im Norden von Rio, ist derweil komplett geschlossen. Der Stadt fehlen die Mittel, um das Gelände - inklusive der zum Freibad umgebauten olympischen Wildwasserbahn - wie versprochen an die Bevölkerung zu übergeben.

Es geht um das nackte Überleben

Nichts läuft wie geplant. Am Freitag, 28. Juli 2017, mussten Brasiliens Militärs die alten Einsatzpläne der Olympischen Spiele aus der Schublade holen und besetzten wieder Knotenpunkte der Stadt. Doch statt des Schutzes von Olympia-Touristen geht es jetzt um das blanke Überleben. Rasant hatte sich zuletzt die Sicherheitslage verschärft, drängten Drogenbanden die Polizei aus den Favelas, wurden Lastwagen auf offener Straße ausgeraubt.

92 Polizisten starben seit Januar, hunderte quittieren den Dienst, der Rest wartet auf ausstehenden Sold. Ex-Gouverneur Sergio Cabral, der die erfolgreiche Olympiabewerbung 2009 angeführt hatte, sitzt derweil wegen Korruption im Gefängnis. Wie Heuschrecken hatte seine Clique die öffentlichen Kassen geplündert. Beim Bau der Olympia-U-Bahn könnte der Schaden bei 500 Millionen Euro oder mehr liegen, auch bei den Arenen soll heftig mitverdient worden sein. Cabral selbst soll bis zu 200 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen abgezweigt haben.

Rio hat auf Öl und Gas gesetzt ein Fehler

Neue Verhaftungen einst mächtiger Funktionäre und Politiker stünden bevor, prophezeit die Staatsanwaltschaft von Rio. Sie hatte den Organisatoren bereits während Olympia den öffentlichen Geldhahn zugedreht. So warten immer noch Zulieferer auf die Begleichung ihrer Rechnungen durch das Organisationskomitee. Auf rund 30 Millionen Euro sollen sich die Schulden belaufen.

Rios Zukunft sollte prächtig aussehen, befeuert vom Gütesiegel einer Olympia-Stadt. Doch die gigantischen Pläne basierten auf Ölpreisen jenseits von 120 US-Dollar pro Fass. Rio hatte voll auf den Öl- und Gassektor gesetzt. Jetzt, bei Ölpreisen unter 50 Dollar, fehlen Gelder für Krankenhäuser und Schulen, Beamte in Dienst und Ruhestand warten monatelang auf ihre Bezüge.

Nun geht es ans Tafelsilber. Die Wasserwerke müssen privatisiert werden, eine Auflage des Bundes. Im Gegenzug werden die gigantischen Schulden des Landes gestundet. Neben den Milliarden vom Bund erhofft man sich Investitionen aus China. Ob die jedoch das gebrochene Olympia-Versprechen zur Säuberung von Flüssen, Lagunen und Buchten einlösen, ist fraglich. Im staubtrockenen brasilianischen Winter stinkt Rio jedenfalls wieder aus allen Gewässern. Genau wie vor Olympia.

Quelle: KNA, Autor: Thomas Milz

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