Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Peru |

Die Verfassung(en) und der gemeinschaftliche Landbesitz

Es sorgte für ziemlichen Wirbel, dass Humala seinen Amtseid als Präsident nicht auf die aktuelle Verfassung ablegte, die seit der Regierung von Alberto Fujimori in Kraft ist. Er schwor auf die vorherige Version von 1979. Wilfredo Ardito Vega hat sich beide Versionen genauer angesehen.

Die Worte während des Schwurs auf die Verfassung von 1979 haben für viel Polemik gesorgt. Trotzdem könnte es fragwürdig sein, dass Peru elf Jahre nach dem Ende der Regierung Fujimori weiter nach der Verfassung von 1993 regiert wird.

Als sich Fujimori 1992 durch Auflösung des Parlaments und Suspendierung der Judikative, den so genannten "autogolpe" an die Macht putschte, unterstützten ihn viele Peruaner. Sie dachten, dies sei eine notwendige Maßnahme gegen den Terrorismus. Doch Fujimori hatte andere Pläne: Er versuchte, seine Macht zu legitimieren und das neoliberale ökonomische Modell mittels einer neuen Verfassung zu festigen, in der die Rolle des Staates reduziert wurde ‒ gleichzeitig wurden Großinvestitionen begünstigt, zum Nachteil der sozialen Rechte.

Unveräußerlich und unpfändbar

Das zeigt sich sehr deutlich in Bezug auf das kommunale Land indigener bäuerlicher Gemeinden: In der Verfassung von 1993 heißt es, dass Gemeindeland unveräußerlich, unpfändbar und dieses Recht nicht verjährbar sei. Damit sollte jeglicher Landraub vermieden werde. In der Verfassung von 1979 waren diese Regelungen im Artikel 164 enthalten. Zudem wurden erstmals die indigenen Amazonasbewohner als indigene Gruppe aufgeführt.

Die Gemeindeterritorien waren damit trotzdem nicht vom Markt: Wenn mindestens zwei Drittel der Gemeindemitglieder für einen Verkauf stimmten, so konnten bäuerliche und indigene Gemeinden ihr Land verkaufen. Auch musste der Kongress dem Verkauf per Dekret zustimmen und die Indigenen vor der Übergabe des Landes in Geld ausgezahlt werden. Diese Klauseln sollten verhindern, dass skrupellose Personen die Gemeinden zum Landverkauf zwingen. Während der zwölf Jahre, in denen diese Verfassung galt, bat keine einzige Gemeinde beim Kongress um Autorisierung.

Prinzipien der Agrarreform verankert

Die Verfassung von 1979 entsprach zudem auch den Prinzipien der Agrarreform, indem sie Großgrundbesitz verbot (Artikel 159) sowie die Landkonzentration durch Aufkäufe innerhalb einer Gemeinde (Artikel 164). Außerdem wurde darin verfügt, dass verlassene Ländereien an Landlose vergeben werden müssen (Artikel 157).

Nach der von Fujimori ausgerufenen Verfassung hingegen, sollten die Gemeinden autonom über ihre Territorien verfügen. Von der Zwei-Drittel-Mehrheit und der Zustimmung des Parlaments, der Vorauszahlung war keine Rede mehr. Das Land ist auch nicht mehr vor Pfändung geschützt und die Rechte daran verjähren nur dann nicht, wenn das Land verlassen ist, was eine widersprüchliche Regelung ist (Artikel 89).

Einfacherer Verkauf - zugunsten von Minen und Erdölfirmen

Die Regierung Fujimori erklärte dazu, man versuche den Indigenen und den Bauern das volle Eigentumsrecht über ihr Land zu geben, indem alles beseitigt würde, was ihnen beim Verkauf ein Hindernis sein könnte. In Wahrheit hatten die bäuerlichen und indigenen Gemeinden aber gar kein Interesse an einem Verkauf, denn sie fühlen sich durch eine Kosmovision mit ihrem Land verbunden. Artikel 89 sollte lediglich dazu dienen, dass Erdöl- und Bergbauunternehmen an Gemeindeland kommen konnten.

Dieser Artikel war Grund für viele soziale Konflikte, die zu einer Bedrohung für die Bewohner der Gemeinden geworden ist. Einige Firmen versuchen es mit untergeschobenen Direktiven, andere schwärzen indigene Führungspersonen an, wieder andere bestechen einige Bewohner, um einen Verkauf zu erreichen.

„Das Problem ist, dass sie die Bewohner so verachteten, dass sie nicht einmal in der Lage waren, sich mit ihnen hinzusetzen und zu verhandeln wie Gleiche unter Gleichen“, erklärte mir mal ein Ingenieur, der in der Andenregion Ayacucho für eine Bergbaufirma arbeitete.

1979 gab es noch Entwicklungsziele

Artikel 158 der Verfassung von 1979 verpflichtete den Staat dazu, die Lebensbedingungen von Bauern zu verbessern, indem Produktion und Produktivität erhöht werden und Maßnahmen zur Regeneration und Bewässerung der Böden ergriffen werden, um die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen zu vergrößern.

Die Bildung und das technische Know-how sollten verbessert sowie eine Versicherung geschaffen werden, um die Bauern vor Risiken und Schäden zu schützen, wie sie durch Katastrophen entstehen können. Die landwirtschaftliche Produktion sollte sich vor allem an der Erfüllung des Bedarfs der eigenen Bevölkerung ausrichten, innerhalb einer Preispolitik, die den Bauern gegenüber fair ist. Nichts davon kommt in der Verfassung von 1993 vor.

1993 wird kulturelle Identität groß geschrieben

Allerdings muss man anerkennen, dass in dem Statut von 1993 sehr positive Referenzen hinsichtlich der ethnischen und kulturellen Identität (Artikel 2, Absatz 19) und der Möglichkeit der bäuerlichen und indigenen Gemeinden nach einer eigenen Rechtssprechung (Artikel 149) gemacht werden. Auch die bilinguale Ausbildung war nicht mehr nur auf die indigenen Grundschüler des Amazonasgebiets beschränkt, wie die Verfassung von 1979 vorsieht (Artikel 17).

Die Verfassung von 1993 schuf die Ombudsstelle, eine staatliche Behörde, die dafür sorgen soll, dass der Staat die Bürgerrechte gewährt. Es war ausgerechnet diese staatliche Stelle, die am meisten für die Anerkennung der Rechte der indigenen Völker gekämpft hat, einschließlich des Rechts auf vorherige Konsultation.

Reformbedürftige Verfassungstexte

Trotzdem, diese zu begrüßenden Paragraphen stehen im Widerspruch zur Unsicherheit, welche die gegenwärtige Verfassung bezüglich des Gemeindelandes schafft. Deshalb haben viele Bauern- und Indigenenorganisationen eine Rückkehr zur vorherigen Regelung gefordert.

Die Erben Fujimoris bevorzugten, weiter mit dieser Verfassung von 1993 zu arbeiten, schließlich waren sie ja auch damit einverstanden. Also hat Präsident Alan García, dessen Amtszeit erst vor kurzem endete, seiner Geringschätzung gegenüber den indigenen und bäuerlichen Gemeinden mehrfach Ausdruck gegeben, indem er sie als Fortschrittshemmnis für ganz Peru bezeichnete.

Nach 18 Jahren ist es schlichtweg unmöglich, wieder zur Verfassung von 1979 zurückzukehren. Trotzdem würde eine Verfassungsreform, die den Umgang mit Gemeindeland aus den Statuten von 1979 wieder herstellt, dazu beitragen können, viele soziale Konflikte zu befrieden. Jene Peruaner, die sonst am wenigsten Beachtung finden, könnten dadurch das Gefühl bekommen, dass sich der Staat schließlich doch noch an ihre Bedürfnisse erinnert.

Autor: Wilfredo Ardito Vega in: Adital; Deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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